14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Zusatzpunkt 3

Dagmar WöhrlCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur fortgesetzten Militärkooperation mit Saudi-Arabien und der Türkei

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir an Saudi-Arabien und die Türkei denken, denken wir auch an unsere sicherheitspolitische Strategie sowie an jahrelange Kooperationen in diesem Bereich. Die Türkei ist – das wissen wir – unser NATO-Partner. Daher haben wir auch als Mitglied der NATO ein natürliches Interesse an der Stabilität der Süd-Ost-Flanke des Bündnisses. Wir haben auch immer unseren Beitrag zur Sicherheit geleistet. Das geschah auch durch die Stationierung des Patriot-Raketenabwehrsystems im Rahmen der Mission Active Fence zum Schutz vor syrischen Luftangriffen.

Zurzeit stellt uns die Türkei in unserer Funktion als Mitglied der Anti-IS-Koalition den Luftwaffenstützpunkt Incirlik zur Verfügung, von wo aus seit letzter Woche unsere Aufklärungstornados Richtung Syrien fliegen.

Leider gibt es aber auch die andere Seite. Das immer aggressivere Verhalten der türkischen Sicherheitskräfte gegen die Kurden im Südosten der Türkei, also im ­NATO-Raum, führt zu Instabilität. So legitim das Sicherheitsinteresse der Türkei in Bezug auf die Aktionen der PKK auch sein mag, so hat es doch den Anschein, dass bei Erdogan die Bekämpfung des IS nicht im Vordergrund steht, sondern dass dies als Rechtfertigung dafür benutzt wird, um seine eigenen politischen Ziele durchzusetzen, ein weiteres autonomes Kurdengebiet wie im Norden Iraks zu verhindern.

Wir müssen uns schon fragen: Warum ist es nicht möglich, die syrische Grenze zu schließen, um den Nachschub an Kämpfern und auch den Nachschub an Ausrüstung nach Syrien hundertprozentig zu unterbinden?

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!)

Die Türkei hat sich als Transitland und in der Vergangenheit leider auch als Rückzugsgebiet für Dschihadisten zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt natürlich auch, dass inzwischen über 1 000 Schläfer allein in der Türkei zu finden sind. Daher müssen wir auch als NATO-Bündnispartner Gespräche mit der Türkei führen und sie auffordern, Eskalationen im Kurdengebiet, Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung zu unterlassen und die Verhandlungen mit der PKK wieder aufzunehmen.

Kommen wir zu Saudi-Arabien. Man muss sehen, dass dieses Land in der Vergangenheit ein unverzichtbarer Partner zur Beilegung von Konflikten in dieser Region war. Wir alle wissen, dass eine Beendigung des Syrien-Konflikts, der jetzt schon über fünf Jahre andauert, bei dem über 280 000 Tote zu beklagen sind und der zu Millionen von Flüchtlingen geführt hat, im Interesse Deutschlands ist. Wir wissen auch: Um eine Beendigung dieses Bürgerkrieges zu erreichen, brauchen wir die Kooperation mit Iran und mit Saudi-Arabien. Ich habe auch Iran angesprochen, ein Land, das dem Regime Assad Geld, Waffen und Truppen zur Verfügung stellt und somit dazu beiträgt, dass dieser brutale Krieg verlängert wird. Nichtsdestoweniger sind diese beiden Partner unverzichtbar, wenn wir auf ein Ende dieses Bürgerkriegs hinarbeiten.

Saudi-Arabien hat sich von Anfang an darum bemüht, den Konflikt beizulegen. Es ist Mitinitiator der Allianz gegen den IS. Das Land bekämpft den IS mit militärischen Luftschlägen und unterstützt die moderaten Oppositionsparteien durch Ausbildung auch im eigenen Land. Eines dürfen wir nicht vergessen: Wir pflegen bezüglich der Terrorbekämpfung eine enge Kooperation mit den Geheimdiensten Saudi-Arabiens.

Ein anderer Punkt, der in diesem Zusammenhang zunehmend in Vergessenheit gerät: Hinter Saudi-Arabien steht ein großer Teil der muslimischen Welt. Wenn der IS im Rahmen seiner Propaganda erklärt, das Vorgehen des Westens sei ein Kreuzzug gegen den Islam, dann wird durch die Kooperation mit Saudi-Arabien der Beweis geführt, dass dieser Behauptung die Grundlage fehlt.

Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass in Saudi-Arabien Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Ich glaube, jeder hier im Hause verurteilt das aufs Schärfste. Aber wir wissen auch, dass die Eskalation zwischen Saudi-Arabien und Iran zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt hätte kommen können. Hier zeigt sich uns eine hochexplosive Gemengelage. Die Gefahr nimmt zu, dass es zu einer Intensivierung der zwei Stellvertreterkriege im Jemen und in Syrien kommen könnte.

Wir stehen vor schwierigen Zeiten. In Iran stehen Wahlen vor der Tür. Bei diesen Wahlen wird auch der Wächterrat für eine Zeit von acht Jahren neu gewählt. Das heißt: Hier könnten die Hardliner kurz vor den Wahlen die Oberhand gewinnen, was nicht in unserem Interesse sein kann. Wenn wir heute sehen, wie schwierig und langwierig der Weg zur Wiener Konferenz war, wie schwierig es war, auch Iran und Syrien mit an den Verhandlungstisch zu bekommen, dann müssen wir darauf achten, dass dieser Weg in der Zukunft nicht versperrt wird.

Jetzt kommen die Genfer Verhandlungen. Zum ersten Mal werden hoffentlich auch Vertreter der syrischen Regierung und die moderaten syrischen Oppositionellen mit dabei sein. Da dürfen natürlich auch Iran und Saudi-Arabien nicht fehlen. Ich glaube, das Schlimmste wäre, wenn das Erreichte zunichtegemacht würde.

Frau Kollegin, denken Sie an die vereinbarte Redezeit!

Denn das wäre der größte Sieg, den der IS sich wünschen könnte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD] – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wir stimmen so weit zu!)

Abschließender Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Dr. Johann Wadephul für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6420008
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur fortgesetzten Militärkooperation mit Saudi-Arabien und der Türkei
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