15.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 17

Nicole MaischDIE GRÜNEN - Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein guter Tag für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land – das sind schöne Worte von der Union. Wenn ich mich an die Debatten in den vergangenen Jahren erinnere, dann müssten heute von Ihnen sinngemäß eher folgende Worte kommen: Die DDR ist zurück. Der Sozialismus ist ausgebrochen. Wir alle sind jetzt Mitglied der Linkspartei. – Das war der Diskussionsduktus des Kollegen Brinkhaus, des Kollegen Meister und vieler anderer in der Union, wenn wir in den vergangenen Jahren immer wieder gemeinsam mit den Kollegen von der Opposition ein Girokonto für alle beantragt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber Menschen sind lernfähig. Das finden wir wunderbar.

Das ist vor allem wunderbar für die rund 1 Million Menschen – so viele scheinen es mittlerweile zu sein –, die bislang vom normalen Wirtschaftsleben in Deutschland ausgeschlossen sind. Um so etwas Exotisches wie Onlineshopping oder Bestellungen bei Ebay geht es gar nicht, sondern um Telefonanschluss, Mietvertrag und Arbeitsvertrag. Das alles ist heutzutage ohne ein Konto kaum noch möglich. Das soll sich nun ändern. Das ist gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Peinlich ist, dass auch diese Bundesregierung wieder von Brüssel zum Jagen getragen werden musste. Drei Legislaturperioden – so weit reicht zumindest meine politische Erinnerung in diesem Haus – haben wir diskutiert. Stets haben Sie alles abgelehnt. Auch die SPD, die den heutigen Tag so besonders feiert, hat sich unter Führung ihres Finanzministers Peer Steinbrück gegen ein Girokonto für alle mit Händen und Füßen gewehrt; das gehört zur Wahrheit dazu. Aber nun kommt es, und man darf die Umsetzung nicht vermasseln.

Es gibt viele Punkte in dem vorliegenden Gesetzentwurf, die wir begrüßen. Brüssel schreibt auch vieles sehr eng vor. Aber zwei Punkte kritisieren wir. Da ist noch – so glauben wir – Luft nach oben. Der erste Punkt betrifft die Kosten. Wir glauben nicht, dass ein solches Konto kostenlos sein muss. Auch wer arm ist in diesem Land, dem wird selten etwas geschenkt; das ist nun einmal so. Aber wir halten die Begriffe „angemessen“ und „marktüblich“, die Sie gewählt haben, für zu unkonkret. Sie eröffnen den Banken damit Spielräume, sich die unliebsame Kundschaft durch saftige Kontoführungsgebühren vom Hals zu halten. Diese Befürchtung können wir historisch gut begründen. 2010 haben wir das Pfändungsschutzkonto, das sogenannte P-Konto, gesetzlich eingeführt. Viele Kreditinstitute – auch Sparkassen – haben darauf reagiert und versucht, sich die unliebsame Kundschaft mit drastisch erhöhten Kontogebühren vom Hals zu halten. vzbv und die Verbraucherzentralen in den Ländern haben viele Kreditinstitute abgemahnt und die meisten Rechtsstreitigkeiten gewonnen. Das zeigt: Man muss genau aufpassen, dass diese Kundschaft nicht durch erhöhte Gebühren verdrängt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für das von den Sparkassen freiwillig eingeführte Bürgerkonto bzw. Guthabenkonto, das im Grunde genommen so eine Art Girokonto für alle ist. Die Berliner Sparkasse zum Beispiel hat ihre Gebühren von 3,90 auf 8 Euro erhöht. Man versucht also, über die Gebühren etwas zu schaffen, was das Gesetz eigentlich verbietet. Ich glaube, dass wir hier nicht auf den Markt setzen können; denn ein funktionierender Wettbewerb setzt voraus, dass der Anbieter den Kunden auch möchte. Wenn es aber um eine Kundengruppe geht, gegen die man sich mit Händen und Füßen wehrt, um sie vom Bankschalter fernzuhalten, dann kann es keinen Wettbewerb geben. Wettbewerb funktioniert nur in Bezug auf eine Kundengruppe, die man auch möchte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt betrifft die Transparenz von Vergleichswebsites; Herr Kelber hat schon etwas dazu gesagt. Eine staatliche Zertifizierung ist sicherlich gut. Aber dann müssen wir uns Gedanken über die Kriterien für diese Zertifizierung machen. Was sagt mir als Kunde ein entsprechendes staatliches Siegel? Nach unserer Auffassung gehört zu einer vernünftig zertifizierten Vergleichswebsite, dass alle Provisionen, die zwischen Bank oder Sparkasse und einer Vergleichswebsite fließen, zwingend offengelegt werden. Sonst steht man als Verbraucher wie der Ochs vorm Berg und weiß nicht, wie hinter den Kulissen die Geldströme fließen. Sonst ist auch der Zugang zu Banken und Sparkassen nicht diskriminierungsfrei. Deshalb fordern wir die Pflicht zur Offenlegung von Provisionen für alle Vergleichswebsites.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Regierung hat uns als Antwort auf eine Kleine Anfrage zu anderen Vergleichswebsites mitgeteilt, dass sie darauf setzt, dass die Verbraucher die Portale selbst fragen, welche Provisionen in welcher Höhe von wem an wen fließen. Das halten wir – mit Verlaub – für lebensfremd und das Gegenteil von Verbraucherschutz. Wenn ich als Verbraucher ins Netz gehe, um mich schnell zu informieren, dann möchte ich nicht an irgendwelche Stellen einen Brief schreiben nach dem Motto: Bitte teilt mir mit, wie viel Provisionen ihr von welcher Sparkasse oder welcher Bank erhalten habt. – Das ist lebensfremd und das Gegenteil von Verbraucherschutz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind heute noch nicht am Ende der Debatte. Ich freue mich sehr auf konstruktive Beratungen. Es handelt sich um eine gute europäische Regelung, die nun in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Diese Umsetzung kann in einigen Punkten noch besser werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Hauer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6423662
Wahlperiode 18
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten
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