14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 6

Erich IrlstorferCDU/CSU - Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherung

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! CDU, CSU und liebe Kollegen der SPD: Ich kann mich noch an die Bundestagswahl 2013 erinnern. Im Anschluss an die Wahl haben wir in den Koalitionsverhandlungen gemeinsam den Rahmen für die Gesundheitspolitik der Koalition für diese Wahlperiode beschlossen.

Der Koalitionsvertrag umfasst Vereinbarungen zur Sicherstellung und Verbesserung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik. Diese Vereinbarungen haben wir in erster Linie im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz konkretisiert. Infolgedessen werden zum Beispiel in zehn Tagen die Terminservicestellen ihre Arbeit aufnehmen.

Mit dem Krankenhausstrukturgesetz haben wir wiederum die Ziele des Koalitionsvertrages in Bezug auf die Weiterentwicklung der stationären Versorgung in ein Gesetz gegossen. Im Zentrum der Reformen steht die Sicherstellung und Steigerung der Qualität in den Kliniken – all diese Dinge, die uns sehr wichtig sind. Ebenso gab es Reformen in der Pflege. Ich möchte schon daran erinnern, dass all diese Dinge keine Schnellschüsse waren, sondern wir das sauber und ordentlich miteinander vorbereitet haben. Mit den Reformen setzen wir eines der für mich wichtigsten und vielleicht auch komplexesten Vorhaben dieser Großen Koalition um, und das gilt auch für das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-­Weiterentwicklungsgesetz, das die unmögliche Abkürzung ­GKV-FQWG trägt und ein wahrer Zungenbrecher ist. All das basiert auf Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, und darauf setzen wir auch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Allen genannten Gesetzen ist gemeinsam, dass sie das Ergebnis bewusster Entscheidungen sind. Ich möchte einmal grundsätzlich erläutern, weshalb die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung in der heutigen Form aus meiner Sicht richtig ist. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes und von Eurostat zu den Lohnnebenkosten in der Privatwirtschaft zeigen für 2014 folgendes Bild: Auf 100 Euro Bruttoverdienst entfielen in Deutschland zusätzlich 28 Euro Lohnnebenkosten. Im EU-Durchschnitt waren es 31 Euro. Im Durchschnitt der Länder der Euro-Zone waren es 35 Euro. Deutschland liegt also unter dem Durchschnitt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich sage in aller Deutlichkeit: Das ist auch gut und notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben den Lohnnebenkosten spielt natürlich eine Vielzahl anderer Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes eine Rolle. Beispielsweise betragen die Lohnnebenkosten in Schweden 46 Prozent, in Dänemark nur 15 Prozent, doch beides sind durchaus wirtschaftlich starke Länder. Ich gestehe: Ich bin der Auffassung, dass wir uns nicht an den Lohnnebenkosten Frankreichs in Höhe von 47 Prozent oder Italiens in Höhe von 39 Prozent ein Beispiel nehmen sollten. Ich möchte hier keine wirtschaftliche Diskussion führen. Es scheint mir jedoch offenkundig, dass eine Begrenzung der Lohnnebenkosten durchaus sinnvoll und notwendig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, Sie können mit Sicherheit vieles kritisieren und aus Ihrem Blickwinkel sehen; aber ich glaube, Sie können der Großen Koalition hier nicht vorwerfen, dass unsere Wirtschaftsdaten nicht in Ordnung wären, dass sie nicht gut wären.

Ich möchte auch sagen: Ein weiteres Indiz für die Relevanz der Lohnnebenkosten ist die Tatsache, dass die Parität in der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung – das wurde schon erwähnt – unter Rot-Grün aufgegeben wurde, als Deutschland noch als kranker Mann Europas tituliert wurde. Soweit es in einer solchen Situation möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, sollte man die Arbeitgeber von Belastungen durch hohe Lohnnebenkosten etwas verschonen.

Man kann sich jetzt fragen, ob eine paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung aus einem anderen Grund geboten wäre – Sie tun das –, etwa weil die Parität in allen anderen Bereichen der Sozialversicherung besteht, nur in der Krankenversicherung nicht, also aus ordnungspolitischen Gründen, oder weil die Parität ein Wert an sich ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob die Parität ein Wert an sich ist. Im Allgemeinen bin ich aber der Auffassung, dass eine allzu unausgewogene Verteilung der Finanzierung von Sozialversicherungssystemen weder wirtschaftspolitisch noch gesellschaftspolitisch richtig wäre.

Allerdings befinden wir uns in Deutschland heute nicht in der Lage, dass die Sozialversicherung unausgewogen finanziert wäre. Ich finde im Gegenteil, dass sie ziemlich ausgewogen finanziert ist, auch unter Berücksichtigung der aktuellen Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Bemerkung oder Frage von Frau Klein-Schmeink?

Gerne. – Bitte.

Herr Irlstorfer, Sie haben in Ihren Ausführungen deutlich gemacht, dass es ordnungspolitisch unter Umständen ein Argument für die Parität geben könnte. Das führen wir auch an. Ich habe hier eine Aufstellung über die Kosten einer Handwerkerstunde, die die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern für 2013 erarbeitet hat. 48,51 Euro kostet allgemein die Handwerkerstunde, davon entfallen 13,50 Euro auf den Bruttolohn. Das heißt, wenn wir eine Anpassung vornehmen und den Beitrag wieder paritätisch gestalten würden, würde das einem Plus von 6 Cent entsprechen. Das ist sehr wenig.

Schauen Sie sich die Aufteilung insgesamt an. 4,98 Euro fallen für die gesetzlichen Sozialaufwendungen an. Für tarifliche Sozialaufwendungen sind 5,94 Euro vorgesehen. Wir haben betriebliche Gemeinkosten von 14,45 Euro. Ein Teil entfällt auf die Mehrwertsteuer. Das heißt, der Anteil an der gesetzlichen Krankenversicherung ist erstens niedrig und zweitens überhaupt kein Argument dafür, von der paritätischen Finanzierung abzuweichen. Im Gegenteil: Ordnungspolitisch macht es großen Sinn; denn wir wissen doch, dass die Arbeitgeber dann mit dazu beitragen würden, die Entwicklung im Gesundheitswesen kostengünstig zu gestalten.

Wir werden aufgrund unserer älter werdenden Gesellschaft sowieso hohe Kostensteigerungen haben. Daher meine Frage: Ist es nicht wichtig, dass wir beide, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, im Boot haben, und zwar paritätisch?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, diese Aufstellung entspricht mit Sicherheit der Wahrheit. Aber ich glaube, das wäre ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt. Deshalb ist es richtig, dass wir so handeln, wie wir es vorhaben. Das ist eine politische Entscheidung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Übrigen sind die Beitragsanpassungen nicht unerklärlich oder in irgendeiner Form beliebig getroffen worden, sondern sie ergeben sich aufgrund der Verbesserungen in der Gesundheitsvorsorge, des medizinischen Fortschritts und auch der demografischen Entwicklung, die sich im solidarischen System der GKVen widerspiegelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie fordern, genauso wie der Kollege Lauterbach, nahezu in jedem zweiten Antrag, den wir im Gesundheitsausschuss beraten und im Plenum besprechen, die Einführung der Bürgerversicherung. Wie das konkret und sinnvoll aussehen soll, das habe ich von Ihrer Seite bis heute leider noch nicht erfahren. Ich kann nur sagen: Aus dem vorliegenden Antrag geht das ebenfalls nicht hervor.

Außerdem wird im vorliegenden Antrag der Linken die Abschaffung der Zusatzbeiträge gefordert. Diese Zusatzbeiträge haben allerdings einen bestimmten Sinn und Zweck. Wir als CDU/CSU wollen einen Versorgungswettbewerb zwischen den Kassen. Ebenso wollen wir die Krankenkassen zur Wirtschaftlichkeit anhalten. Dafür nutzen wir eine ganze Reihe von Instrumenten. Der Zusatzbeitrag ist eines davon. Die Abschaffung des Zusatzbeitrags würde daher erfordern, eine Alternative anzubieten. Sie verweisen auf Ungenauigkeiten im Morbi-RSA, doch dies ist in meinen Augen eine andere Baustelle. Morbi-RSA und Zusatzbeitrag stehen zwar in einem Zusammenhang, sie sind aber nicht austauschbar, auch nicht, wenn man am Morbi-RSA Änderungen vorgenommen hätte.

Abschließend noch ein letzter Gedanke. Wenn die Parität als Prinzip beschworen wird und die Unausgewogenheit der Sozialversicherungsbeiträge thematisiert wird, dann bitte ich, die Situation insgesamt zu betrachten. Es ist doch so, dass eine paritätische Finanzierung der Sozialversicherungssysteme nicht unbedingt von Vorteil für alle Arbeitnehmer wäre. Beispielsweise werden die Beiträge zur Unfallversicherung allein von der Arbeitgeberseite getragen. Auch im Fall von Krankheit wird die Entgeltfortzahlung allein vom Arbeitgeber getragen, bevor die Krankenkasse nach sechs Wochen einspringt und Krankengeld zahlt. Es gibt auch noch andere Beispiele.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denken Sie an Ihre Redezeit, bitte?

Selbstverständlich achte ich auf die Zeit. – Ich komme zum Schluss. Ab einem gewissen Grad des Ungleichgewichts der Anteile der Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellt sich gewiss die Frage nach einer Korrektur. Ich möchte aber sagen, dass das heute nicht der Fall ist. Es ist daher nicht der richtige Zeitpunkt.

An die Kollegen der SPD gerichtet möchte ich sagen: Wir haben den Arbeitgeberanteil im Koalitionsvertrag aus guten Gründen so festgeschrieben. Daran halten wir uns auch. Es wäre schön, wenn Sie uns hier unterstützen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner: Harald Weinberg für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6419641
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherung
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