Andrea LindholzCDU/CSU - Asylverfahrensgesetz - Widerrufsprüfung -
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Asyl und Flüchtlingsschutz sind grundsätzlich befristete Aufenthaltstitel, die dem Schutz von Leib und Leben dienen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist daher gemäß § 73 unseres Asylgesetzes verpflichtet, innerhalb von drei Jahren zu prüfen, ob die Schutzgründe weiterbestehen und ob der Betroffene auch wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Das Ergebnis dieser Widerrufsprüfung teilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dann auch den Ausländerbehörden mit, die über den weiteren Aufenthalt entscheiden.
Der Antrag der Grünen zielt darauf ab, diese Widerrufsprüfung nunmehr abzuschaffen. Damit fordern Sie letztendlich ein von Anfang an unbefristetes Bleiberecht für jeden anerkannten Flüchtling,
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: So muss es auch sein!)
für jeden Asylberechtigten und auch für jeden subsidiär Geschützten.
Diese Forderung ist gerade in der jetzigen Situation mehr als absurd. Im letzten Jahr haben wir 1 Million Flüchtlinge bei uns registriert, versorgt und untergebracht. Die Bundesrepublik nimmt mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge der EU auf, und trotz des Winters kommen nach wie vor tagtäglich im Durchschnitt über 3 000 neue Migranten nach Deutschland. In dieser Lage wollen Sie noch mehr Anreize für Migration nach Deutschland schaffen, indem Sie einen von Anfang an unbefristeten Aufenthaltstitel versprechen. Das ist aus meiner Sicht in keiner Weise mehr nachvollziehbar.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ja, Frau Kollegin Amtsberg, die Widerrufsprüfung ist aufwendig, und genau deswegen haben wir im letzten Jahr im Zuge der Reform des Bleiberechtes den bürokratischen Aufwand reduziert. Hierauf gehen Sie in keiner Weise, weder in Ihrem Antrag noch in Ihrer Rede, ein. Seit August 2015 muss das Bundesamt der Ausländerbehörde nur noch über diejenigen Widerrufsprüfungen Auskunft geben, die für eine Aufhebung des Schutzes plädieren. Da das Bundesamt bisher in 95 Prozent der Fälle den Schutzanspruch nicht widerrufen hat, entfallen bei vielen Prüfverfahren die aufwendigen Prüfakten und auch die Korrespondenz mit der zuständigen Ausländerbehörde. Wir haben also für eine bürokratische Entlastung gesorgt. Laut einer Pressemitteilung des Bundesamtes vom 13. August letzten Jahres hat sich der Arbeitsaufwand deutlich verringert. Zudem haben wir über 4 000 neue Stellen für mehr Leistungsfähigkeit im Bundesamt geschaffen. Insofern, glaube ich, ist es ein nach wie vor richtiges und notwendiges Verfahren.
Es steht im Übrigen in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und ist auch in Artikel 44 der Asylverfahrensrichtlinie explizit verankert. Wenn wir eine europäische Flüchtlingspolitik wollen, dann muss Europa sein Asylrecht im Einklang mit dem Asylrecht seiner europäischen Nachbarn halten und darf keine weiteren einseitigen Anreize schaffen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Deutschland ist das einzige EU-Land, das solche Prüfverfahren macht!)
– Vielleicht hören Sie einfach einmal eine Weile zu; dann würde sich Ihr Einwurf erübrigen.
Österreich hat erst im letzten Jahr die Widerrufsprüfung im Asylrecht gestärkt. Künftig sollen die österreichischen Behörden nach drei Jahren systematisch prüfen, ob Schutzgründe im Einzelfall fortbestehen. Nur dann, wenn das der Fall ist, wird der Aufenthaltsstatus verlängert. Wien betont ganz bewusst, dass es nur ein Asyl auf Zeit, also einen befristeten Schutz, gewährt.
Selbst im liberalen Schweden, liebe Frau Kollegin, beginnt man, bei der Befristung umzudenken und sich von dem bisher großzügigen Aufenthaltsrecht zu verabschieden. Die Überforderung durch die aktuell große Zuwanderung sorgt gerade auch in Schweden für eine Kehrtwende in der Asylpolitik. Im November 2015 wurde verkündet, dass erwachsene Asylbewerber künftig nur noch befristete Aufenthaltstitel erhalten sollen, und in der Süddeutschen Zeitung war in der letzten Woche zu lesen, dass in Schweden immer mehr Stimmen einen befristeten Aufenthaltstitel auch für anerkannte Flüchtlinge fordern. Erst nach einer Probezeit von drei Jahren und nach einer entsprechenden Prüfung soll es unbefristete Aufenthaltstitel geben. Selbst Schweden nähert sich also dem deutschen Recht an und nicht umgekehrt. Diese beiden Beispiele zeigen doch, dass der Trend in Europa gerade zu einer konsequenteren Widerrufsprüfung geht. Wir können bei den aktuellen Flüchtlingsströmen doch nicht noch weitere Anreize für den Zustrom setzen. Genau das fordern Sie aber mit Ihrem Gesetzentwurf. Ich halte das in der jetzigen Situation für verantwortungslos.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich glaube im Übrigen, dass es auch kontraproduktiv ist, wenn wir uns mit den anderen europäischen Ländern über eine weitere europaweite Verteilung der Flüchtlinge einigen, weil wir uns auch jetzt schon immer wieder dem Vorwurf aussetzen müssen, dass wir keine gemeinsamen europäischen Regelungen finden und dass wir in Deutschland einfach zu viele Zuzugsanreize setzen.
Die Widerrufsprüfung ist wichtig, auch im Hinblick auf die Übergriffe in Köln und in anderen Städten. Es muss nämlich ganz klar sein: Wer bei uns einen Flüchtlingsstatus erhält, erhält damit keinen Freifahrtschein. Es muss klar sein: Jeder Fall wird angeschaut, wird überprüft – wenn die Gründe weggefallen sind, wird die Berechtigung widerrufen –, und das nicht irgendwann, wenn ein Mitarbeiter zufälligerweise feststellen sollte, dass sich die Voraussetzungen geändert haben,
(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Nur wenn das Amt hinreichend ausgestattet ist!)
sondern durch eine systematische Prüfung, die ich nach wie vor für richtig und auch für ein wichtiges Signal halte. Es ist in manchen Fällen gut, wenn man manche Bürokratie lässt, um Fehlanreize zu vermeiden.
Wir müssen, um die Flüchtlingskrise zu meistern, die unkontrollierte und starke Zuwanderung schnell und spürbar begrenzen. Ich würde mir von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, hierzu einmal konstruktive Vorschläge wünschen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist konstruktiv, was wir vorschlagen!)
Ich habe bisher keinen einzigen konstruktiven Vorschlag vernommen. Dieser Gesetzentwurf samt der heutigen Debatte ist im Grunde genommen absolut überflüssig, kontraproduktiv und führt in keinster Weise dazu, dass die Probleme in unserem Lande gelöst werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du kannst mal die Frage beantworten, Ulla, ob Syrien in drei Jahren für Frauen und Kinder wieder sicher ist!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6420525 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Asylverfahrensgesetz - Widerrufsprüfung - |