15.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 17

Caren LayDIE LINKE - Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten

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Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Stellen Sie sich ein Leben ohne Girokonto vor. Die Schwierigkeiten fangen damit an, dass man an der Kasse eines Supermarktes bzw. eines Geschäftes nicht einfach mit der EC-Karte bezahlen kann. Man kann auch nicht einfach Geld überweisen und seine Rechnungen per Überweisung begleichen. Man bekommt keinen Handyvertrag und schon gar keine neue Wohnung.

Ein Girokonto ist in der modernen Welt einfach unverzichtbar, und ich finde, es ist ein Skandal, dass immer noch über 700 000 Menschen in Deutschland – Flüchtlinge bzw. Geflüchtete sind hier noch nicht eingerechnet – kein Girokonto haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern freuen auch wir uns, dass endlich ein Basiskonto für alle kommen soll. Das wird auch höchste Zeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich spreche an dieser Stelle nicht zum ersten Mal zu diesem Thema. Gestatten Sie mir deshalb einen kleinen Ausflug in die Geschichte der Debatte, die wir hier im Bundestag dazu geführt haben; denn das Recht auf ein Girokonto hätte es natürlich schon sehr viel früher geben können.

Die PDS hat hier im Bundestag 1994 zum ersten Mal ein Girokonto für alle gefordert. Die Linke hat seither sage und schreibe fünf Anträge gestellt, in denen wir ein Recht auf ein Girokonto für alle gefordert haben. Alle diese Anträge wurden hier mit Mehrheit abgelehnt.

Die Argumente, die damals vor allen Dingen die Union ins Feld geführt hat, waren wirklich abenteuerlich. Es waren die üblichen Vorurteile vor allen Dingen gegenüber uns Linken.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die meisten davon sind bestätigt! – Lachen bei der LINKEN)

Das alles sei gegen den freien Markt, staatsfixiert usw.

Der ehemalige Kollege Leo Dautzenberg sagte zum Beispiel 2006: Das Girokonto für alle ist geradezu ein Beispiel dafür, dass der Staat nicht alles regeln kann und schon gar nicht besser regeln kann als die Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen einer bestimmten Selbstregulierung.

Und der Kollege Brinkhaus entgegnete mir noch vor einigen Jahren an dieser Stelle zu diesem Thema: Es gibt kein Menschenrecht auf ein Girokonto.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Und dabei bleibe ich!)

Meine Damen und Herren, ich finde schon. Und ich freue mich sehr, dass auch Sie heute, so hoffe ich, endlich zur Einsicht gekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wurden zwar regelmäßig die Zahlen erhoben, wie viele Menschen in Deutschland ohne ein Girokonto sind. Man hat sich aber nicht dazu durchringen können, endlich gesetzlich verbindliche Regeln zu schaffen. Stattdessen hat man mit den Banken eine freiwillige Selbstverpflichtung ausgehandelt. „ Freiwillige Selbstverpflichtung“ war jahrelang – das ist es, glaube ich, bis heute – die beliebteste Worthülse vor allen Dingen der Union in der Verbraucherpolitik, die eigentlich nur darüber hinwegtäuschen soll, dass man nicht in der Lage ist, verbindliche Regelungen gesetzlich zu verankern. Ich finde, wir brauchen verbindliche gesetzliche Regelungen für Menschen, die überschuldet sind, für obdachlose Menschen und für Geflüchtete. All jene haben das Recht auf ein Konto.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch dieses Mal sind Sie nicht so ganz allein auf diese Idee bzw. zur Einsicht gekommen. Im Gegenteil: Es gibt eine EU-Richtlinie, die auch Deutschland dazu verpflichtet, dieses Recht noch in diesem Jahr umzusetzen. Also – so gut es ist, dass es ein Basiskonto für alle geben wird –: Schmücken Sie sich an dieser Stelle bitte nicht mit fremden Federn!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Umsetzung gibt es leider einen Pferdefuß bzw. einen entscheidenden Nachteil: Das Konto soll nämlich nicht verbindlich kostenfrei oder gebührenfrei sein. Im Gegenteil: Im Gesetzentwurf ist von marktüblichen Gebühren und Entgelten die Rede. Da schwant mir nichts Gutes. Einige Banken haben ja ein sogenanntes Bürgerkonto auf Grundlage dieser freiwilligen Selbstverpflichtung eingerichtet. Sie verlangen aber stattliche Gebühren in Höhe von 10 Euro im Monat. Es kostet also viel mehr als ein normales Girokonto, hat aber viel weniger Funktionen. Ich finde das wirklich unmöglich.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wäre möglich gewesen, bereits im Gesetzentwurf die Gebührenfreiheit des Kontos festzulegen oder zumindest die Gebühren zu deckeln. Dafür haben sich auch die Verbraucherschutzminister einstimmig ausgesprochen. Auch das Land Brandenburg hat dafür im Bundesrat gekämpft und gefordert, dass das Konto gebührenfrei sein soll oder dass die Kosten zumindest gedeckelt werden sollen. Leider hat das keine Mehrheit gefunden. Ich finde, das muss im Gesetzgebungsverfahren geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

10 Euro im Monat, meine Damen und Herren, mögen in diesem Hohen Hause vielleicht nicht als große Summe gelten. Für Menschen aber, die obdachlos, geflüchtet oder überschuldet sind, sind 10 Euro im Monat jede Menge Geld. Es wird sie im Zweifel davon abhalten, das Recht auf ein Girokonto in Anspruch zu nehmen. Das können wir so nicht stehen lassen. Ich bitte Sie wirklich eindringlich: Lassen Sie uns im Beratungsverfahren gemeinsam dafür sorgen, dass das Basiskonto für alle kostenfrei sein wird. Das sind wir den Betroffenen schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kelber für das Justiz- und Verbraucherschutzministerium. – Bitte schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6423573
Wahlperiode 18
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten
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