14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 13

Ulrike BahrSPD - Stärkung der Rechte von Prostituierten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Prostitution – ein Thema, das auch im 21. Jahrhundert und mehr denn je von kontroversen Debatten begleitet wird, ein Thema, das, obwohl es viele Emotionen weckt und manche auch in Rage bringt, zumeist und vor allem von außen betrachtet wird, ein Thema, das nach wie vor nicht selten neben oder gar außerhalb der Gesellschaft zu laufen scheint. Dieses Außenstehen war ein Antrieb für das Prostitutionsgesetz, das 2002 unter Rot-Grün in Kraft trat. Dieses Gesetz war ein wichtiger Schritt und ein Paradigmenwechsel. Sein Ziel war es, die Prostituierten aus der Schattenwelt der Sittenwidrigkeit herauszuholen und ihnen mit der Möglichkeit regulärer Beschäftigungsverhältnisse den Weg in unser soziales Sicherungssystem zu öffnen.

Heute wissen wir, dass sich die Erwartungen, die die Mütter und Väter dieses Gesetzes damals hatten, nur zum Teil erfüllt haben. Hier besteht weiterhin großer Handlungsbedarf. Insbesondere betrifft dies die Notwendigkeit, Prostitutionsstätten besser zu regulieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darin besteht sowohl in der Regierung als auch in den Koalitionsfraktionen durchaus große Einigkeit. Der Blick auf die Anträge aus Ihren Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von Grünen und Linken, signalisiert mir ebenfalls Zustimmung für eine durchdachte Konzessionierung von Prostitutionsstätten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns in der Großen Koalition durchaus bewusst, dass hier politisches Handeln notwendig ist. Genau vor diesem Hintergrund hatten wir uns bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir das Prostitutionsgesetz von 2002 mit Blick auf eine bessere Regulierung der Prostitution überarbeiten wollen. Das ist für uns ein Arbeitsauftrag, der schon damals ganz klar in Richtung einer Prostitutionsstättenregelung zum Schutz der dort tätigen Frauen und Männer zielte. Dass wir hier zusammen mit dem Frauenministerium bessere Regelungen einführen wollen, steht völlig außer Frage.

Dazu gehört unter anderem auch eine Erlaubnispflicht für den Betrieb von Prostitutionsstätten. Diese Erlaubnispflicht, die auf der Einhaltung von Mindeststandards fußt, ist ein ganz zentrales Element des geplanten Prostituiertenschutzgesetzes. So soll und darf künftig die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte erst erfolgen, wenn hygienische, räumliche oder gesundheitliche Mindestanforderungen ausreichend erfüllt sind und wenn zudem die Zuverlässigkeit des Betreibenden oder der Betreibenden zweifelsfrei feststeht. Sofern sich anhand des vorzulegenden Betriebskonzepts Hinweise ergeben, dass beispielsweise das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung eingeschränkt werden könnte, darf eine Erlaubnis natürlich gar nicht erst erteilt werden. Es steht außer Frage, dass im Falle rechtskräftiger Verurteilungen beispielsweise wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen die körperliche Unversehrtheit die Zuverlässigkeit einer Betreiberin oder eines Betreibers nicht gegeben ist. Natürlich muss eine Betriebserlaubnis auch widerrufen werden, sollten beispielsweise im Nachgang zur Erteilung der Erlaubnis Verstöße offenkundig werden.

Darüber hinaus soll es ein Werbeverbot für ungeschützten Geschlechtsverkehr geben. Selbstverständlich wird es auch die Pflicht geben, Kondome bereitzuhalten und in den Räumen auf die verpflichtende Verwendung von Kondomen hinzuweisen.

Wie Sie sehen, gibt es durchaus Überschneidungen zwischen unserem Vorhaben und Ihren Anträgen. Gleiches gilt bei der geplanten Präzisierung des § 3 des Prostitutionsgesetzes. Wir wollen und werden ganz in Ihrem wie auch im ursprünglichen Sinne noch einmal klarstellen: Weisungen im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse, die Art oder Ausmaß der Erbringung sexueller Dienstleistungen vorschreiben, sind absolut unzulässig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang ist mir wichtig, noch einmal zu betonen, dass sich dieses Gesetzesvorhaben ganz konkret auf den Bereich der legalen Prostitution bezieht. Zweifellos helfen transparente Rahmenbedingungen und bessere Kontrollmöglichkeiten in diesem Gewerbe dabei, die Trennlinien zwischen freiwilliger, legaler Prostitution auf der einen Seite und Zwangsverhältnissen auf der anderen Seite scharf zu ziehen. Der konkrete Kampf gegen verabscheuungswürdige Verbrechen wie Zwangsprostitution und sexuelle Ausbeutung sowie Menschenhandel ganz generell muss jedoch vor allem mit anderen Mitteln, letztendlich mit den Waffen des Rechtsstaates, geführt werden.

(Beifall bei der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie aber auch machen!)

Im bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren zum Prostituiertenschutzgesetz ist es mir und meiner Fraktion wichtig, ein Prostituiertenschutzgesetz auf den Weg zu bringen, das seinem Namen gerecht wird. Der Ansatz des Bundesfrauenministeriums, hier mit einer klareren Regulierung von Prostitutionsstätten mehr Rechtssicherheit und damit einen besseren Schutz vor Ausbeutung zu schaffen, ist ein ganz zentraler Schritt, den wir vollends unterstützen – am besten natürlich im Zusammenspiel mit ausreichenden niedrigschwelligen und vertraulichen Beratungsangeboten und Anlaufstellen in den Ländern.

Als zuständige Berichterstatterin ist mir im Laufe der letzten beiden Jahre vor allem eines sehr stark aufgefallen: Wir beschäftigen uns hier mit einem politischen Handlungsfeld in einem Bereich, in dem nach wie vor mehr über als mit den zentralen Akteuren gesprochen wird. Damit meine ich vor allem die Prostituierten selbst, Fachberatungsstellen, Gesundheitsämter, Polizei und Kommunalverantwortliche. In der SPD-Bundestagsfraktion war es uns stets ein Anliegen, möglichst breitflächig Raum für Gespräche und gegenseitigen Austausch zu eröffnen; denn wie so oft ist auch hier das Schubladendenken weder angebracht noch spiegelt es die Realität wider.

(Beifall bei der SPD)

Dabei unterscheidet sich dieses Thema sehr wesentlich von anderen Bereichen, über die wir hier in der Sozial- und Gesellschaftspolitik in der Regel entscheiden. Familien- und Generationenpolitik betrifft jede und jeden von uns oft unmittelbar. Über Familienleistungen, Gleichstellung oder die bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf wird in aller Offenheit gesprochen und diskutiert. Anders beim Thema Prostitution: Nur wenige bekennen sich öffentlich dazu, Prostituierte genauso wie Freier. Nur wenige reden wirklich mit den Betroffenen statt über sie. Gesellschaftliche Stigmatisierung und Diskriminierung sind hier nach wie vor sehr deutlich zu spüren. Nur wenigen ist die große Bandbreite, die sich unter einem weiten Begriff von Prostitution wiederfindet, tatsächlich bewusst.

Dieser Vielschichtigkeit mit gesetzlichen Regelungen gerecht zu werden, ohne erneut die Stigmatisierung von Betroffenen zu fördern, ist sicherlich uns allen ein Anliegen. Klar ist, dass das Gelingen dieses Vorhabens letztlich auch von den Kapazitäten der Länder und vor allem der Kommunen vor Ort abhängt. Der Bund kann und darf hier nicht mit tauben Ohren auf Äußerungen und Hinweise aus den Kommunen reagieren. Deren Blickwinkel und deren Expertise sind ohne Zweifel unverzichtbar, damit in der Praxis schließlich das herauskommt, worauf der Titel des Gesetzes zielt: eine Regulierung des Prostitutionsgewerbes, die allem voran auch dem Schutz der in der Prostitution tätigen Personen dient.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6421126
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Stärkung der Rechte von Prostituierten
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