Marcus WeinbergCDU/CSU - Stärkung der Rechte von Prostituierten
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Schauws, fangen wir einmal an: Sie haben beim Thema Prostitution eine Geschichte.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Sie haben nicht weitergemacht!)
Sie haben 2002 ein Prostitutionsgesetz verabschiedet, das in den letzten 14 Jahren elendig gescheitert ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dass Sie uns hier vorschreiben wollen, wie wir auf den aktuellen Stand reagieren sollen, finde ich schon ziemlich frech.
Ich zitiere einfach einmal einen Reporter von VICE Project, der vor wenigen Tagen in der Story im Ersten zum Thema „Ware Mädchen“, die Sie sicherlich gesehen haben, die Situation aktuell in Deutschland beleuchtet hat. Er hat Folgendes gesagt: Als Deutschland und die Schweiz die Prostitution legalisiert haben, war das eine gute Nachricht für die Menschenhändler. – Das ist das Ergebnis, das wir heute, 14 Jahre später, erleben. Wir haben Ausbeutung, teilweise Sklaverei; wir haben eine völlige Fremdbestimmung von weiten Teilen der Prostituierten.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge gegen den Menschenhandel? Wo sind sie denn?)
– Zu meinen Vorschlägen komme ich gleich. – Ich kann Ihnen Folgendes dazu sagen: Es sind heute mittlerweile Hunderttausende von Prostituierten, die in Deutschland gezwungen werden, zu arbeiten; davon sind 70 bis 80 Prozent aus Osteuropa, die nach Deutschland gelockt werden und die aufgrund der legalen Prostitution nach Deutschland gekommen sind. Wir haben mittlerweile eine Armutsprostitution, die billig, widerlich und übrigens auch gefährlich ist. Deswegen haben wir als Union gemeinsam mit der SPD im Koalitionsvertrag festgelegt, dass es um den Schutz von Frauen geht. Es geht auch um die Rechte der Prostituierten; aber es geht erst einmal um den Schutz der Prostituierten.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn gemacht?)
Das Thema ist uns wichtig. Deswegen werden wir das aufnehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Man muss auch einmal darüber diskutieren, über wen wir eigentlich reden. Die Verhältnisse müssten Ihnen bekannt sein. Wenn nicht, sollten Sie sich darüber informieren, in welchen Verhältnissen die jungen Mädchen leben.
Dann geht es um die Frage, was die Aufgabe eines Prostituiertenschutzgesetzes ist. Der Staat hat sich um die Schwachen der Gesellschaft zu kümmern. Wir reden hier nicht in erster Linie über die Hausfrauen, die nebenbei Geld verdienen, über die Studierenden, die sich ihr Studium damit finanzieren, oder über einen Escortservice, bei dem man Tausende Euro in einer Nacht verdient. Wir reden hier über die Frauen, die keiner sieht. Die Ministerin Schwesig hat einmal gesagt: In meinem Fokus steht die Frau, die nicht sichtbar ist. – Es ist unsere Aufgabe, die zu schützen, die keinen Schutz haben, und das werden wir mit dem Prostituiertenschutzgesetz umsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die gesamte Diskussion über die Frage des Schutzes von Frauen und die Stärkung der Rechte von Frauen ist bei uns in der Union mit klaren Zielvorgaben mit Blick auf das Prostituiertenschutzgesetz verbunden. Wenn wir ein Gesetz machen – das haben wir nach dem Scheitern Ihres Prostitutionsgesetzes gelernt –, dann muss es gewisse Zielvorgaben erfüllen. Es hilft uns kein Gesetz, das von der Branche umgangen wird. Es hilft uns kein Gesetz, das weiße Salbe ist. Vielmehr muss das Gesetz nachhaltig wirken. Deswegen brauchen wir klare, verbindliche Regelungen zum Schutz der schwachen Frauen.
Herr Kollege Weinberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schulz-Asche?
Aber gerne.
Herr Kollege Weinberg, ich möchte Sie nach Ihren Ausführungen fragen, warum die Bundesregierung die EU-Verordnung zum Kampf gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung bisher noch nicht vollständig umgesetzt hat? Diese Verordnung hat genau die prostituierten Frauen, die Sie gerade erwähnt haben und deren Leid Sie beschrieben haben, im Blick. Warum ist diese Verordnung noch nicht vollständig umgesetzt worden?
Wir werden sie gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der SPD, zügig umsetzen ebenso wie die grundsätzlichen Regelungen, die wir im Prostituiertenschutzgesetz vorsehen werden.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn? Seit zwei Jahren machen Sie was und bringen nichts auf die Kette!)
Noch einmal: Es gilt der Grundsatz, dass wir das, was wir machen, vernünftig und gut machen und keine Schnellschüsse produzieren, die am Ende nicht wirken.
Ich will zu dem entscheidenden Punkt kommen, der immer wieder angesprochen wird. Ich meine die Frage: Was muss ein Gesetz eigentlich gewährleisten? Ihre Reaktion auf die jetzige Situation ist, zu fordern, dass wir die Beratung ausbauen. Vor allen Dingen müssen wir Ihrer Meinung nach dafür sorgen, dass Stigmatisierung verhindert wird. Dagegen haben wir nichts. Auch wir wollen keine Stigmatisierung. Wir wollen aber etwas mehr als nur Beratung: Wir wollen den Schutz dieser Personen,
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir auch, nur nicht mit Zwang!)
und der ist dringend geboten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will in diesem Zusammenhang zitieren, was in der erwähnten Reportage in der ARD eine verdeckte Ermittlerin sagte: Die Mädchen müssen halt das Gefühl haben, dass sie eng betreut werden und dass wir ihre Sorgen ernst nehmen. Haben sie das Gefühl, dass man ernsthafte Hilfsangebote macht, wie zum Beispiel, dass man NGOs einbindet, die eng an den Mädchen dran sind, und das aufrechterhält, sagen sie aus. – Unser Ansatz ist: Wir wollen nicht, dass sich diese Mädchen nur einmal irgendwo vorstellen. Wir wollen sehen, wie es diesen Mädchen geht, und ihnen Angebote machen, dass sie dauerhaft, nachhaltig dahin gehend beraten werden, aus dieser Szene auszusteigen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden nicht über Menschenhandel! Wir reden über Prostitution! Sie kennen den Unterschied gar nicht, Herr Kollege!)
Deswegen werden wir bei gewissen Themen wie der Gesundheitsberatung darauf achten, die Mädchen dauerhaft zu begleiten, sie immer wieder zu beraten und zu schauen, wie wir ihnen Angebote zum Ausstieg machen können. Für uns gilt auch: Wir wollen mit der Anmeldepflicht für Prostituierte keine Stigmatisierung. Aber wenn man diesen Mädchen, die für viele nicht sichtbar sind, helfen will, dann muss man wissen, wo sie sich aufhalten und wie man ihnen Schutz gewähren kann. Deshalb muss die Anmeldepflicht im Gesetz verankert sein.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nicht verstanden, Herr Weinberg! Sie haben es immer noch nicht verstanden!)
Über diese Punkte befinden wir uns in der Koalition in intensivsten Gesprächen; aber wir meistern das. Noch einmal: Statt ein schlechtes Gesetz zu machen – wir haben Ihr Beispiel vor Augen –, machen wir lieber ein gutes Gesetz. Wir bemühen uns, in den kommenden Wochen – damit verbunden ist ein Appell in Richtung SPD – einen Gesetzentwurf vorzulegen; denn – das sagen wir als Frauenpolitiker, die hier Verantwortung haben – wir können es uns nicht erlauben, noch länger zu warten. Mit der jetzigen Situation muss endlich Schluss gemacht werden. Insofern bin ich guter Dinge, dass wir mit der SPD in den nächsten Wochen zu einer Lösung kommen – im Sinne der zu schützenden Frauen.
Ich will zum Schluss ein letztes Mal aus der Reportage in der ARD zitieren. „ Liane“ sagt dort Folgendes: Mehr Kontrolle – eine Betroffene spricht also von mehr Kontrolle –, mehr Aufmerksamkeit auf Prostitution, das würde schon helfen. – Wenn man nachts durch die Bordelle in Berlin geht, dann findet man über 100 Mädchen, die ihre Arbeit nicht machen möchten, und genau das ist das Problem, vor dem wir stehen: Mehr und mehr Menschen werden zur Prostitution gezwungen. Immer weniger machen diese Arbeit selbstbestimmt. Deswegen müssen wir als Staat, der die Schwachen zu schützen hat, das Grundelement des Schutzes stärken. Das machen wir mit einem Prostituiertenschutzgesetz. Dabei wird es darauf ankommen, den Schutz wirklich zu gewährleisten und die Rechte zu stärken.
Frau Schauws, schauen Sie sich die Situation in diesem Land an; es ist vom „Bordell Deutschland“ die Rede. Da reicht es bei allem Respekt nicht aus, die Beratungsangebote zu verbessern. Das machen wir auch. Aber darüber hinaus haben wir die wirklichen Ursachen von Prostitution zu bekämpfen, und das werden wir mit einem Gesetz machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Cornelia Möhring, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6421074 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der Rechte von Prostituierten |