Sarah RyglewskiSPD - Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Loriot hat einmal gesagt:
Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In Bezug auf das Girokonto ist es genau umgekehrt. Ein Leben ohne Konto hat sicherlich trotzdem einen Sinn, ist heutzutage aber fast unmöglich. Denn wie sieht ein Leben ohne Girokonto heute aus?
Stellen wir uns einmal vor, wie unser potenzieller Arbeitgeber reagieren würde, wenn wir ihm nach einem bis dahin möglicherweise sehr positiv verlaufenen Vorstellungsgespräch mitteilten, dass er uns unser Gehalt in einer Lohntüte überreichen soll, oder die Reaktion des Vermieters, dem wir sagen, dass wir ihn jeden Monat persönlich besuchen werden, um die Miete vorbeizubringen.
Möglicherweise hat man einen sehr sympathischen Arbeitgeber oder einen netten Vermieter, und das lässt sich alles regeln. Trotzdem ist es eine höchst beschämende Situation für den Betroffenen oder die Betroffene.
(Beifall bei der SPD)
Auch bei weiteren regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen wird es sehr schwierig – sei es die Strom- oder Handyrechnung oder auch die Krankenversicherung. Möglicherweise lassen sich immer individuelle Lösungen finden. Das Ganze ist aber mit einem sehr hohen Aufwand, sowohl organisatorisch als auch finanziell, verbunden. So sind die Gebühren für Bareinzahlungen so hoch, dass sie unter Umständen sogar den einzuzahlenden Betrag übersteigen, und zum Telefonieren bleiben nur die teuren Prepaidtarife.
Ein Leben ohne Konto ist also nicht nur fast unmöglich, sondern auch noch sehr, sehr teuer und beschneidet die Möglichkeiten von Menschen, die in der Regel ohnehin mit sehr wenig Geld auskommen müssen, weiter.
Diese Situation ist leider keine Seltenheit. Wir haben in dieser Debatte schon oft gehört, dass bis zu 1 Million Menschen betroffen sind. Diese Zahl höre ich allerdings schon seit Jahren. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen können wir davon ausgehen, dass sie in den letzten Monaten deutlich gestiegen ist. Die Gründe dafür sind vielfältig: negative Schufa, Überschuldung, fehlende Ausweisdokumente oder schlicht die falsche Staatsbürgerschaft.
Vor dieser Situation stehen wir trotz der seit mehr als 20 Jahren bestehenden Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft. Diese sollte – daran möchte ich erinnern – gerade für diesen Personenkreis sicherstellen, dass er endlich ein Konto bekommt. Diese Selbstverpflichtung hat nicht funktioniert. Das können wir so feststellen. Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass die Kreditwirtschaft nur bedingt freiwillig zu dieser Selbstverpflichtung gekommen ist; denn schon 1995 war der Handlungsdruck so groß, dass die damalige Bundesregierung über ein entsprechendes Gesetz nachgedacht hat. Dieses Gesetz konnte die Kreditwirtschaft nur dadurch abwenden, dass sie die Selbstverpflichtung eingegangen ist.
Umso bedauerlicher ist es, dass es erst einer EU-Richtlinie bedurfte, damit wir hier in Deutschland endlich zu einer gesetzlichen Regelung kommen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir hätten das schon früher haben können.
Meine Partei war da auch relativ klar. Ich erinnere mich noch gut an Debatten, die ich in der Bremischen Bürgerschaft geführt habe. Dort wurde mir von meinem CDU-Kollegen vorgeworfen, ich würde vom Pult aus sozialistisches Gewäsch verbreiten.
(Ulli Nissen [SPD]: Was? Das hat er gesagt? Ungeheuerlich! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: In der Bürgerschaft wird so gesprochen! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Finanzminister war aber nicht so klar!)
– Ich will jetzt nicht die Kolleginnen und Kollegen hier im Bundestag für Äußerungen ihrer Kollegen in einem Landesparlament verantwortlich machen,
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen die umgekehrt auch!)
aber das war der Tenor.
Heute sind wir hier glücklicherweise im Jahr 2016. Deswegen sollten wir nach vorne schauen und dafür sorgen, dass das, was lange währt, am Ende auch endlich gut wird.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen möchte ich mich bei den beteiligten Bundesministerien ganz herzlich für den guten Gesetzentwurf bedanken. Wir schaffen damit endlich die Grundlage, dass jeder in Deutschland ein Konto eröffnen und am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.
Damit das Basiskonto ein voller Erfolg wird, bedarf es jedoch eines klaren Rahmens. Darauf haben meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits hingewiesen.
Neben der Frage, wie teuer das Konto sein darf, ist mir dabei insbesondere wichtig, dass wir darüber reden, welche Funktionen das Konto hat und aus welchen Gründen die Eröffnung eines Basiskontos abgelehnt werden darf. Hier mahnen die Erfahrungen mit dem Pfändungsschutzkonto. Die Versuchung ist für Banken doch sehr groß, die Funktionen des Kontos so zu gestalten, dass das Konto sehr unattraktiv wird für die unbeliebte Kundschaft. So gibt es ein Girokonto ohne Onlinebanking, bei dem der Verbraucher darauf angewiesen ist, statt von zu Hause Überweisungen zu tätigen, persönlich zur Bank zu gehen und dort für jede Überweisung auch noch eine hohe Gebühr zu bezahlen. Ich glaube, dass das neben der Frage der Höhe der Kontoführungsgebühren, bei der wir auch noch etwas präziser werden können, die zweite große Gefahr ist; denn wir wollen ja schließlich, dass möglichst viele Menschen vom neuen Basiskonto profitieren.
(Beifall bei der SPD)
Hinsichtlich der Gründe, aus denen ein Konto verweigert werden darf, ist der Gesetzentwurf schon sehr präzise. Insbesondere ist es sehr gut, dass wir einen abschließenden Katalog von Ablehnungsgründen haben. Da gibt es also kein Drumherumgemogel. Besonders gut finde ich, dass auch die Antragstellung dokumentiert werden soll und dass wir eine Frist zur Eröffnung haben, sodass es da eigentlich keine Ausreden geben sollte.
(Beifall bei der SPD)
Doch auch hier gibt es leider negative Erfahrungen mit dem Pfändungsschutzkonto, mit der Selbstverpflichtung der Banken und leider auch mit den Sparkassen. Oft ist es nämlich so, dass es gar nicht zu einer dokumentierten Antragsstellung kommt, sondern Kundinnen und Kunden unter Umständen schon am Schalter abgewiesen werden, wenn sie nach einem solchen Konto fragen. Das ist natürlich ein Sachverhalt, der dann später schwer zu klären ist und bei dem es mit der Nachweispflicht schwierig wird. Hierauf müssen wir auf jeden Fall ein Auge haben. Hier sollten wir uns auch sensibel bei den Verbraucherzentralen und den Schuldnerberatungen umhören, damit das nicht durch die Hintertür zum Regelfall wird.
(Beifall bei der SPD)
Wir als SPD-Fraktion wollen also ein Basiskonto ohne Schlupflöcher und ohne Ausweichmöglichkeiten verabschieden, damit am Ende des Gesetzgebungsprozesses das Recht auf ein Girokonto keinem Menschen in Deutschland mehr aus rein geschäftlichen Erwägungen verweigert werden kann. Doch mit dem Zahlungskontengesetz verbessern wir nicht nur die Situation von bisher Kontolosen. Wir schaffen auch mehr Fairness und Transparenz für alle Bankkunden. Bisher ist es meist sehr schwierig, Angebote von Banken miteinander zu vergleichen. Gebühren werden im Kleingedruckten oder irgendwo in den hintersten Ecken einer Website versteckt und sind schwer zu durchblicken. Wir erinnern uns an die Diskussion um die Dispozinsen. Bisher war es ja gang und gäbe, dass man die Höhe der Dispozinsen nur in einem kleinen Bilderrahmen aufgehängt in seiner Bankfiliale finden konnte. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen künftig offen und regelmäßig über Kosten und Entgelte informiert werden. Nur wenn ich Entgelte nachvollziehen kann, kann ich zwischen verschiedenen Kreditinstituten vergleichen und beurteilen, welches Konto zu mir passt.
(Beifall bei der SPD)
Aber selbst wenn dies gegeben ist, ist es sehr schwierig, sich im Dickicht der verschiedenen Gebühren und Angebote zurechtzufinden. Hier versprechen Vergleichswebsites oder Vergleichsportale Abhilfe. Doch diese sind nicht immer verlässlich und nur selten objektiv; denn schließlich ist das Geschäftsmodell der Portale, dass sie über die Abschlüsse ihr Geld verdienen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich also nicht sicher sein, ob ihnen das günstigste Kontoangebot angezeigt wird oder doch nur das, welches die höchste Provision für den Portalbetreiber verspricht. Deshalb brauchen wir hier eine klare Regulierung und eine gute Zertifizierung.
(Beifall bei der SPD)
Doch auch die beste Vergleichsplattform nützt nichts, wenn der Kontowechsel weiterhin mit demselben hohen Aufwand verbunden ist wie bisher. Wer das einmal versucht und durchgemacht hat, der weiß, dass es leichter ist, seinen kompletten Hausstand von einer Wohnung in die nächste zu bringen, als das Konto zu wechseln. Damit kann man gut und gerne ein halbes Jahr beschäftigt sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen begrüßen wir es sehr, dass die Banken nach dem Zahlungskontengesetz ihre Kunden künftig beim Wechsel des Kontos unterstützen müssen. Nur so ist eine ununterbrochene Kontoverbindung sichergestellt. Nur so gibt es keine Scherereien. Nur so bekommen wir endlich einen echten Wettbewerb bei den Girokonten für Privatkunden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf ist gut.
(Beifall bei der SPD)
Das wäre eigentlich ein schöner Schlusssatz, Frau Ryglewski.
Es kommt ein letzter Satz. – Er bedeutet eine echte Stärkung von Verbraucherrechten am Finanzmarkt. Jetzt müssen wir an die Details, damit aus einem guten Gesetzentwurf ein noch besserer wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort erhält der Kollege Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6423720 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bankkonten |