Michelle MünteferingSPD - Aktuelle Stunde Lage im Nahen und Mittleren Osten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auf die Rolle der beiden zentralen Akteure Iran und Saudi-Arabien eingehen. Denn häufig wird es so dargestellt, als würde zwischen Saudi-Arabien und Iran ein Konflikt eskalieren, der bereits die Anfänge des Islam geprägt hat und daher seit vielen Jahrhunderten schwelt, nämlich die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Aber von einem Konflikt, wie wir ihn heute kennen, kann man erst seit 1979 sprechen, seit der Revolution in Iran, der Moscheebesetzung in Mekka und dem Afghanistan-Krieg.
Beide Staaten versuchen zwar schon seit langer Zeit, ihre Formen des politischen Islam zu exportieren; aber viel wichtiger ist die politische Dimension. Beide Regionalmächte versuchen, Machtvakuen zu nutzen, Loyalitäten aufzubauen, den eigenen Einfluss zu stärken und den Anspruch auf die Führungsrolle in der muslimischen Welt geltend zu machen.
Nach dem Atomabkommen will Saudi-Arabien seine starke Stellung in der Region erhalten. Genau deshalb ist es wichtig, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen und den Dialog aufrechtzuerhalten. Die Politik der neuen Machthaber erscheint allerdings zumindest unzuverlässig. Es besteht die Gefahr, dass die Instrumentalisierung der Sunna und der Schia auch für diese Staaten außer Kontrolle gerät.
Das verändert natürlich unseren Blick auf die Region. Im internationalen Kampf gegen Daesh, den sogenannten IS, steigen die Aufmerksamkeit und die Sensibilität für die Unterstützung salafistischer Gruppen durch Saudi-Arabien. Die anhaltenden massiven Menschenrechtverletzungen in beiden Staaten sind für uns nicht hinnehmbar, und die jüngsten Hinrichtungen sind auch eine klare Provokation gegen den Iran.
Wir machen klar, dass Menschenrechte ein strategisches Interesse unseres Landes sind; sie müssen es sein. Selbst wenn wir ganz pragmatisch sind: Es ist gut für uns, wenn es anderen gut geht. Menschen müssen geschützt sein vor Gewalt und Tod. Dennoch bleiben Iran und Saudi-Arabien zentrale Akteure im Kampf gegen den IS.
Ich erinnere mich an die letzte Reise von Frank-Walter Steinmeier in diese Region: Iran, Saudi-Arabien, Jordanien. Hinter vorgehaltener Hand gab es auch damals Kritik an der Reise. Man hat sich gefragt: Wohin mag das führen? Ist diese Reiseroute nicht naiv? – Nein, sie war es nicht; denn wenige Wochen später haben sich beide Akteure am Verhandlungstisch in Wien wiedergefunden. Unsere Überzeugung ist und bleibt: Ein Miteinander ist die weitaus bessere Option als ein Gegeneinander.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Franziska, lassen Sie mich als Sprecherin der SPD für Kulturdiplomatie noch ein paar Worte sagen. Die Gesprächskanäle offenzuhalten, das schaffen wir auch durch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Sie ist neben der klassischen Diplomatie und den Wirtschaftsbeziehungen die dritte Säule; sie ist die sanfte Macht der Außenpolitik. Sie erreicht die Menschen auch in schwierigen Zeiten. So ist es seit vielen Jahren auch in Iran – durch studentische Beziehungen, die wir aufrechterhalten und gepflegt haben.
In Saudi-Arabien wird auf dem Kulturfest ein deutscher Pavillon zu sehen sein. Die Besucher werden darin – so ist die Planung – eine deutsche Stadt finden, ein Straßencafé, eine Ausstellung von Literatur und die Übersetzung wichtiger deutscher Grundgesetzartikel. Die Themen sind „Frauen in der Wirtschaft“ und „Kommunale Selbstverwaltung als politische Mitbestimmung“. Ja, auch die deutsche Wirtschaft ist dabei, zum Beispiel mit dem Thema Elektromobilität; ob da der Whirlpool hineinpasst, kann ich nicht beurteilen. Die Veranstaltung soll auch für Frauen geöffnet sein. Es sollen deutsche Jazzmusikerinnen auftreten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist ein starkes Zeichen in einem Land, in dem es nahezu kein öffentliches kulturelles Leben gibt.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sollen auch alle hingehen! Das ist auch alles richtig!)
Wir werden im Unterausschuss über die inhaltliche Planung noch einmal genauer diskutieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie genau hinsehen, dann können Sie den sanften Wandel durch die Förderung der Kultur erkennen. Der zuständige Minister des Königshauses, übrigens 35 Jahre alt, hat im Westen studiert und in Deutschland gearbeitet. Er wurde noch vom alten König Salman eingesetzt. Mittlerweile gibt es auch einige Literaturclubs mit Frauen in den Vorständen, eine Gesellschaft für Kunst und Kultur, Frauentheatergruppen und Medien, die Frauen unverschleiert gezeigt haben. Für uns in Deutschland mag das furchtbar rückständig erscheinen. Tatsächlich können wir uns so ein Leben überhaupt nicht vorstellen. Aber diese Beispiele zeigen die Kraft von Kunst und Kultur, und wir brauchen sie, auch für unsere diplomatischen Bemühungen.
Für die Anstrengungen, die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu entschärfen, vielleicht sogar eines Tages dabei zu helfen, sie zu befrieden, hat unser Außenminister die volle Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Norbert Röttgen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6416243 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde Lage im Nahen und Mittleren Osten |