14.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 16

Frank HeinrichCDU/CSU - Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wann, wenn nicht jetzt, in diesen Zeiten, sind die Vereinten Nationen und ihre Institutionen zu stärken – gerade weil wir jetzt Dinge erleben, durch die wir einiges bedroht sehen? Zum einen sehen wir die Weltsicherheitslage bedroht. Da fallen uns allen wahrscheinlich die gleichen Schlagworte ein: Syrien, Nordirak, die Ukraine, verschiedene Regionen Afrikas, die Fluchtbewegungen, der näher rückende Terror. „ Näher“ ist hier subjektiv. Istanbul, Paris, Jakarta, Kairo und einige andere Orte sind hier zu nennen. Auch die Menschenrechte sehen wir bedroht, nicht nur in einzelnen Situationen. Da könnte man jetzt konkret die Todesurteile in Saudi-Arabien und den Fall des Bloggers Raif Badawi nennen, aber auch den Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung vor unserer eigenen Haustür, in Köln, in der vorletzten Woche. Wir, die im Menschenrechtsausschuss mitarbeiten, haben auch immer wieder Einzelpersonen vor Augen.

Insofern wiederhole ich: Es ist wichtiger denn je, die Rolle der Vereinten Nationen zu stärken. Deshalb ist es gut, das Thema auch durch solch eine Debatte ins Bewusstsein zu rufen, und das auch noch – Herr Kekeritz, Sie haben es vorhin gesagt – zu einer angemessenen Zeit, zu der auch noch zugehört wird. Das beginnt aber eben nicht hochpolitisch, hier in unserem Hohen Haus, sondern bei der Wahrnehmung in den Köpfen der Menschen, eben bei der Bewusstseinsbildung. Es ist also gut, das Thema auf der Tagesordnung zu haben, auch wenn wir nicht in allen Punkten mit dem Antrag übereinstimmen – aus zwei Gründen, auf die ich gleich noch kommen werde.

Zu Beginn nenne ich einige der Grundlagen; ein paar Kollegen haben sie schon genannt. Die Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 hatte ziemlich großen Einfluss auf uns als Bundesrepublik Deutschland. Sie stand Pate für unser Grundgesetz, ein Grundwert, der in der aktuellen Flüchtlingsdebatte immer wieder bemüht wird – zu Recht. Darum will ich ein paar grundlegende Passagen aus der Gründungsurkunde der Vereinten Nationen zitieren, eben weil es so aktuell ist:

WIR, DIE VÖLKER DER VEREINTEN NATIONEN – FEST ENTSCHLOSSEN,  künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,  unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen,  Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können,  den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern …  HABEN BESCHLOSSEN, IN UNSEREM BEMÜHEN UM DIE ERREICHUNG DIESER ZIELE ZUSAMMENZUWIRKEN.

In Artikel 1 setzten sich die Vereinten Nationen dann diese Ziele:

den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen …

So viel zum Zitat.

Heute, 70 Jahre später, spürt man zwischen den Zeilen immer noch diesen Idealismus. Ein solcher Idealismus muss aber mit einem politischen Realismus einhergehen. Er besteht im Jahr 2016 auch in der Notwendigkeit, die Vereinten Nationen zu stärken, damit die Inhalte dieser genialen Charta am Schluss nicht in Zynismus umschlagen.

Es folgten weitere Schritte in der Entwicklung der Vereinten Nationen: 1945 wurde die Menschenrechtskommission eingesetzt und 2006 – Frank Schwabe, du hast es vorhin gesagt – durch den Menschenrechtsrat ersetzt. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen setzt sich aus 47 Mitgliedstaaten zusammen, hat ein umfassendes Mandat zur Behandlung von Menschenrechtsverletzungen in einzelnen Ländern sowie zur Abgabe von Empfehlungen und berichtet unmittelbar an die Hauptversammlung.

Zum dritten Mal seit der Gründung der Institution 2006 ist Deutschland von der Generalversammlung in den Menschenrechtsrat gewählt worden, und zwar für den Zeitraum 2016 bis 2018. Zudem leitete im letzten Jahr, 2015, der deutsche Diplomat Joachim Rücker als Präsident den Menschenrechtsrat. Der Menschenrechtsrat hat folgende wesentliche Aufgaben: alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu schützen und zu fördern, sich mit Menschenrechtsverletzungen zu befassen, Empfehlungen abzugeben, Menschenrechtsfragen in das System der Vereinten Nationen zu integrieren sowie zur Weiterentwicklung des Völkerrechts beizutragen. Das ist in vielen Fällen gelungen; es ist gerade in der Rede genannt worden und steht auch in Ihrem Antrag. Da heißt es an einer Stelle:

Dem Menschenrechtsrat ist es in den letzten Jahren trotz aller Schwächen immer wieder gelungen, dieser Rolle gerecht zu werden.

Einige Beispiele aus dem Antrag sind: das Recht auf Wasser, was mir ganz besonders nah ist, das Recht auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die Teilnahme an der Zivilgesellschaft als integraler Teil der Arbeit des Rates und das Instrument des Allgemeinen Überprüfungsverfahrens, Universal Periodic Review. Ergänzen könnte man: Einsetzung des Sonderberichterstatters zur Bekämpfung der Straflosigkeit im Jahr 2011 und damit ein Mandat zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Wir haben vor einigen Wochen über dieses Thema diskutiert.

Noch einmal zu Ihrem Antrag. Er enthält eine Passage, bei der ich mich frage: Da die Dinge schon existent sind, warum sollten wir sie dann fordern? Da steht:

Diese Chance

– also der Vorsitz im letzten Jahr –

kann die Bundesregierung nutzen, indem sie sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsweise des Rates einsetzt, seiner Politisierung entgegenwirkt, über Regionalgruppen hinweg diplomatische Allianzen aufbaut, innovative Themenschwerpunkte setzt und auch im Inland den Menschenrechtsschutz weiterhin ernst nimmt und damit ihre Glaubwürdigkeit international unter Beweis stellt.

Was das betrifft, würde ich sagen – und da gebe ich meinem Kollegen Schwabe recht –: Wir sind den größten Teil des Weges gegangen. Die Bundesregierung hat sich während der deutschen Mitgliedschaften dafür eingesetzt, das Profil des Rats als zentrales Gremium und Frühwarnmechanismus des internationalen Menschenrechtsschutzes zu schärfen.

Zu den Forderungen der Bundesregierung, die sie auch eingebracht hat, gehörte, dass der Menschenrechtsrat konsequent kritische Menschenrechtssituationen ansprechen soll – das tut er inzwischen – und dazu alle ihm verfügbaren Instrumente wie die gerade genannte universelle Staatenüberprüfung, Sonderberichterstatter und Sondersitzungen nutzen soll. Er sollte nicht nur Impulsgeber sein für neue Menschenrechtsstandards, sondern sich auch stärker der Umsetzung von Menschenrechtsstandards zuwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bundesregierung nutzte den Vorsitz außerdem dazu, als Brückenbauer zu wirken – so steht es im Antrag der Grünen, aus dem ich eben schon zitiert habe –, dessen Aufgabe auch darin besteht, der zunehmenden Polarisierung des Menschenrechtsrates entgegenzuwirken; dieses Argument wurde eben schon angeführt. Ein besonderes Augenmerk richtete der Vorsitz auf die Wahrung und Stärkung von Beteiligungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen, auch im Menschenrechtsrat selbst.

Darüber hinaus hat die Koalition mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Deutsche Institut für Menschenrechte – auch das thematisieren Sie in Ihrem Antrag – unterstrichen, dass Deutschland den Menschenrechtsschutz auch hier im Inland ernst nimmt, auch wenn das einiges an Ringen bedeutet hat.

Wir unterstützen Menschenrechtsverteidiger weltweit intensiv in ihrer Arbeit. Die Regierung wie auch wir als Parlament beobachten kontinuierlich und engmaschig deren Lage und arbeiten daran, das System noch weiter zu verbessern. Wir kooperieren hier sehr stark mit anderen Staaten der Europäischen Union. Zudem setzt sich die Bundesregierung bei den Regierungen anderer Staaten häufig für Menschenrechtsverteidiger ein; wir haben auf viele Einzelfälle hingewiesen. Ihr Schutz ist wichtig – und wird es auch bleiben – und gehört als integraler Bestandteil in den Aktionsplan der Bundesregierung.

Da der Antrag genau die von mir genannten Aktivitäten benennt und einfordert, obwohl vorhanden, und da Sie sich mit den Bezügen auf die deutsche Präsidentschaft zeitlich überholen, haben wir uns entschlossen – das ist die logische Konsequenz –, ihn abzulehnen.

Wie zu Beginn meiner Rede angekündigt, möchte ich zwei konkrete Punkte benennen, denen wir zustimmen. Erstens. Sie kritisieren in Ihrem Antrag die andauernde Unterfinanzierung des Rates. Tatsächlich beträgt der Anteil nur 3 Prozent des VN-Kernbudgets. Frau Höger, Sie haben es angesprochen: Damit können nur 40 Prozent der Kosten gedeckt werden. Wir freuen uns darüber, dass der Anteil nun auf 5 Prozent aufgestockt wird. Auch Herr Rücker hat das empfohlen.

Der zweite Punkt ist die ständig drohende Politisierung der Arbeit; auch das ist richtig. Das Gesamtproblem der Vereinten Nationen ist, dass Resolutionen – wir haben das Beispiel Syrien gut in Erinnerung – politisch motiviert geblockt werden. Und doch gilt, was der deutsche Präsident Rücker im September gegenüber der Süddeutschen Zeitung gesagt hat: Was wäre denn, wenn wir uns auf internationaler Ebene ausschließlich mit denen, die es gut machen, zusammensetzen? Ich meine, das wäre ein reiner Club von Gleichgesinnten und würde nichts bringen. – Wir unterstützen die Forderung, dass die Indikatoren, von denen auch Sie gesprochen haben, entwickelt werden und dazu beitragen, die Tagesordnung des Rates nach objektiven Kriterien zu gestalten.

Ich komme zum Schluss. Das Unwort des letzten Jahres lautet – es ist uns allen präsent, auch durch die Nachrichten dieser Woche –: Gutmensch. Beim Menschenrechtsrat geht es aber nicht darum, irgendwie einfach mal gut zu sein. Was schlimmer ist, ist, dass dabei auch das Wort „naiv“ mitschwingt. Die Vereinten Nationen haben drei Kernaufgaben: Menschenrechte, Sicherheit und Entwicklung gewährleisten. Diese drei gehören nahtlos zueinander: Ohne nachhaltige Entwicklung keine Sicherung der Menschenrechte und keine Beseitigung von Fluchtursachen und in der Folge Bedrohung der Sicherheit, auch bei uns in Europa und Deutschland.

Die Vereinten Nationen in allen Bereichen zu stärken, liegt in unserem ureigenen Interesse. Dazu werden wir auch die erneute Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat nutzen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Als letzter Redner in der Aussprache hat Tom Koenigs für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6421592
Wahlperiode 18
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
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