14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 16

Frank SchwabeSPD - Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dankenswerterweise den Antrag der Grünen zum Thema „Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen“ vorliegen. Er gibt Gelegenheit, am heutigen Abend noch einmal gemeinsam auf das zurückzublicken, was 2015 unter der Präsidentschaft Deutschlands im Menschenrechtsrat passiert ist.

In der Tat brauchen wir Verbesserungen im Menschenrechtsrat. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir den Menschenrechtsrat noch gar nicht so lange haben. Dass wir ihn jetzt haben, ist zumindest schon eine Verbesserung, nachdem wir vorher nur eine Menschenrechtskommission hatten.

Wir haben als zentrales Element des Menschenrechtsrats mittlerweile das sogenannte UPR-Verfahren. Das hört sich kompliziert an, heißt aber nur, dass die Staaten der Vereinten Nationen regelmäßig auf ihre menschenrechtlichen Standards überprüft werden.

Trotzdem ist noch viel zu tun. Deswegen ist es auch gut, dass es diesen Denkanstoß der Grünen gibt, dem wir heute zwar nicht zustimmen können, den wir aber als Denkanstoß aufnehmen, um ihn entsprechend weiter zu diskutieren.

Ich meine, dass Deutschland sich wirklich um die Stärkung des Menschenrechtsrats kümmert und auch Erfolge zu verzeichnen hat. In gewisser Weise wird das wahrscheinlich auch dadurch gewürdigt, dass wir jetzt zum dritten Mal in den Menschenrechtsrat gewählt worden sind und von 2016 bis 2018 wiederum Mitglied dieses wichtigen Gremiums sind – auch wenn ich zugeben muss, dass die Wahl in dieses Gremium nicht immer dafür steht, dass man höchste menschenrechtliche Integrität an den Tag legt, wie man sieht, wenn man sich einmal die einzelnen Mitglieder anschaut.

2015 hatte Deutschland den Vorsitz des Menschenrechtsrats inne. Unser Dank geht wirklich – das kann ich, glaube ich, für das ganze Haus sagen – an Botschafter Joachim Rücker, der dem Menschenrechtsrat seinen Stempel aufgedrückt hat und Deutschland dort würdig vertreten hat.

(Beifall im ganzen Hause)

Es waren seine vermittelnde Amtsführung, seine Dialogorientierung, der Versuch der Konsensbildung und die Stärkung der aktiven Rolle der Zivilgesellschaft, die diese Präsidentschaft besonders ausgezeichnet haben – auch wenn das nicht immer so einfach ist und es auch in einer solchen Amtsführung Widersprüche gibt, die Joachim Rücker in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung im September des letzten Jahres selbst benannt hat, in dem er die Gratwanderung im Umgang in diesem Menschenrechtsrat beschrieben hat und gefragt hat:

Gestalten wir eine Resolution so, dass im Menschenrechtsrat ein Konsens möglich wird, oder lassen wir es auf eine Kontroverse und eine Abstimmung ankommen?

Es ist eigentlich egal, wie man es macht, weil die Welt so ist, wie sie ist. Am Ende gibt es bei beiden Verfahren auch schlechte Ergebnisse und entsprechende Kritik. Beim Thema Irak war es so, dass der Weg gewählt wurde, einen Konsens herbeizuführen, dem am Ende auch der Irak zustimmen konnte. Dort gab es am Ende, wie ich finde, durchaus berechtigte Kritik daran, dass zwar die Gräueltaten des Daesh benannt worden sind, aber entsprechende Gräueltaten von schiitischen Milizen zumindest nicht ausreichend benannt worden sind. Das war sozusagen durchaus ein an manchen Stellen fragwürdiges Ergebnis eines solchen Konsensverfahrens.

Es gab aber auch das andere Verfahren, bei dem nämlich eine Resolution Ägyptens, die nun wirklich nicht annahme- und konsensfähig war, im Konflikt abgestimmt wurde und wir am Ende leider beschämenderweise die Verabschiedung einer Resolution hatten, die Menschenrechtsfragen im Rahmen von Terrorbekämpfung relativiert. Das war sozusagen das Ergebnis eines Konfliktverfahrens. Aber noch einmal: Das ist eben die reale Welt, wie wir sie haben. Wir haben 47 Mitgliedstaaten in diesem Menschenrechtsrat, und die meisten sind eben keine lupenreinen Demokratien.

Die Menschenrechte sehen sich gerade zurzeit besonderen Belastungen ausgesetzt. Im Zuge von weltweiten Krisen, aber auch mitten in Europa und in Deutschland werden Menschenrechte zunehmend infrage gestellt. Es gibt eine wachsende Zahl von Staaten weltweit mit repressiver Gesetzgebung gegenüber Vereinigungen der Zivilgesellschaft, sogenannten NGOs. Das findet man leider in allen Teilen der Welt. Da macht leider das schlechte Beispiel Schule.

Der Menschenrechtsrat hat in seiner letzten Sitzung am Ende des vergangenen Jahres China, Russland, Saudi-Arabien und Kambodscha besonders kritisch diskutiert. Man könnte aber auch Staaten des Europarats wie die Türkei oder Aserbaidschan hinzufügen und lateinamerikanische Staaten wie Ecuador. Aber auch in anderen Teilen der Welt würden einem leider eine Menge Beispiele einfallen. Auf der einen Seite sind die Menschenrechte also besonderen Belastungen ausgesetzt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung von internationaler Politik und dafür, dass man zu Hause auf Dauer nicht ordentlich leben kann, wenn Menschen in anderen Teilen der Welt nicht ordentlich leben können. Das ist sozusagen Außenpolitik und menschenrechtsorientierte Politik, wie wir sie, glaube ich, verstehen sollten.

(Beifall bei der SPD)

Dabei sind die Menschenrechte eben nicht irgendein Hindernis nationaler oder internationaler Politik, sondern sie sind eigentlich das, worum es geht, warum wir im Kern Politik betreiben. Man kann es auch mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede vor dem Menschenrechtsrat im März des letzten Jahres sagen:

Denn Missachtungen und Verletzungen der Menschenrechte sind nicht nur Folge, sondern Ursache von Konflikten. Wo Menschenrechte systematisch in Frage gestellt sind, bahnen sich soziale und politische Krisen an, ist Unfrieden praktisch vorprogrammiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Fortschritte in Menschenrechtsfragen – ich glaube, das müssen wir uns gerade vor dem Hintergrund aktueller Debatten klarmachen – sind gerade in Zeiten schwerster menschlicher Tragödien oder nach schwersten menschlichen Tragödien entwickelt worden. Dazu gehören sicherlich die Vereinten Nationen als solche mit ihren unterschiedlichen Konventionen. Dazu gehören aber auch – das will ich hier noch einmal besonders betonen – die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie sind entstanden nach bitterster, schwerster Zeit, und sie sind gemacht worden für schwierigste Zeiten. Sie sind eben nicht dafür gemacht worden, in schwierigsten Zeiten genau diese Konventionen infrage zu stellen, sondern dafür, sie in diesen schwierigen Zeiten zur Geltung zu bringen. Deshalb müssen sie gerade jetzt für uns Leitschnur unseres Handelns sein. Ich bin mir ganz sicher, dass wir uns aktuell genau daran messen lassen müssen und dass wir uns auch im historischen Rückblick auf die aktuelle Situation genau daran messen lassen müssen, ob wir in diesen schwierigen Zeiten Menschenrechte und ihre Standards zur Geltung gebracht haben.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Inge Höger spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6421506
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta