Özcan MutluDIE GRÜNEN - Kooperationsverbot in der Bildung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Fangen wir einmal so an: Nach der Märchenstunde von Herrn Schipanski kommen wir zur Sachlichkeit zurück. Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege: Lesen Sie das Grundgesetz! Dann wissen Sie, wovon die Kollegin Hein redet.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
In keinem Land der Welt gibt es ein in der Verfassung festgeschriebenes Verbot, dass Bund und Länder oder regionale Provinzen in der Bildungspolitik zusammenarbeiten. Wir sind das einzige Land, das das gesetzlich verbietet. Ich frage mich immer wieder: Was kann daran falsch sein, wenn die verschiedenen Ebenen eines Staates – in diesem Fall Bund und Länder – zusammenarbeiten, im Interesse der Schülerinnen und Schüler, im Interesse der Schulen und im Interesse unseres Landes? Sie haben das anscheinend nicht kapiert. Die grandiose Fehlentscheidung, die 2006 von der GroKo im Grundgesetz verankert wurde – mittlerweile wurde das Kooperationsverbot im Hochschulbereich gelockert –, gehört in Gänze revidiert, und zwar so schnell wie möglich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Zahlreiche Studien beweisen, dass fehlende Bildungsgerechtigkeit eines der größten Probleme unseres Bildungssystems ist. Ausgerechnet hier hält die Große Koalition am Kooperationsverbot fest und manifestiert aus meiner Sicht die Kleinstaaterei, die eigentlich längst überholt sein sollte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Anbetracht der immer größer werdenden Herausforderungen, vor denen unsere Schulen und andere Bildungseinrichtungen stehen – Inklusion, digitale Bildung, Sprachförderung und mehr Ganztagsschulen –, muss sich der Bund in der Tat aktiver beteiligen. Aber er kann das nicht, weil Sie am Kooperationsverbot festhalten. Ich sage Ihnen: Die Herausforderungen und die Probleme werden sogar zunehmen aufgrund der Tatsache, dass seit letztem Jahr viele Menschen im schul- und ausbildungsfähigen Alter in unser Land kommen. Diese müssen im Schulsystem integriert werden. Kollege Schipanski, wir wissen, dass einige Koordinierungsstellen, die das BMBF geschaffen hat, oder eine Deutsch-App einfach nicht ausreichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wir wissen, dass viele Städte und Gemeinden völlig überfordert sind und längst an ihre finanziellen Grenzen gestoßen sind. Ich bin dann sprachlos – und das kommt selten vor –, wenn Frau Ministerin Wanka – sie ist heute nicht anwesend – ganz unverblümt in der Presse sagt: „Die Länder haben die Aufgabe, Willkommensklassen einzurichten, da ist der Bund in keiner Weise tangiert.“ Toll! Das ist eine richtig gute Erklärung eines Problems, das eigentlich gemeinschaftlich gelöst werden sollte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Wanka sollte sich stattdessen für eine flächendeckende Bildungsoffensive starkmachen und vielleicht beim Kollegen Schäuble, der jetzt 12 Milliarden Euro mehr im Säckle hat, ein bisschen mehr für Bildung und Bildungsinvestitionen einfordern. Das wäre nötig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der deutsche Bildungsföderalismus hat eine zerklüftete und ineffektive Schullandschaft mit 16 unterschiedlichen Schulsystemen, Lehrplänen und Versetzungsordnungen geschaffen. Ich finde, dass dieser Zustand im 21. Jahrhundert, im Jahre 2016, nicht mehr hinnehmbar ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb haben wir Grüne in unseren zwei Anträgen in dieser Legislaturperiode – genauso wie mehrfach in der vergangenen Legislaturperiode – gefordert, konsequenterweise das Kooperationsverbot in Gänze abzuschaffen und durch Kooperation zu ersetzen. Es geht in der Tat um gemeinsame Bildungsstandards und gemeinsame Ziele in der Bildung. Aber das wollen Sie nicht. Sie halten weiterhin am Kooperationsverbot fest.
Kooperation heißt aber nicht unbedingt und ausschließlich, dass die Bundesländer Kompetenzen abgeben müssen. Da gibt es sicherlich kreative Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu stärken. Ich erinnere an das letzte Mal, als der Bund tatsächlich Geld für die Bildung in die Hand nehmen durfte. Damals flossen unter Rot-Grün 4 Milliarden Euro für 10 000 neue Ganztagsschulen. An diese Erfolgsstory sollten wir anknüpfen; dazu rate ich Ihnen. Ich schaue hier insbesondere in die Reihen der SPD. Es reicht nicht aus – ich bin noch nicht fertig –, liebe Kollegen von der SPD, –
Aber, Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
– in sämtlichen bildungspolitischen Papieren die Abschaffung des Kooperationsverbotes festzuschreiben und zu versprechen, aber hier keinerlei Aktivitäten diesbezüglich zu unternehmen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ernst Dieter Rossmann spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6421311 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Kooperationsverbot in der Bildung |