14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 9

Barbara WoltmannCDU/CSU - Asylverfahrensgesetz - Widerrufsprüfung -

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Den eingebrachten Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, lehnen wir von der CDU/CSU-Fraktion ab. Das haben Sie schon den Worten meiner Kollegin Andrea Lindholz sehr deutlich entnehmen können.

Zur Erinnerung: Die Regelung ist unter der rot-grünen Bundesregierung im Zuge des Zuwanderungsgesetzes, das zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, beschlossen worden. Das Gesetz wurde in Übereinstimmung mit EU- und Völkerrecht eingeführt, wie es auch in den meisten Ländern der Europäischen Union der Fall ist.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zehn Jahre später sind wir schlauer!)

Um was geht es? Nach Erteilung eines positiven Asylbescheides ist das BAMF nach § 73 Absatz 2 a Satz 1 Asylgesetz dazu verpflichtet, spätestens nach Ablauf oder innerhalb von drei Jahren zu überprüfen, ob die anerkannten Asylvoraussetzungen weiterhin vorliegen und deshalb Schutz in Deutschland gewährt werden muss oder ob sich die Verhältnisse im Heimatland der Betroffenen inzwischen geändert haben und dadurch die Schutzgründe weggefallen sind. Dann teilt das BAMF den zuständigen Ausländerbehörden das Ergebnis mit.

Das alles hat seinen Grund: Sowohl Asyl als auch Flüchtlings- oder subsidiärer Schutz sind vorübergehende Schutztitel. Auch Duldungsgründe bestehen nicht zwingend dauerhaft. Eine Überprüfung und gegebenenfalls Aufhebung des gewährten Status halte ich daher für angemessen und absolut notwendig. Dies ist auch wichtig, lieber Kollege Castellucci, um einer Verfestigung des Aufenthaltes vorzubeugen, wenn die Schutzgründe entfallen sind, das heißt die Menschen in ihren Heimatländern nicht mehr verfolgt werden. Die Anerkennung als Flüchtling oder als Asylberechtigter soll eben nicht automatisch zu einem dauerhaften Aufenthalt führen. Es handelt sich um einen Schutz auf Zeit in einer lebensbedrohenden Notsituation für den Betroffenen. Dies ist auch der Unterschied zu einer Einwanderung, um die es hier ja gerade nicht geht. Das ist nämlich ein ganz anderes Rechtsinstitut. Es geht nicht um ein dauerhaftes Bleiberecht.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch ein neues Einwanderungsgesetz!)

Schauen wir uns beispielsweise die Zahlen aus dem Jahr 2009 an. Damals sind bei rund 15 000 Widerrufsprüfverfahren circa 4 800 Asylbescheide, also knapp ein Drittel, widerrufen worden. Es ist zwar richtig, dass die Widerrufsquote momentan mit rund 2,7 Prozent sehr gering ist und dass ein Großteil der Flüchtlinge für längere Zeit in Deutschland bleibt. Das ist aber hauptsächlich der seit fünf Jahren andauernden Kriegssituation in Syrien und im Nordirak geschuldet. Solange dieser Kriegszustand anhält, ist die Prüfung für Menschen aus diesen Ländern relativ schnell abzuhandeln.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder ganz abzuschaffen!)

Eine geringe Widerrufsquote ist kein Grund, auf die jetzige Regelung zu verzichten. Es tut mir leid, Frau Amtsberg.

Wir haben aber im letzten Jahr auf die neue Situation reagiert und mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, das zum 1. August 2015 in Kraft getreten ist, eine Entlastung des BAMF herbeigeführt und das Verfahren vereinfacht. Es ist auch in unserem Interesse, dass Verfahren vereinfacht werden, und das haben wir mit diesem Gesetz im letzten Jahr getan. Denn jetzt, nach der Neuregelung in § 26 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz, kann die Ausländerbehörde anerkannten Flüchtlingen nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis erteilen, wenn – das ist jetzt wichtig – das BAMF nicht im Ausnahmefall mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme des Schutzstatus vorliegen. Das heißt, da entfällt der Austausch bzw. die Korrespondenz mit den Ausländerämtern. Damit ist es einfacher geworden. So entfällt in einer Vielzahl von Verfahren die bisher erforderliche aufwendige Anlage und Führung spezieller Widerrufsprüfakten und – wie bereits gesagt – die damit einhergehende Korrespondenz mit den Ausländerbehörden. Der Aufwand für Einzelfallprüfungen, die das BAMF durchführen muss, verringert sich dadurch erheblich, da die Prüfung jetzt viel pauschaler durchgeführt werden kann.

Die Voraussetzungen für die Bewältigung der hohen Fallzahlen – seien es nun Asylanträge, Folgeanträge, was auch immer – haben wir mit der Aufstockung des Personals geschaffen. In diesem Jahr sollen rund 4 000 neue Stellen besetzt werden, und auch in den letzten zwei Jahren haben wir mehr Stellen im BAMF geschaffen. Unser Ziel ist eine dreimonatige Verfahrensbearbeitung. Bei Asylbewerbern zum Beispiel aus sicheren Herkunftsländern soll die Bearbeitungsdauer auf drei Wochen verkürzt werden. Insofern ist auch die Planung von Registrierzentren, die jeder Flüchtling durchlaufen muss, richtig.

Das Datenaustauschverbesserungsgesetz, das wir heute noch beraten werden, wird die Verfahrensabläufe und die Zusammenarbeit aller Stellen deutlich verbessern und auch zu einem effektiveren Verfahrensablauf führen. Der Ankunftsausweis wird die Identifizierung und die Registrierung erleichtern. Seit Anfang Januar werden die Flüchtlinge, die von Bayern aus verteilt werden, dort auch registriert. Das heißt, wir kommen schon jetzt zu geordneteren Verfahren als im letzten Jahr.

Das zweite Asylpaket, mit dem wir unter anderem beschleunigte Asylverfahren für Anträge mit sehr geringen Erfolgsaussichten einführen wollen und mit dem wir auch den Familiennachzug, zumindest für subsidiär Schutzberechtigte, begrenzen wollen, steht kurz vor der Einigung und wird ebenfalls zu spürbaren Verbesserungen bis runter in die Kommunen führen.

Die Verfahrensänderungen, Leistungskürzungen und auch Verschärfungen, die wir bisher durchgeführt haben, sind, ich will es zugeben, für manch einen bitter, aber angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, zwingend notwendig. Ich glaube nicht, dass ich die Zahlen nennen muss; sie sind bekannt. Wenn weiterhin pro Jahr etwas über 1 Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden, dann wäre das entschieden zu viel. Die bereits in 2014 und 2015 beschlossenen Gesetze, die wir auf den Weg gebracht haben, waren wichtige erste Schritte, um mit der jetzigen Situation gut fertigzuwerden. Wir brauchen geordnete, schnelle Verfahren, und wir müssen auch wissen, wer sich in unserem Land aufhält.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist richtig, dass Flüchtlinge, die an der Grenze erklären, dass sie in Deutschland keinen Asylantrag stellen wollen, bereits jetzt gemäß der Dublin-Verordnung zurückgewiesen werden. Aber eines muss klar sein: Sollten die Zahlen nicht deutlich runtergehen, werden wir über weitere Einschnitte im bisherigen System diskutieren müssen.

Auch die Frage nach der Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsländer müssen wir uns stellen. Denn das führt – das haben wir bei der Einstufung der Balkanstaaten gesehen – zu einer deutlichen Reduzierung bzw. zu einer Beschleunigung im Verfahren.

Im Dezember 2015 – das müssen wir uns einmal vor Augen führen – machten Asylbewerber aus den Balkanstaaten nur noch rund 8 Prozent aller Antragsteller aus. Im Vergleich dazu: Im Sommer waren es rund 40 Prozent, im März 2015 waren es sogar einmal 62 Prozent. Das ist viel zu viel.

Ich denke, dass wir die richtigen Weichen gestellt haben. Mit den Asylpaketen II und III werden wir weitere Weichen stellen. Aber alle – und das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal deutlich betonen – müssen ihren Teil dazu beitragen, besonders die Länder. Ich halte es für unerträglich, dass nicht konsequent abgeschoben wird und die Möglichkeiten des ersten Asylpakets noch nicht von allen Ländern voll umfänglich umgesetzt werden, zum Beispiel Sachleistung vor Geldleistung, Leistungsreduzierung bei schuldhafter Verhinderung der Abschiebung.

Alles in allem bleibt festzuhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es ist Ziel der CDU/CSU, die Flüchtlingszahlen spürbar zu verringern. Wir dürfen weder die vielen Ehrenamtlichen noch die Kommunen und schon gar nicht die Integrationsfähigkeit unseres Landes überfordern. Damit wäre niemandem geholfen, uns nicht und auch den Flüchtlingen nicht, die unseres Schutzes bedürfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch einmal zum Schluss: Asylrecht ist Schutz auf Zeit. Insofern lehnen wir den Gesetzentwurf der Grünen ab. Die Gesetzesänderung, die wir 2015 dazu durchgeführt haben, reicht völlig aus.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6420648
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Asylverfahrensgesetz - Widerrufsprüfung -
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