Rita Hagl-KehlSPD - Pestizide
Danke schön. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen haben für ihren Antrag einen Titel gewählt, zu dem man schwer Nein sagen kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])
– Nicht zu voreilig klatschen. – Ich bin mir sicher, dass wir uns alle in unserer politischen Arbeit dafür einsetzen, Mensch und Umwelt zu schützen. Wie man das tut und ob die Herangehensweise dieses Antrages die richtige ist, ist eine andere Frage.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zunächst möchte ich auf die Schwerpunkte der sozialdemokratischen Agrarpolitik eingehen, die ich schon mehrmals im Plenum und im Ausschuss deutlich gemacht habe. Für uns steht der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher an erster Stelle. Wir wollen eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft, die auch ressourcenschonend ist.
(Beifall bei der SPD)
Die Beachtung der Gesundheit von Menschen und Tieren sowie die Folgen für die Umwelt sind für uns ein wichtiger Punkt. Wir wollen die Produktion von gesunden, qualitativ hochwertigen und auch wettbewerbsfähigen Lebensmitteln. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, nachhaltiger Schutz der Gesundheit und die Fruchtbarkeit unserer Böden sind ausschlaggebende Gründe dafür, dass wir uns sehr eingehend mit diesem Thema beschäftigt haben.
Jetzt von der Theorie zur Wirklichkeit: Derzeit haben wir in Deutschland trotz rechtlicher Vorgaben und hoffentlich artgerechter Anwendung von Pflanzenschutzmitteln überschrittene Rückstandshöchstgehalte in Gewässern und Lebensmitteln sowie Schäden an Bienen und Wirbeltieren. Der intensive Einsatz von Pestiziden bewirkt eine anhaltende Abnahme der biologischen Vielfalt; auf diesen Punkt wird mein Kollege Carsten Träger noch näher eingehen. Wir wissen deshalb, dass eine Reduktion dringend nötig ist, aber nicht ein allgemeiner Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Warum? Ziel eines Pflanzenschutzmittels ist – das sagt schon die Bezeichnung – der Schutz einer Pflanze oder eines pflanzlichen Produkts vor Risiken und Gefahren durch andere Organismen. Wenn die Anwendung richtig erfolgt, dann haben wir einen Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren sowie einen Schutz des Naturhaushalts. Das Problem ist oft die Anwendung.
Welche Folgen hätte aber ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel grundsätzlich? Da muss ich dem Kollegen Färber ausnahmsweise recht geben
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Betonung liegt auf „ausnahmsweise“!)
– wie Sie wissen, mache ich so etwas selten –: Wir würden damit befördern, dass noch mehr Produkte aus dem Ausland zu uns kommen, also nicht erst mit TTIP, wie Herr Hofreiter vorhin meinte. Wir haben bereits viele Importe von Lebensmitteln und insbesondere von Futtermitteln zu verzeichnen. Man darf nicht vergessen, dass Pflanzenschutzmittel nicht nur in den USA, sondern insbesondere auch in Südamerika in sehr starkem Maße eingesetzt werden, um genmanipulierte Pflanzen zu schützen. Bei uns sterben die Pflanzen, wenn sie zum Beispiel mit Glyphosat besprüht werden. Bei genmanipulierten Pflanzen ist das aber nicht der Fall. Pflanzenschutzmittel werden aber in Südamerika in sehr viel stärkerem Maße angewendet. Damit steigt auch die Schadstoffbelastung. Natürlich weisen die dort produzierten Lebensmittel eine sehr viel höhere Konzentration auf, weil die Pflanzenschutzmittel direkt auf die Pflanzen angewendet werden.
Vor kurzem haben einige Kollegen und ich ein Gespräch mit einem argentinischen Arzt geführt. Er hat dargestellt, wie extrem gerade in Argentinien zum Beispiel Soja mit Glyphosat besprüht wird. Glyphosat wird dort nicht von den Landwirten mit entsprechenden Maschinen auf leere Flächen aufgebracht, wie das bei uns der Fall wäre, sondern teilweise per Flugzeug verteilt, egal ob ein Dorf vorhanden ist oder nicht. Wenn wir aus solchen Ländern Lebensmittel importieren, dann verlagern wir die Entscheidung über die Gesundheitsgefahr zu einem großen Teil in Länder, in denen die Menschen zum Teil sehr viel ärmer sind als wir. Wir bringen diesen Menschen damit noch mehr Krebsgefahr ins Land.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen nun Schritte, um die genannten Probleme zu lösen. Die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen vorangetrieben werden. Hier erleben wir momentan Stillstand. Wir brauchen einen verantwortungsbewussten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch die Landwirte. Hier muss Qualität vor Quantität gehen.
(Beifall bei der SPD)
Das fördert auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Ausrichtung der Wissenschaft und der Beratung auf eine nachhaltige Landwirtschaft ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dafür mehr Fördermittel im Haushalt 2017 bekommen.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen die Beschränkung des überflüssigen Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Wenn zum Beispiel Glyphosat zur Sikkation verwendet wird – das ist noch immer möglich, wenn auch nur ausnahmsweise –, dann ist es im Getreide und geht so in den Organismus des Menschen über. Wir brauchen des Weiteren eine Stärkung der gezielten Erforschung sicherer Alternativen und – das ist mir ein besonderes Anliegen – die Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen in Deutschland, für die ein Anwendungsverbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln gilt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Glyphosat wurde als Beispiel schon genannt. Es ist aber leider nicht so einfach, seine Anwendung in Deutschland zu verbieten, wenn es in der EU erlaubt ist. Was wir machen können – damit habe ich mich in den letzten Wochen eingehend befasst –, ist, die Anwendung von Glyphosat in Haus- und Kleingärten sowie im kommunalen Bereich zu verbieten. Trotz Zulassung auf EU-Ebene besteht nach Artikel 31 Absatz 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung die Möglichkeit, auf nationaler Ebene festzulegen, in welchen nichtlandwirtschaftlichen Bereichen Pflanzenschutzmittel verwendet werden dürfen. Wir alle wissen, dass Haus- und Kleingärtner Pflanzenschutzmittel nicht immer verantwortungsvoll einsetzen.
Auch eine Beschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Nähe von Orten, wo sich Kinder aufhalten, wo sie spielen, ist möglich. Da wollen wir sie auf keinen Fall. Hier gibt uns zwar nicht die Pflanzenschutzmittelverordnung, aber die Rahmenrichtlinie die Möglichkeit, dass wir ein Verbot verhängen oder zumindest die Minimierung des Einsatzes beschließen. Diese Orte sind auch in der Rahmenrichtlinie genannt. Es sind öffentliche Parks, Gärten, Sport- und Freizeitstätten, Schulgelände und Kinderspielplätze.
Für uns steht die Pflanzenschutzmittelreduktion als ein wichtiges Anliegen im Mittelpunkt. Leider geht der Antrag der Grünen in diesem Punkt meiner Fraktion etwas zu weit, weshalb wir ihm leider nicht zustimmen können.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Etwas zu weit“!)
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Ingrid Pahlmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6423921 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Pestizide |