Maria Flachsbarth - Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie angesichts der Verpflichtungen, die Herr Bundesminister im Rahmen der Internationalen Grünen Woche hat, nun doch mit mir vorliebnehmen.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel Eckpunkte für das Gesetz vorstellen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, von A wie Aachener Leberwurst bis Z wie Zwiebelwurst, dazwischen noch die Bulette, die gebrühte Touristenwurst und der Marmorkuchen – all das findet man im Deutschen Lebensmittelbuch. Nachdem hier von Verbrauchererwartungen gesprochen wurde, möchte ich sagen: Weder gebrühte noch abgebrühte Touristen befinden sich in der Wurst, auch kein Marmor in dem nach ihm benannten Kuchen. Im Deutschen Lebensmittelbuch findet man 21 Leitsätze und die Beschreibung von über 2 200 Lebensmitteln. Man kann darin nachsehen, was denn jetzt die Inhaltsstoffe sein müssen. Die Beschreibungen werden von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission erarbeitet, in der jeweils acht ehrenamtliche Mitglieder aus den beteiligten Kreisen, also Wissenschaft, Wirtschaft, Verbraucherschaft und Lebensmittelüberwachung, in sieben Fachausschüssen tätig sind.
Sie wissen – das ist heute schon mehrfach angeklungen –, dass das Deutsche Lebensmittelbuch selbst, aber auch die Struktur der Kommission Gegenstand vielfältiger kritischer Diskussionen sind. Es geht dabei vorwiegend um die mangelnde Transparenz der Entscheidungsfindung, um den Einfluss der Wirtschaft, um die Dauer der Entscheidungswege und um die Erfüllung des Anspruchs der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Klarheit und Wahrheit. Das ist hier heute schon von allen Seiten angeklungen.
Diese Punkte finden sich erfreulicherweise auch in den Anträgen aus dem Plenum wieder, die hier vorliegen. Die Bundesregierung teilt viele der Kritikpunkte ausdrücklich oder kann sie zumindest nachvollziehen. So sind wir uns hinsichtlich der Maßnahmen an vielen Stellen – um nicht zu sagen: den meisten Stellen – mit den vorliegenden Anträgen einig.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Das Bundesministerium für Ernährung hat eine wissenschaftliche Evaluation beauftragt und die Eckpunkte einer Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission und des Deutschen Lebensmittelbuchs erarbeitet, die ich Ihnen jetzt gerne vorstellen möchte. Die Rahmenbedingungen der Reform ergeben sich aus dem Anspruch auf Klarheit und Wahrheit, den Erkenntnissen der Evaluationsstudie und den Stellungnahmen der beteiligten Kreise und Experten. Wir wollen mehr Effizienz, mehr Akzeptanz und mehr Transparenz durch Straffung und Stärkung der Strukturen erreichen. Dabei hat sich die Grundstruktur der Lebensmittelbuch-Kommission durchaus bewährt.
Bundesminister Christian Schmidt hat deshalb im März 2015 entschieden, die Grundstruktur grundsätzlich beizubehalten. Deshalb bleibt es bei einer paritätisch aus den vier Kreisen, also Wissenschaft, Lebensmittelüberwachung, Verbraucherschaft und Lebensmittelwirtschaft, zusammengesetzten ehrenamtlichen Kommission mit 32 Personen. Sie wird weiter unabhängig von Weisungen beschließen und soll fachlich, inhaltlich und organisatorisch durch Personal im Bereich des BMEL unterstützt werden. Im Konsens getroffene Entscheidungen machen die Akzeptanz und die Glaubwürdigkeit der DLMBK und der verschiedenen Leitsätze aus. Darum werden wir das Konsensprinzip erhalten. Auch in Zukunft wird keiner der vier beteiligten Kreise, sofern er denn geschlossen abstimmt, überstimmt werden können. Damit wird der Anspruch erfüllt, eine möglichst breit getragene Mehrheit zu erreichen.
Lassen Sie mich kurz auf das gesetzliche Umfeld des Deutschen Lebensmittelbuches eingehen. Die Leitsätze sind ein untergesetzliches Regelwerk. Sie dienen der Auslegung des Artikels 17 der EU-Lebensmittelinformationsverordnung Nummer 1169/2011, indem sie die Verkehrsauffassung der aufgeführten Lebensmittel beschreiben, für vorverpackte wie für lose Ware. Alle Wirtschaftsbeteiligten, insbesondere aber die Verbraucherinnen und Verbraucher, werden dadurch vor Irreführung und Täuschung geschützt, der lautere Wettbewerb wird gestärkt, und alle Beteiligten bekommen eine Hilfestellung, um Rechtssicherheit zu erhalten. Diese Aufgaben und Ziele, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind unsere Richtschnur bei der Reform des Deutschen Lebensmittelbuches und der entsprechenden Kommission.
Mit einem Maßnahmenbündel aus regelmäßiger Überprüfung der Leitsätze, erleichterter Antragstellung, effizienteren Abstimmungsverfahren, der Einführung eines Schlichtungsverfahrens, einer höheren Sitzungsfrequenz und systematischer Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse werden wir die DLMBK-Arbeit deutlich effizienter gestalten, Diskussionen versachlichen und die Aktualität der Leitsätze spürbar erhöhen und damit auch den Verbraucherbelangen mehr Geltung verschaffen.
Alle 21 Leitsätze sollen künftig innerhalb der weiterhin fünfjährigen Berufungsperiode systematisch überprüft und aktualisiert werden. Grundlage dieser Überprüfungen sollen unter anderem aktuelle Erkenntnisse aus Markt- und Verbrauchererhebungen sein einschließlich des Portals Lebensmittelklarheit.de. Dessen Redaktion soll künftig die Möglichkeit haben, im Präsidium der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission über die neuesten Ergebnisse des Portals zu berichten und damit sicherzustellen, dass gerade der aktuelle Stand der Erkenntnisse auch zeitnah in die Kommissionsarbeit einfließen kann. Bei Bedarf werden darüber hinaus, wie hier aus der Runde gefordert, Verbrauchererwartungen und Verbraucherverständnis sowie Marktgegebenheiten mit Hilfe gezielter Forschung erfasst werden.
Wir beabsichtigen darüber hinaus, das Berufungsverfahren transparenter zu gestalten. Zum einen soll die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission möglichst heterogen zusammengesetzt bleiben, sodass ein möglichst breites Feld fachlicher Expertise abgedeckt wird. Zum anderen werden wir die Kriterien, die wir an die Auswahl der Mitglieder stellen, veröffentlichen und die Mitglieder, deren Zustimmung vorausgesetzt, auf der Internetseite der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission vorstellen. Das Antragsverfahren soll insofern erleichtert werden, als dass Formulierungsvorschläge nicht mehr zwingend verlangt werden. Das wird insbesondere den Verbrauchern helfen.
Der Bearbeitungsstand der Leitsätze und aktuelle Sachstandsberichte werden künftig zeitnah auf der Homepage der Deutschen Lebensmittel-Kommission veröffentlicht werden und nachvollziehbar sein. Neben dem Fachchinesisch, das bleiben wird und bleiben muss, damit die Angaben justiziabel sind, werden wir aber auch aktuelle verbrauchernahe Informationen über die Arbeit der Lebensmittelbuch-Kommission sowie Ziel und Zweck der Leitsätze in verständlichem Deutsch erläutern, damit auch die Öffentlichkeitsarbeit letztendlich professioneller und zielgruppenorientierter werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir werden darüber hinaus all diese Maßnahmen selbstverständlich auch insofern unterstützen, als dass entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dafür in dieser Runde einen ganz herzlichen Dank an den Haushaltsgesetzgeber.
Dort allerdings – das will ich auch sagen –, wo die Kapazitäten der 32 nach wie vor ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Lebensmittelbuch-Kommission erschöpft sind, werden die avisierten Reformmaßnahmen eine Grenze finden. Als solche Grenze sehen wir 15 Präsenztage pro Jahr und DLBMK-Mitglied.
Die Fachabteilung in unserem Haus wird nunmehr mit der Umsetzung des Reformkonzeptes, insbesondere der Erarbeitung einer neuen Geschäftsordnung beginnen. Parallel dazu laufen die Vorbereitungen für die Erstellung einer Liste möglicher Kandidatinnen und Kandidaten für die Berufung zum 1. Juli dieses Jahres, da die Amtszeit der amtierenden Kommission am 30. Juni endet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die verschiedenen Akteure der Lebensmittelkette – die Wirtschaft, die Überwachung, die Wissenschaft und die Verbraucherschaft – haben naturgemäß unterschiedliche Blickwinkel auf die Prozesse, die vom Acker bis zum Teller durchlaufen werden. Die ehrenamtlichen Mitglieder der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission haben sich über Jahre hinweg fachlich engagiert, fachlich versiert und konstruktiv in die Prozesse eingebracht, haben um Formulierungen gerungen und Leitsätze formuliert. Dafür möchte ich mich sehr herzlich und ausdrücklich bedanken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir tragen mit der Reform nun unseren Teil dazu bei, die Lebensmittelbuch-Kommission bestmöglich zu unterstützen und die Rahmenbedingungen neu und so zu gestalten, dass die Arbeit künftig noch effizienter, aktueller und transparenter erfolgen kann. Ziel ist es, die Kommission zu befähigen, die Überarbeitung und die Aktualisierung der Leitsätze entsprechend den Anforderungen aus der Verbraucherschaft nicht zuletzt zügig anzugehen und somit die redliche Herstellungspraxis und die berechtigten Verbrauchererwartungen in Einklang zu bringen. Damit stellen wir uns gemeinsam mit den Mitgliedern der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission der obersten Maxime im Lebensmittelverkehr, nämlich dem gesundheitlichen Verbraucherschutz und dem Schutz vor der Irreführung und Täuschung.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Oliver Krischer erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6419279 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission |