14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 14

Niema MovassatDIE LINKE - Bevölkerungsstatistik

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weltweit wird fast jedes dritte Kind unter fünf Jahren nicht registriert. Jährlich sind das 230 Millionen neugeborene Kinder auf der Welt, die keine Geburtsurkunde erhalten. Was vielleicht harmlos klingt, ist dramatisch für die Kinder; denn wer keine Geburtsurkunde bekommt, startet mit großen Nachteilen ins Leben. Die Kinder kommen meist aus armen Verhältnissen. Sie haben dadurch sowieso schon Probleme, ein Grundrecht wie Bildung einzufordern. Wenn sie aber keinen Identitätsnachweis besitzen, dann haben sie nicht einmal theoretisch die Chance, irgendwelche Rechte einzuklagen. Außerdem werden diese Kinder häufiger Opfer von Menschenhandel.

Jedes Kind hat ein verbrieftes Recht auf die Registrierung seiner Geburt.

Das schreibt die Koalition in ihrem Antrag. Das unterstützt die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Michaela Engelmeier [SPD])

Aber allein damit ist den Kindern nicht geholfen; denn jedes Kind hat auch das Menschenrecht auf Nahrung, auf Gesundheit, auf ein Leben in Würde. Das gilt übrigens auch für Flüchtlingskinder. Wenn die CSU, die hier Mitantragsteller ist, von Obergrenzen schwadroniert und sagt: „Ab 200 000 machen wir zu“, dann verneint sie de facto die Menschenrechte auch der Flüchtlingskinder, und das steht dem Gedanken Ihres Antrags entgegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber schauen wir uns das Problem der Nichtregistrierung genauer an. Häufig ist es Familien aus abgelegenen Regionen nicht möglich, die weite Reise zu der nächsten Meldestelle anzutreten. Häufig wissen sie gar nicht um die Bedeutung einer Geburtsurkunde. In anderen Fällen entscheiden sie sich bewusst für ein sogenanntes Phantomkind, weil sie aufgrund ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit staatlichen Repressalien ausgesetzt sind. Zudem wollen oder können einige Staaten keine Daseinsvorsorge für ihre Bürger anbieten, sodass eine Registrierung für die Betroffenen nutzlos erscheint. Meist scheitert die Registrierung jedoch schlicht und einfach an den Kosten. Deshalb brauchen wir unbedingt kostenlose und niedrigschwellige Registrierungsangebote.

(Beifall bei der LINKEN)

So sind moderne Lösungen wie SMS-basierte Systeme angesichts der weltweiten Verbreitung von Handys vielversprechend. Am Wichtigsten sind aber Aufklärungskampagnen, um für das Thema zu sensibilisieren. Die Registrierung ist auch bedeutsam, um staatliche Maßnahmen planen zu können. Ohne die Kenntnis der genauen Anzahl von Neugeborenen ist es eben schwer, bedarfsdeckend Bildungs- und Gesundheitsangebote zu planen. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass die Vereinten Nationen die universelle Geburtenregistrierung bis 2030 als Unterziel der SDG, der Entwicklungsziele, aufgenommen haben. Geburtenregistrierung muss ein wichtiges Thema der Entwicklungspolitik sein.

(Stefan Rebmann [SPD]: Jawohl! Da stimme ich dir zu!)

– Danke schön. – Die Forderung der Koalition nach einem Forschungsauftrag über die Wirksamkeit von Registrierungssystemen und die Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit, hier voranzukommen, unterstützen wir. Dennoch möchte ich zwei Punkte nennen, wie die Bundesregierung selbst jederzeit die Lebenssituation benachteiligter Kinder in Entwicklungsländern sehr schnell verbessern könnte. Erstens. Ändern Sie Ihre Wirtschaftspolitik! Beenden Sie Dumpingexporte und neoliberalen Freihandel!

(Beifall bei der LINKEN)

Denn das verhindert wirtschaftliche Entwicklung und hat somit auch Auswirkungen auf die Situation der Kinder in den Ländern des Südens. Zweitens. Liefern Sie keine Waffen mehr ins Ausland! Auch das würde den Kindern helfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich fand übrigens spannend, was die Sprecherin von UNICEF, Sylvia Trsek, zu dem Thema sagte:

Die leider immer noch große Zahl an unsichtbaren Kindern ist ein Indikator für die Ungerechtigkeit, der die ärmsten Menschen der Welt ausgesetzt sind.

Das bedeutet: Wenn wir gerechter verteilen, holen wir Menschen aus der Armut. Wer nicht arm ist, lässt in der Regel auch seine Kinder registrieren. Auch deshalb brauchen wir globale soziale Gerechtigkeit und Umverteilung von oben nach unten.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Michaela Engelmeier.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6421219
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Bevölkerungsstatistik
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta