Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf, dass die Verpackung eines Lebensmittels auf den ersten Blick das deutlich macht, was das Produkt enthält. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Frau Flachsbarth, selbstverständlich enthält Marmorkuchen keinen Marmor, aber das wissen die Verbraucher auch.
(Ulli Nissen [SPD]: Nee!)
Was wir in den Supermärkten tagtäglich erleben, das habe ich gestern Abend in einem Berliner Supermarkt ausprobiert. Man kommt hinein und findet im Eingangsbereich Smoothies, so heißen diese Fruchtsaftgetränke. Auf den Verpackungen steht: Brombeere, Erdbeere, Johannisbeere. Jeder erwartet natürlich, dass dieser Saft aus diesen drei Früchten besteht. Wenn man die Lupe herausholt und hinten auf das Kleingedruckte guckt, stellt man aber fest: Diese drei Früchte machen nicht einmal 20 Prozent des Inhalts aus; der Rest ist Apfel- und Orangensaft. Die Bezeichnung „Multifrucht“ wäre vielleicht okay, das mag auch ganz lecker sein, aber das, was draufsteht, entspricht nicht dem, was drin ist. Das muss sich dringend und schnell ändern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die Beispiele sind unzählig. In jedem Supermarkt finden sich Dutzende von Fällen. Da gibt es die Olivenpaste, von der jeder erwartet, dass sie aus Oliven besteht. Wenn man genau draufschaut, stellt man aber fest, dass sie nur zu 2 Prozent aus Oliven besteht. Das ist Verbrauchertäuschung.
Das alles ist keine neue Erkenntnis. Wir diskutieren über dieses Thema schon seit Jahren. Wir diskutieren schon seit Jahren über die Lebensmittelbuch-Kommission. In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie das alles richtig adressiert. Das ist zweieinhalb Jahre her. Der Minister hat vor knapp einem Jahr ein Gutachten vorgestellt, in dem dieser Reformbedarf festgestellt wird. Er hat angekündigt:
Ich will das Buch nicht neu schreiben, aber einzelne Kapitel mit deutlicher Feder kräftig überarbeiten.
Dazu hatte er ein Jahr lang Zeit. Nichts ist passiert. Jetzt, pünktlich zur Internationalen Grünen Woche, wird hier ein Schaufensterantrag vorgelegt.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist kein Schaufensterantrag!)
Es wird angekündigt, dass das gemacht werden soll. Das wird nicht umgesetzt, sondern die Umsetzung wird nur angekündigt. Ich sage: Das ist ein Stück weit Arbeitsverweigerung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Allein die Tatsache, dass der Minister sich nicht hier ins Parlament bewegt, um zu versuchen, seine Vorstellungen deutlich zu machen, und sich möglicher Kritik zu stellen, spricht Bände. Wenn er tatsächlich auf der IGW den Stand des Ministeriums aufbaut, dann ist das ohne Zweifel die größte Leistung, die er in dieser Legislaturperiode vollbracht hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dass Sie Regierungshandeln nur simulieren und nicht tatsächlich handeln, das haben wir schon im letzten Jahr erlebt. Da haben Sie hier einen Antrag unter der Überschrift „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“ eingebracht. Was ist in dieser Zeit umgesetzt worden? Es wurden quengelfreie Kassen gefordert. Ich habe nichts mehr davon gehört, dass die verboten werden sollen. Der Anteil von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten sollte reduziert werden. Was haben Sie gemacht? Es ist nichts passiert.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wir sind keine Verbotspartei, Herr Kollege! Anders als Sie!)
Das Thema Lebensmittelverschwendung sollte angegangen werden. Nichts ist passiert. Das alles haben Sie angekündigt. Ich sage Ihnen: In einem Jahr, pünktlich zur Grünen Woche, werden wir hier wieder diskutieren. Mit der Lebensmittelbuch-Kommission ist es wieder bei der Ankündigung der Umsetzung geblieben. Daran, ob das ausreicht, kann man ganz erhebliche Zweifel haben.
Meine Damen und Herren, Minister Schmidt hat eine neue Sportart erfunden, das Ministermikado: Wer sich bewegt, verliert. Darin will er deutscher Meister werden. Das kann angesichts der Herausforderungen, die wir in der Agrar- und Ernährungspolitik haben, nicht sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Alter Hut!)
Wir brauchen nicht nur eine Reform der Lebensmittelbuch-Kommission, sondern wir brauchen insgesamt klare Kennzeichnungsregelungen vor allen Dingen beim Fleisch. Es muss erkennbar sein, wie die Tiere gehalten werden. Wir brauchen die Nährwertampel. Wir brauchen eine klare Definition, was vegane und vegetarische Lebensmittel sind. Das erwarten die Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir brauchen auch endlich eine vernünftige EU-weite Regionalkennzeichnung. Das sind Punkte, die Sie anpacken müssten, genauso wie insgesamt eine Reform der Agrarpolitik.
Es kann doch nicht so weitergehen. Am Samstag werden hier wieder Tausende Menschen dafür demonstrieren, dass wir endlich eine andere Agrarpolitik, dass wir Lebensmittel ohne Pestizide und Gifte, dass wir artgerechte Tierhaltung statt Massentierhaltung bekommen,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dass Landwirtschaft Verbraucherinteressen dient und eben nicht den Agrarkonzernen und nicht der industriellen Landwirtschaft. Das wäre die Herausforderung. Aber da muss man einfach sagen: Die Große Koalition und insbesondere der Mikadominister Schmidt sind an dieser Stelle nicht Teil der Lösung. Sie sind das Problem. Das müssen wir ändern.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Carsten Träger das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6419437 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission |