Matthias HauerCDU/CSU - Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf eines Zahlungskontengesetzes. Damit setzen wir die EU-Zahlungskontenrichtlinie in deutsches Recht um und erfüllen gleichzeitig wichtige Zusagen aus dem Koalitionsvertrag. Was wird sich durch das Gesetz ändern?
Erstens. Wir sorgen dafür, dass jeder Verbraucher in Deutschland Zugang zu einem Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen erhält. Jeder, der sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhält, kann dann ein solches Basiskonto eröffnen.
Zweitens. Wir sorgen für mehr Vergleichbarkeit und Transparenz bei den Kontoentgelten. Jeder Verbraucher wird sich künftig auf dafür zertifizierten Internetseiten schnell und einfach über Entgelte der Banken und Sparkassen informieren können, die für ihn infrage kommen.
Drittens. Wir sorgen dafür, dass Verbraucher ihr Girokonto einfacher wechseln können. Der Kontoumzug zu einer anderen Bank wird künftig mit weniger Aufwand für den einzelnen Bankkunden verbunden sein. Er umfasst auch die bestehenden Überweisungen, Daueraufträge und Lastschriften.
Bislang sind die Vorschriften über Zahlungskonten innerhalb der EU sehr unterschiedlich und nicht durchgängig an einem hohen Verbraucherschutzstandard orientiert. Die Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie ist nun ein weiterer Schritt zur Harmonisierung der Regelungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes.
Nun zum Basiskonto. Ein Girokonto ist heutzutage Grundvoraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Schätzungen gehen davon aus – wir haben es gerade schon gehört –, dass allein in Deutschland etwa 1 Million Menschen nicht über ein solches Konto verfügen können. Diesen Zustand wollen wir nicht hinnehmen.
Wir möchten, dass gerade Obdachlosen und anderen einkommensschwachen Menschen nicht länger der Zugang zu einem Basiskonto verwehrt wird. Gleiches gilt auch für Asylsuchende sowie für Personen ohne Aufenthaltstitel, die nicht abgeschoben werden können. Der Anspruch auf das Basiskonto steht jedem zu, der sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhält. Wir als Union werden in besonderem Maße darauf achten, dass bei den parlamentarischen Beratungen keine Abstriche bei den Themen Geldwäsche und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung gemacht werden.
Das vorgesehene Recht auf Zugang zu einem solchen Basiskonto geht weit über die bisherigen Maßnahmen hinaus. In Deutschland haben sich Sparkassen sowie öffentliche, private und genossenschaftliche Banken 1995 die Selbstverpflichtung auferlegt, für jeden Bürger auf Wunsch ein Girokonto zu eröffnen. Lediglich in einigen Bundesländern besteht darüber hinaus mit gewissen Einschränkungen eine Verpflichtung für Sparkassen, ein Girokonto anzubieten. Zudem haben sich die Sparkassen im Jahr 2012 selbst dazu verpflichtet, jeder Privatperson in ihrem Geschäftsgebiet ein Guthabenkonto, das sogenannte Bürgerkonto, einzurichten.
Der Gesetzentwurf geht auch inhaltlich weit über die bisherigen Regelungen hinaus, vor allem hinsichtlich des Kreises der berechtigten Verbraucher, des Mindestumfangs der zu nutzenden Zahlungsdienste und bei weiteren verbraucherschützenden Regelungen.
In der Vergangenheit haben gerade die Sparkassen einen großen Teil dazu beigetragen, Menschen ohne geregeltes Einkommen den Zugang zu einem Girokonto zu verschaffen. Für dieses Engagement gilt es insbesondere den Sparkassen zu danken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Versorgungsgrad mit Girokonten ist in Deutschland zwar höher als in den meisten anderen EU-Staaten, dennoch besteht Handlungsbedarf. Noch immer haben auch in Deutschland zu viele Menschen keinen Zugang zu einem Konto. Diesen Zustand möchten wir ändern. Bargeld spielt gerade in Deutschland, im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern, im tagtäglichen Leben eine sehr wichtige Rolle. Dennoch braucht derzeit jeder ein Girokonto, um am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben partizipieren zu können.
Wer heutzutage ein Arbeitsverhältnis aufnehmen, eine Wohnung mieten, einen Vertrag mit einem Strom- oder Handyanbieter schließen oder nur über das Internet einkaufen möchte, der steht ohne ein Girokonto vor großen, teils unüberbrückbaren Hindernissen. Hinzu kommt, dass hohe Entgelte anfallen, wenn jemand nicht über ein Girokonto verfügt.
Herr Kollege Hauer, darf die Kollegin Maisch eine Zwischenfrage stellen?
Sehr gerne.
Herr Kollege Hauer, vielen Dank, dass ich diese Frage stellen kann. – Sie haben gerade sehr eindrücklich erklärt, warum ein Girokonto in Deutschland Voraussetzung für die Teilhabe am politischen Leben ist. Wie erklären Sie sich dann den Zwischenruf Ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Brinkhaus, der – ich glaube, das kann man so sagen – einer der profiliertesten Finanzpolitiker der Union ist und der sagte: „Ich bleibe dabei: Das ist der größtmögliche Blödsinn“?
(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Hört! Hört!)
Frau Kollegin Maisch, das Lob an den Kollegen Brinkhaus teile ich voll und ganz. Dennoch geben Sie seine Äußerung hier falsch wieder. Schauen Sie sich einmal an, was die Union bereits vor Jahren, beispielsweise 2012, gemeinsam mit der FDP beantragt hat, übrigens bevor diese Richtlinie erlassen worden ist: „Rechtssicherheit beim Zugang zu einem Basiskonto schaffen“. Bereits in diesem Antrag sind die Punkte, die wir auch heute behandeln, festgeschrieben. Insofern sollten Sie genau darauf achten, was der Kollege Brinkhaus dazwischenruft. Das kann erhellend wirken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Frau Maisch kann sich auch mit mir austauschen, sie kann das auch bilateral klären!)
Ich war bei den Entgelten stehen geblieben. Bareinzahlungen und Barüberweisungen sind bei den meisten Kreditinstituten mit hohen Kosten verbunden. Wer, vielleicht weil er obdachlos ist, über kein Girokonto verfügt, der muss derzeit noch hohe Entgelte leisten. Auch das wollen wir mit der Einführung des Zugangs zu einem Basiskonto ändern.
Um die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben in Deutschland zu ermöglichen, soll das Basiskonto alle wesentlichen Funktionen des modernen Zahlungsverkehrs umfassen. Dazu gehören Bareinzahlungen, Barauszahlungen, Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen. Von diesem Gesetz profitieren aber nicht nur diejenigen, die bislang keinen Zugang zu einem Girokonto haben, sondern alle Bankkundinnen und Bankkunden. Die Vergleichbarkeit und Transparenz von Kontoentgelten werden erhöht, und der Girokontowechsel zu einer anderen Bank wird vereinfacht. Wir versetzen Verbraucher damit in die Lage, EU-weit das am besten für sie geeignete Girokonto auszuwählen. Zahlungsdienstleister müssen Verbraucher sowohl vor Vertragsabschluss als auch während der Vertragslaufzeit über die Entgelte informieren, die für das Girokonto anfallen. Die Entgeltinformation muss so gestaltet sein, dass sie klar und leicht verständlich ist.
Wir sorgen dazu dafür, dass Verbraucher auf zertifizierten Internetseiten kostenlos und transparent Bankentgelte vergleichen können. Dadurch kann der Verbraucher sachgerecht beurteilen, bei welchem Institut er ein Girokonto beantragen möchte. Auf diesen Vergleichswebsites muss der Vergleich mindestens anhand der gesetzlich bestimmten Kriterien erfolgen: Das sind Entgelte, Filialnetz, Geldautomatennetz und Sollzinssatz für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten. Darüber hinaus gibt es weitere gesetzliche Bestimmungen für diese Internetseiten: Sie müssen zum Beispiel unabhängig betrieben werden, eine leicht verständliche und eindeutige Sprache verwenden sowie korrekte und aktuell gehaltene Informationen bereitstellen. Damit auch ein länderübergreifender Vergleich von Angeboten gelingen kann, wird EU-weit eine standardisierte Bezeichnung für die mit dem Girokonto verbundenen wesentlichen Dienste eingeführt.
Zudem wollen wir den Wechsel eines Girokontos weitgehend von Bürokratie befreien und ein klares, schnelles und sicheres Verfahren dafür bieten. In Zukunft müssen die Banken und Sparkassen einem Verbraucher Kontenwechselhilfe anbieten, wenn er mit einem Girokonto zu einem anderen Institut umziehen möchte. Wir sorgen mit dem einfachen Kontenwechsel dafür, dass der einzelne Verbraucher flexibler die auf ihn zugeschnittenen Angebote auf dem Markt nutzen kann. Der Kontowechsel wird einfacherer möglich sein, weil Informationen, wie zum Beispiel über Daueraufträge und Lastschriften, unbürokratisch übermittelt werden. Das gilt nicht nur für den innerstaatlichen, sondern auch für den grenzüberschreitenden Kontenwechsel. Dabei wird das Entgelt begrenzt, das durch den Kontenwechsel anfällt. Es muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
Abschließend ist festzustellen: Rechtsanspruch auf ein Basiskonto, mehr Vergleichbarkeit und Transparenz bei den Kontoentgelten und einfacherer Wechsel des Girokontos – mit dem Zahlungskontengesetz stärken wir die Rechte aller Verbraucherinnen und Verbraucher.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Karawanskij das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6423664 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten |