15.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 18

Hermann FärberCDU/CSU - Pestizide

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich teile die Ansicht meines Vorredners definitiv nicht.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ups! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mich jetzt aber erstaunt!)

Sehr geehrter Herr Hofreiter, ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich Ihnen zugehört habe. Ihnen dürfte in Sachen Verbraucherschutz schon bekannt sein, dass in Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung auf Bundesebene Ihre Fachministerin eine Genehmigung für Importlebensmittel unterzeichnet hat, die 300-mal höhere Rückstände an Pestiziden aufweisen, als es in Deutschland zulässig ist. Ich wollte Ihnen das nur sagen. Vielleicht haben Sie das ja aus den Augen verloren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Färber, mich würde interessieren, was jetzt irgendeinem Verbraucher in irgendeinem Land heute nützt, das, was vor 10, 15 Jahren war!)

– Weiter möchte ich auf Ihre Rede jetzt nicht eingehen. Das, was Sie gesagt haben, spricht für sich. Sie haben aber natürlich wie auch ich das Recht, sich hier zu äußern.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen macht eines ganz deutlich: Chemische Pflanzenschutzmittel sind heute so gut und so erfolgreich, dass sich niemand mehr vorstellen kann, wie das Leben war, als es diese Mittel noch nicht gegeben hat. Ein solcher Antrag wäre völlig undenkbar, wenn heute noch die Erinnerung daran lebendig wäre, wie früher ganze Landstriche dem Hunger ausgeliefert waren, nur weil ein Pilz oder ein anderer Pflanzenschädling die komplette Nahrungsgrundlage zerstört hat, wie es in früheren Zeiten in Irland mit der Kartoffelfäule geschehen ist.

Fakt ist: Die heutige Sicherheit und Qualität unserer Nahrungsmittelversorgung, die uns so selbstverständlich erscheinen, sind ohne chemische Pflanzenschutzmittel definitiv nicht zu erreichen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh!)

Das muss an dieser Stelle einfach gesagt werden. Es gibt auch heute Schädlinge, die letztendlich nur mit chemischen Mitteln bekämpft werden können. Ein Beispiel dafür ist die Kirschessigfliege, die im letzten Jahr zu massiven Schäden im Obst- und Weinbau geführt hat. Zur Bekämpfung dieses Schädlings schreibt der BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein auf seiner Webseite:

Biologische Schädlingsbekämpfungsmittel werden erforscht, sind aber noch längst nicht praxisreif.

Es gibt hier, wie in vielen anderen Fällen auch, eben keine wirksame Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln.

Ich stelle aber positiv fest: In dem Antrag der Grünen kommt der Begriff „Forschung“ zumindest noch vor.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn Sie die zahlreichen Bemühungen dieser Bundesregierung dazu zur Kenntnis genommen hätten. Ich erwähne hier nur die Förderung von Demonstrationsbetrieben für den inte­grierten Pflanzenschutz, die Resistenzforschung und die Forschung an vorbeugenden und nichtchemischen Pflanzenschutzmaßnahmen. Dafür haben wir auch die notwendigen Mittel im Bundeshaushalt eingestellt; denn wir wollen den Landwirten Lösungen anbieten, die wirklich praxistauglich sind. Ich bin davon überzeugt: Das ist der bessere Weg zu noch gesünderem und umweltverträglicherem Pflanzenschutz als eine pauschale Verunglimpfung.

Im Antrag der Grünen wird es so dargestellt, als sei ein Verzicht auf diese Mittel in jedem Fall und ohne jede Ausnahme besser und gesünder als ihre Anwendung. Genau das ist eben falsch. Was vielen Verbrauchern nicht bewusst ist: Jedes pflanzliche Lebensmittel enthält auch natürliche Pestizide, die von den Pflanzen selbst hergestellt werden. Der amerikanische Biochemiker Bruce Ames ist bei seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass 99,99 Prozent der in Lebensmitteln enthaltenen schädlichen Stoffe solch einen natürlichen Ursprung haben. Nur 0,01 Prozent kommen aus künstlichen Quellen.

Erst kürzlich hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in 56 Prozent aller untersuchten Honigproben Alkaloide gefunden, die für den Menschen giftig sind. Ihnen von den Grünen war das aber keine Warnung wert. Ich gehe davon aus, dass der Grund dafür ist, dass die Quelle dieser Alkaloide eben kein Industrieunternehmen ist, das man an den Pranger stellen kann. Man kann es nicht einmal dem Freihandelsabkommen zuordnen, sondern es handelt sich um in der Natur wachsende Pflanzen wie etwa das Jakobskreuzkraut. Dadurch wird ganz klar: Auch der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel kann die Gesundheitsgefahren erhöhen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das statistisch belegen, Herr Färber? Es gibt keine Statistik, die das beweist!)

Beispielsweise ist Getreide oft von Pilzerregern befallen, die dann ihrerseits wieder Mykotoxine ausscheiden. Diese Mykotoxine sind gesundheitlich sehr bedenklich. Ohne den Einsatz beispielsweise von Fungiziden würde diesen pflanzlichen Parasiten und damit auch der Bildung ihrer giftigen Stoffe nicht Einhalt geboten werden können.

Für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gibt es also sehr gute Gründe. Vor- und Nachteile müssen natürlich in jedem Einzelfall sorgsam abgewogen werden. Das ist die korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips. Genau diese Abwägung aber findet offensichtlich bei den Grünen schlichtweg nicht mehr statt. Das ist ebenso unwissenschaftlich wie unrealistisch und auch unverantwortlich.

Selbstverständlich müssen Pflanzenschutzmittel ausreichend reguliert werden. Das werden sie aber heute schon. Wir haben in Deutschland und in Europa eines der strengsten Regulierungssysteme der Welt. Es beruht auf mehreren Säulen: auf einem wissenschaftlich basierten Zulassungssystem für einzelne Wirkstoffe und Mittel, einem Sachkundenachweis für die Landwirte, welche die Mittel anwenden, sowie auf Kontrollen über die sachgerechte Anwendung. In Deutschland gibt es genaue Anwendungsbestimmungen, wie viel von einem Mittel in welchem Zeitraum mit welcher Ausbringungstechnik und mit wie viel Abstand zum Waldrand und zu Gewässern ausgebracht werden darf. Diese hohen Standards sind uns von der Union sehr wichtig. Ebenso wichtig ist uns die wissenschaftliche Basis des Zulassungsprozesses.

In diesem Zusammenhang will ich, auch wenn es Sie verwundert, Frau Renate Künast ausdrücklich loben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wundert uns gar nicht! Dazu gibt es Anlass!)

Frau Künast ist heute – ich sehe sie nicht – leider nicht da.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der jetzige Landwirtschaftsminister ist auch nicht da!)

Wir haben sicherlich inhaltlich eine Reihe von Differenzen; aber die Gründung des Bundesinstituts für Risikobewertung war eine völlig richtige und sehr gute Entscheidung von Frau Künast.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr wart doch dagegen! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union war damals dagegen!)

Das BfR ist heute für seine Bewertungspraxis und seine fachliche Arbeit international hoch anerkannt. Dafür bedanke ich mich auch bei den Mitarbeitern dieses Instituts.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist aber völlig inakzeptabel, wenn diese Mitarbeiter massivem Druck politischer Kampagnen ausgesetzt werden.

Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln sind in Europa klar und streng geregelt. Jeder Hersteller, der ein Mittel auf den Markt bringen will, benötigt zuerst eine Zulassung des Wirkstoffs auf europäischer Ebene, die dann nach zehn Jahren automatisch ausläuft und neu beantragt werden muss. Der Hersteller muss die Unschädlichkeit des Produkts für Umwelt und Gesundheit nachweisen. Dazu müssen die Hersteller den staatlichen Bewertungsbehörden aufwendige Studien vorlegen. Es gibt die international festgelegten Standards guter Laborpraxis. Dadurch ist sichergestellt, dass diese Studien zu korrekten und nachprüfbaren Ergebnissen führen. Diese Studien werden dann von den staatlichen Bewertungsbehörden überprüft. Dieser Prozess läuft gerade bei Glyphosat.

Da bei dieser Zulassung auf europäischer Ebene nur der reine Wirkstoff überprüft und zugelassen wird, ist es völlig richtig, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung als Berichterstatter für die Europäische Union eben nur solche Studien verwenden kann, die sich ausschließlich mit diesem Wirkstoff befassen, nicht aber mit kompletten Mischungen oder Beistoffen; denn die kompletten Mischungen, mit allen Zusatzstoffen und Beistoffen, werden anschließend in einem zweiten Schritt auf nationaler Ebene geprüft und zugelassen. Wer dieses Verfahren des BfR kritisiert, der hat entweder schlicht und ergreifend den Prozess der Zulassung nicht verstanden oder – naheliegender – will ihn einfach nicht verstehen.

Wir halten auf jeden Fall an verlässlichen wissenschaftlichen Standards fest. Sie sind die Basis sowohl für korrekte Zulassungsverfahren als auch für korrekte Verbraucherinformation. Wir von der Union wollen wissenschaftsbasierte und rechtssichere Zulassungsverfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels muss auch in Zukunft allein von der wissenschaftlich nachgewiesenen Unschädlichkeit für Umwelt, Anwender und Verbraucher abhängen. Nur wenn auch für die Hersteller diese Rechtssicherheit besteht, werden sie weiter in Forschung und Entwicklung investieren, um noch zielgenauere und noch umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln. Das liegt im Interesse von uns allen.

Pflanzenschutz ist für die Ernährung von 7 Milliarden Menschen auf dieser Erde unverzichtbar. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion arbeiten weiter an konkreten Lösungen für konkrete Probleme. Aber ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass wir uns nicht an Stimmungsmache und entsprechenden Kampagnen beteiligen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Kollegin Karin Binder hat nun das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6423846
Wahlperiode 18
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Pestizide
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