14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 13

Paul LehriederCDU/CSU - Stärkung der Rechte von Prostituierten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vorab ein Wort zum letzten Satz meiner Vorrednerin: Das Gesetz dient nicht „auch“, sondern „vorrangig“ dem Schutz der Prostituierten. Ich glaube, das ist unser gemeinsames Ziel. Das stand vielleicht falsch in Ihrem Manuskript. Ich wollte das nur richtigstellen, damit es nicht falsch im Protokoll auftaucht.

(Sönke Rix [SPD]: Herr Lehrer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Schauws, Frau Schauws, Sie haben hier ausgeführt, das Gesetz wäre ein Bürokratiemonster.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Sie sollten eigentlich aus der Vergangenheit gelernt haben. Uns in der Großen Koalition ist ein gutes Gesetz, das ein paar Wochen mehr Zeit braucht, wichtiger als ein Gesetz, das als Schnellschuss aus der Hüfte kommt. Das Gesetz, das Sie 2002 mit unserem heutigen Koalitionspartner gemacht haben, erfüllt längst nicht den Zweck, für den es gedacht war. Da gilt der Spruch – da gibt es eine Frage, Frau Präsidentin –: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin Schulz-Asche, ich habe den Äußerungen des Kollegen Lehrieder entnommen, dass er Ihnen gerne Zeit für eine Zwischenfrage gibt, obwohl es nicht seine Aufgabe war, das zu entscheiden. Das ist eine Ausnahme.

Ich habe nur meine Bereitschaft erklärt.

Er hat im vorauseilenden Gehorsam die Bereitschaft gezeigt. – Bitte schön.

Vielen Dank. Ich finde es ja immer schön, wenn man entscheidungsfreudige Politiker vor sich hat. – Herr Lehrieder, Sie haben gerade gesagt, man müsse aus der Vergangenheit lernen. Es gibt seit 2011 eine EU-Richtlinie gegen Menschenhandel und gegen Ausbeutung. Bereits Anfang des Jahres 2013 hätte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung die Richtlinie in deutsches Recht umsetzen müssen. Das ist nicht erfolgt. Es gab dann kurz vor Ende der Legislaturperiode tatsächlich einen entsprechenden Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb; aber selbst die Sachverständigen von CDU und FDP haben in der Anhörung gesagt, dass die Richtlinie damit nicht ausreichend umgesetzt wird. Letztendlich ist der Gesetzentwurf dann von der Länderkammer gestoppt worden.

Ich frage Sie, da Sie heute über die Bekämpfung von Menschenhandel reden, inwieweit Sie in den Vorschlägen, die Sie zurzeit machen, im Bereich der Prostitution wirklich Maßnahmen ergreifen, die a) die EU-Richtlinie umsetzen und b) tatsächlich dazu beitragen, dem Menschenhandel Herr zu werden.

Sehr geehrte Frau Kollegin, herzlichen Dank für die Frage, wenngleich ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass ich etwas Ähnliches vorhin beim Kollegen Weinberg schon einmal gehört hätte.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat das aber leider nicht beantwortet!)

Gleichwohl muss ich sagen: Aufgrund des engen Sachzusammenhangs mit der Regelung der Prostitution im Prostitutionsschutzgesetz sollen in diesem Zusammenhang auch Menschenhandel und Zwangsprostitution in einem Paket geregelt werden. Wir sind dabei. Warten Sie noch etwas, dann können Sie in der ersten Lesung und der Sachverständigenanhörung konstruktiv mitwirken. Ich darf Ihnen versichern: Was wir Ihnen vorlegen, ist ausgewogener, ausgereifter und dient dem Schutz der Prostituierten mehr als alles, was Sie seit 2002 gemacht haben und Sie in Ihrer Verantwortung zu vertreten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konkret war es jetzt nicht!)

– Ich könnte Ihnen noch mehr dazu sagen.

Frau Schauws, Sie haben die Gesundheitsberatung moniert. – Ich warte, bis die Gespräche bei den Grünen beendet sind, damit sie mir wieder zuhören.

Aber Ihre Zeit läuft weiter.

Frau Schauws, Sie haben die Gesundheitsberatung moniert. Ich will Ihnen dazu sagen: Die Gesundheitsberatung haben wir in den Verhandlungen, die wir bisher geführt haben, kontrovers diskutiert. Ursprünglich wollten wir eine Gesundheitsuntersuchung; denn wir wollen niemanden stigmatisieren. Wir sind aber der Auffassung, dass sehr viele Frauen in dem Milieu – hier handelt es sich auch um 18- bis 21-jährige heranwachsende Frauen aus dem osteuropäischen Ausland, die nicht unbedingt freiwillig hier sind – einen regelmäßigen Kontakt durch eine Gesprächsstelle außerhalb des Milieus erhalten sollen. Deshalb wollen wir die relativ enge Vertaktung für die 18- bis 21-Jährigen. Wir stellen uns vor, dass zumindest halbjährlich Kontakte verpflichtend sind. Das unterscheidet uns im Übrigen von den Linken und den Grünen. Wir wollen keine freiwilligen Angebote, sondern es muss verpflichtend sein, weil ansonsten möglicherweise Interessen aus dem Milieu sie daran hindern können, die Angebote der Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Schauws, wir haben nicht nur die 21-, 22-jährige deutsche Jurastudentin, die diesem Beruf nachgeht. Wir haben auch sehr viele unerfahrene, zum Teil der deutschen Sprache nicht mächtige heranwachsende junge Frauen aus dem Ausland, die wir schützen müssen.

(Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Sprachkurse!)

– Wir tun das eine, ohne das andere zu lassen. Sprachkurse sind zugegebenermaßen zurzeit in aller Munde, aber das allein wird den Prostituierten nicht helfen. Aber sie müssen wissen, wie sie es tun sollen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen gar nicht mehr, was Sie am Anfang gesagt haben!)

Frau Kollegin Möhring, es erstaunt mich, weil gerade Sie Sprachkurse ansprechen. In Ihrem Antrag führen Sie auf der einen Seite aus, dass Prostitutionsgesetz von 2002 hält fest,

dass das eingeschränkte Weisungsrecht des Arbeitgebers dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in der Prostitution nicht entgegensteht. Das ProstG hat die Rechtsposition von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern gestärkt und damit auch einen Wandel in der gesellschaftlichen Bewertung des Berufes vorangebracht.

Im nächsten Satz, Frau Möhring – das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, schreiben Sie:

Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass sich das im Prostitutionsgesetz beabsichtigte Modell des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in Prostitutionsstätten in der Praxis nicht etabliert hat …

Was gilt jetzt? Wollen Sie das Gesetz von 2002 verteidigen, oder ist es, wie hier steht, tatsächlich Mist gewesen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Kollege Weinberg hat darauf hingewiesen: Laut Schätzungen der EU-Kommission arbeiten circa 200 000 Zwangsprostituierte in Europa. Nicht alle sind freiwillig in der Branche. Die, die freiwillig dort sind, haben laut einer Schweizer Studie zu 98 Prozent bleibende Schäden aus dieser Tätigkeit. Deshalb müssen wir diesen Frauen Hilfsangebote machen, wo immer wir es machen können.

Herr Kollege Lehrieder, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Möhring?

Ja, selbstverständlich.

(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist eine gute Serie!)

– Ja, es ist alles bestellt, Frau Präsidentin.

Vielen Dank. – Sie haben mich direkt angesprochen, Herr Kollege Lehrieder. Ich möchte einmal darauf aufmerksam machen, dass es an dieser Stelle um zwei Punkte geht. Mit dem Gesetz von 2002 wurde Prostitution legalisiert und damit gilt die Berufsfreiheit. Es hat sich mittlerweile gezeigt, dass natürlich die Weisungsbefugnis problematisch ist, weil die höchstpersönliche Art und Weise dieser sexuellen Dienstleistung voraussetzt, dass Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter selber darüber entscheiden, wie sie arbeiten und welche Leistungen sie erbringen. Das Problem ist aber, dass die Weisungsbefugnis eines Arbeitgebers Voraussetzung ist, um überhaupt wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Deshalb fordern wir als Linke, dass garantiert werden muss, dass die Selbstbestimmung und die selbstständige Tätigkeit von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern auch ohne Weisungsbefugnis von Arbeitgebern möglich ist. Das Beschäftigungsverhältnis, so wie wir es normal in der Wirtschaft kennen, ist für sexuelle Dienstleistungen nicht praktikabel. Deswegen brauchen sie deutlich stärkere Rechte.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Möhring, wir sind uns in nicht vielen Punkten einig. Aber wir sind uns hier einig. Es ist ein Arbeitsverhältnis sui generis. Es ist kein weisungsabhängiges Arbeitsverhältnis, weil sowohl die Zeit als auch die Anzahl der Freier, mit denen eine Prostituierte schlafen muss, überhaupt nicht dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen, wie wir es verstehen, entsprechen. Deswegen wollen wir über Gesundheitsprogramme Ausstiegshilfen anbieten. Ich kann sagen: Okay, ich will da nicht rein, ich will das nicht tun, aber ich muss manche Sachen tun. – Sie können aber davon ausgehen, dass längst nicht jede Prostituierte, die jetzt tätig ist, bei ihrer Tätigkeit absolut selbstbestimmt ist. Es gibt genug Menschen – irgendwelche Zuhälter –, die ein wirtschaftliches Interesse an der Tätigkeit der Prostituierten haben. Sie sind sicherlich nicht so naiv, dass Sie das in Abrede stellen wollen.

Ich darf aus Ihrem Antrag zitieren, in dem es heißt – Sie haben es ja eben bereits eingeräumt –, dass

… ein Weisungsrecht letztlich immer die sexuelle Selbstbestimmung zu stark gefährden würde und ein Beschäftigungsverhältnis ohne Weisungsrecht für einen Arbeitgeber wirtschaftlich und rechtlich nicht umzusetzen ist.

Das ist O-Ton der Linken. Da haben Sie, wie gesagt, recht. Darum gehört das Weisungsrecht raus aus dem Gesetz. Wir wollen nicht, dass die Prostituierten weisungsabhängig tätig sein müssen.

Vielleicht noch ein Gedanke. Vorhin wurde die Anmeldung der Prostituierten angemahnt. Die Prostituierten müssen heute nicht angemeldet werden. Wenn Sie mit Polizeibeamten oder Sicherheitskräften sprechen, die die Aufgabe haben, in diesem Milieu für Recht und Ordnung zu sorgen

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– stellen Sie mir doch eine Frage, dann habe ich mehr Zeit –, dann werden Sie sehr schnell zu hören bekommen: Wir können nur die Frauen schützen, von deren Existenz wir wissen. – Es geht nicht darum, sie zu stigmatisieren oder irgendwelche Listen aufzustellen, um zu wissen, wo welche Prosituierte tätig ist. Wir brauchen zum Schutz der Frauen deshalb einen gewissen bürokratischen Aufwand der Anmeldung und der Gesundheitsberatung. Wenn es uns das nicht wert wäre, dann würden wir wieder ein stumpfes Schwert schaffen, so wie das rot-grüne Prostitutionsgesetz von 2002.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lehrieder, in welchem Traumland leben Sie denn?)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6421142
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Stärkung der Rechte von Prostituierten
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