Albert RupprechtCDU/CSU - Berufliche Aufstiegsfortbildung
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Walter-Rosenheimer, zunächst einmal sage ich Danke schön für das Lob und die Anerkennung. In der Tat ist es relevant – und es wird immer relevanter –, darüber nachzudenken, wie man lebenslanges Lernen und Fortbildung unterstützt und entsprechend in die Gesetzgebung einordnet. Aber Ihr Vorschlag, das Meister-BAföG aufzublähen und zu einem allgemeinen lebenslangen Fortbildungsinstrument zu machen, wäre nach meiner festen Überzeugung der völlig falsche Weg. Das wäre verheerend. Am Schluss würde das Meister-BAföG vollkommen unter die Räder kommen und untergehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn?)
– Weil es genau so ist, wie die Ministerin gesagt hat: Es bedarf einer passgenauen Lösung. Aus dem gleichen Grund können wir das Studierenden-BAföG und das Meister-BAföG nicht zusammenlegen. Das BAföG muss an die unterschiedlichen Gegebenheiten präzise angepasst werden. Das gilt übrigens auch für Ihren Vorschlag, die Flüchtlingsfrage einzubeziehen. Auch für die Flüchtlinge benötigen wir spezifische, passgenaue Programme.
(Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber kann man ja nachdenken!)
Das Meister-BAföG derart massiv zu verhunzen und aufzublähen, wäre ein absolut falscher Weg. Ihr Vorschlag zeigt im Übrigen, dass die Grünen eine Partei von Akademikern ist, die von beruflicher Bildung herzlich wenig Ahnung haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht! Bleiben Sie doch fair! Fair bleiben! Wir waren auch fair! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach zu Protokoll geben, die Rede!)
Herr Heil, Sie haben gesagt, dass das Parlament in der Regierungszeit von Willy Brandt das Studierenden-BAföG beschlossen hat. Ich sage: In der Regierungszeit des Kanzlers Helmut Kohl haben wir das Meister-BAföG beschlossen. Wir feiern in diesem Jahr den 20. Geburtstag des Meister-BAföGs. Das freut uns umso mehr, weil es ein Kind von CSU und CDU ist. Man könnte fragen: Wieso hatten Willy Brandt und die Sozialdemokraten die berufliche Bildung damals nicht mit im Blick? Warum hat man damals nicht auch das Meister-BAföG beschlossen?
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was würden die Menschen bloß ohne euch machen?)
In jedem Fall ist es so, dass CSU und CDU immer ein starkes Augenmerk auf die berufliche Bildung hatten. Ich bin heilfroh – das können wir jetzt feiern –, dass wir mit dem Meister-BAföG so viel hinbekommen haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
– Ja, ich denke, da kann man ruhig klatschen. – Wir haben 1,7 Millionen Aufstiegsfortbildungen ermöglicht; das Fördervolumen betrug 6,9 Milliarden Euro. Ich sage es noch einmal: Ohne den damaligen Beschluss der Union gäbe es heute Hunderte, ja Tausende von Facharbeitern, Meistern und Technikern nicht. Es gäbe auch weniger Unternehmer in diesem Land; denn wir brauchen Meister zur Führung der Handwerksbetriebe. Deswegen war das 1996 eine weitreichende und richtige Entscheidung.
Für uns war berufliche Bildung immer das Thema. So war das auch bei den Koalitionsverhandlungen. Jeder Partner hat andere Schwerpunkte. Am Schluss einigt man sich auf etwas. In den Koalitionsverhandlungen war klar, dass die Stärkung der beruflichen Bildung für uns ein Topthema war.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch für uns!)
Deswegen haben wir ein ganzes Maßnahmenbündel formuliert. Vieles davon haben wir schon umgesetzt. Dabei verfolgen wir ein Leitbild – es ist hier schon mehrfach angeklungen –: Akademische und berufliche Bildung sind gleichwertig; das sind zwei gleichwertige Säulen.
Dieses Leitbild hat weitreichende Konsequenzen, zunächst für die persönliche Ebene. Was heißt das für den jungen Menschen? Er muss sich frei entscheiden können. Seine Entscheidung darf nicht durch Falschinformationen oder öffentliche Diskussionen darüber, ob das eine oder andere mehr wert ist, verzerrt werden. Auf der gesellschaftspolitischen Ebene – auch die Ebene muss betrachtet werden – braucht man ein vernünftiges Maß, ein angemessenes Verhältnis zwischen akademischer und beruflicher Bildung. Dieses vernünftige Maß geht aber immer mehr verloren. Das wird deutlich, wenn man sich die Prognosen anschaut. Ich nenne die Zahlen: 2000 ist ein Drittel eines Jahrgangs, einer Alterskohorte an die Hochschulen gegangen, während zwei Drittel den Weg der beruflichen Bildung gewählt haben. Die KMK prognostiziert für das Jahr 2020 – das ist in vier Jahren –, dass das Verhältnis dann genau umgekehrt sein wird. Das heißt, dass zwei Drittel eines Jahrgangs an die Hochschulen gehen wollen und ein Drittel die berufliche Bildung wählen wird, und das alles bei einer geringeren Anzahl Schulabgänger.
Wenn diese Prognosen Wirklichkeit werden, dann werden wir einen großen Fachkräftemangel haben. Dann werden wir natürlich auch in manchen akademischen Berufen einen Fachkräftemangel haben, beispielsweise bei den Ingenieuren, aber der Fachkräftemangel im beruflichen Bereich wird um den Faktor zehn größer sein. Er wird eine Dimension annehmen, in dessen Folge – davor kann man nur warnen – unsere mittelständischen Strukturen und unsere Handwerksbetriebe in Gänze zur Disposition gestellt werden. Viele Firmen werden keine Nachfolgeregelung finden können, werden Aufträge ablehnen müssen, weil es keine Mitarbeiter mehr gibt. Das kann nicht unser Weg sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Um es noch einmal klar zu sagen: Wir brauchen zwei starke Säulen. Hinsichtlich der Stärkung der akademischen Ausbildung brauchen wir uns von niemandem etwas vorwerfen zu lassen. Wir brauchen starke Hochschulen, eine starke Lehre und eine exzellente Forschung. Es gibt keine politische Kraft in Deutschland, weder historisch noch aktuell, die mehr für die Hochschulen getan hat als diese unionsgeführte Regierung seit 2005.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich nenne einmal die Begriffe – ich will das eine nicht gegen das andere ausspielen –: Hochschulpakt – 20 Milliarden Euro vonseiten des Bundes, obwohl es Länderaufgabe wäre; Exzellenzinitiative – 4,6 Milliarden Euro, wodurch wir einen Impuls in die Hochschulen hineingeben; Qualitätspakt Lehre – 2 Milliarden Euro, um hohe Qualität an den Hochschulen zu schaffen. Es gibt noch vieles andere mehr. Ich sage noch einmal: Obwohl das im Wesentlichen originär die Aufgabe der Länder wäre, machen wir das, weil wir starke Hochschulen wollen.
Das ändert aber nichts daran, dass wir eines nicht brauchen: dass viele junge Menschen aufgrund von falschen Vorstellungen, falschen Informationen und falschen Werturteilen an die Hochschulen gehen und nach Jahren dann feststellen, dass sie in der beruflichen Bildung eigentlich wesentlich besser aufgehoben wären. Wenn ein Drittel der Studierenden die Hochschulen ohne Abschlüsse wieder verlassen, ist das doch ein klares Indiz, dass die Entscheidung vorher nicht treffsicher und richtig war.
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Dass die Bedingungen nicht gestimmt haben!)
Wir brauchen es nicht, dass zwei Drittel eines Jahrgangs an die Hochschulen gehen, wenn zur selben Zeit Lehrstellen umfänglich nicht besetzt werden können, wenn wir zu befürchten haben, dass wir in wenigen Jahren Millionen Facharbeiter zu wenig haben werden. Deswegen ist es unabdingbar gewesen, nicht nur kosmetisch ein bisserl zu machen, sondern mit einem Maßnahmenpaket die berufliche Bildung wesentlich zu stärken. Dieses Maßnahmenpaket steht im Koalitionsvertrag. Vieles davon haben wir schon umgesetzt. Das Meister-BAföG, über das wir heute debattieren, ist ein gewichtiger und wesentlicher, aber nicht der einzige Baustein, den wir setzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen dreierlei: Wir brauchen die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Diese Gleichwertigkeit darf nicht nur ein Motto sein, sondern sie muss sich materiell abbilden. Deswegen haben wir das Meister-BAföG nicht nur punktuell ein bisschen angepasst, sondern wir werden es – das ist schon gesagt worden – im parlamentarischen Verfahren auf dieselbe Ebene wie die akademische Förderung stellen. Das heißt, der Zuschussanteil wird von 44 Prozent gewichtig auf 50 Prozent erhöht und ist dann gleichgestellt mit dem beim Studierenden-BAföG, der auch 50 Prozent beträgt. Ich glaube, das ist ein richtiges Signal und tolles Ergebnis.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das war Kernanliegen der Unionsfraktion.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch unseres!)
Wie ist es dazu gekommen? Wir haben mit der Ministerin das erste Paket vorbereitet, natürlich im Rahmen der haushalterischen Mittel. Es war dann die Unionsfraktion in der Führungsklausur im September unter Führung von Volker Kauder, die gesagt hat: Wir wollen die Gleichwertigkeit schon in diesem Schritt umsetzen.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oi! Oi! Oi!)
– So war es, Herr Heil. Das ist historisch richtig. Den Beschluss gab es bei uns in der Fraktionsführungsklausur, bei der SPD nicht. – Es war damals die klare Ansage, dass wir das wollen. Die Haushälter haben das mit unterstützt, und ich bin heilfroh, dass die SPD diesen Weg mitgegangen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Im Ergebnis heißt das, dass wir die Gleichwertigkeit hinbekommen und 27 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren noch einmal draufsetzen.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Ein Glück, dass wir auch den Mindestlohn haben! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Schön, dass Sie auch den Mindestlohn durchgesetzt haben! – Dagmar Ziegler [SPD]: Die Frauenquote!)
Wir stellen ein Gesamtpaket von 56 Millionen Euro vonseiten des Bundes inklusive – Kollege Heil hat es gesagt – des Länderanteils von 80 Millionen Euro zusätzlich für das Meister-BAföG pro Jahr zur Verfügung.
Geld alleine reicht aber nicht. Wir brauchen darüber hinaus richtige und realistische Einschätzungen von Fähigkeiten und Fertigkeiten bei jungen Menschen.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Auch bei Fraktionen!)
Deswegen ist es absolut wichtig, dass wir die Berufsorientierung ausbauen, übrigens auch an den Gymnasien. Es kann nicht sein, dass sie dort bisher viel zu wenig gelebt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen auch eine realistische Sicht auf Karriereperspektiven bei den jungen Menschen. Es ist einfach falsch, zu glauben, dass ein Akademiker mehr verdient. Viele gehen der OECD hier auf den Leim. Das mag im Durchschnitt stimmen, aber wenn man konkret auf die Berufsgruppen schaut, sieht man: Es ist sehr wohl der Fall, dass der Weg der beruflichen Bildung in vielen Bereichen auch aus finanzieller Sicht karriereperspektivisch sehr attraktiv ist.
Lassen Sie mich abschließend noch eine bemerkenswerte Sache ansprechen, die mich sehr freut. Das, was wir nach meiner Einschätzung am Ende des parlamentarischen Verfahrens beschließen werden, ist praktisch deckungsgleich mit dem, was die CSU-Landesgruppe in Kreuth vor einem Jahr bei ihrer Klausur beschlossen hat.
(Heiterkeit des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU] – Zurufe von der SPD)
Man sieht: Die CSU-Landesgruppe hat eine außerordentliche Weitsicht. Ich freue mich, dass sich die SPD-Kollegen dieser Weitsicht der CSU-Landesgruppe anschließen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU – Martin Rabanus [SPD]: Dass Sie aus dem Nähkästchen der Verhandlungen plaudern!)
Danke, Herr Kollege Rupprecht.
Angesichts der fünften Jahreszeit, in der wir uns befinden, begrüße ich recht herzlich auf der Tribüne das Köln-Porzer Dreigestirn. Seien Sie herzlich willkommen bei uns.
(Beifall)
Nächste Rednerin in der Debatte: Katja Dörner aus Bonn.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Berufliche Aufstiegsfortbildung |