Ingrid PahlmannCDU/CSU - Pestizide
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich spreche Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion, jetzt einmal ganz besonders an: Die Wortwahl in Ihrem Antrag ist bezeichnend. Sie sprechen nur von Pestiziden und Giften, also wieder von dem Teufelszeug, das die Landwirte auf die Äcker bringen und womit sie alles töten, was ihnen in die Quere kommt.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie soll man das sonst nennen?)
Pflanzenschutzmittel sind aber nicht nur Pestizide und Gifte, Pflanzenschutzmittel schützen Pflanzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie schützen sie vor Pilzbefall, saugenden und beißenden Insekten und vor dem Überwuchern mit Beikräutern. Pflanzenschutz hat natürlich auch einen bedeutenden gesellschaftlichen Nutzen. Er sichert und erhöht die Erträge unserer Äcker. Ohne Pflanzenschutz gäbe es immense Ernteverluste.
Durch höhere Erträge können übrigens knappe Ressourcen – Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Ackerboden ist eine knappe Ressource – geschont werden. Wir alle wissen: Unsere Anbauflächen sind begrenzt und die bestehenden auch noch zunehmend gefährdet. Wir haben immer noch einen täglichen Flächenverlust von über 70 Hektar.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Unternehmen Sie doch etwas dagegen!)
Diese begrenzten Flächen müssen aber eine immer stärker wachsende Weltbevölkerung ernähren. Das wird bei aller Idylle der heilen Heidi-Welt leider nicht möglich sein. Brandenburg zum Beispiel schafft es nicht einmal, Berlin mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Höhe und die Stabilität der Flächenerträge hängen untrennbar mit einem funktionierenden Pflanzenschutz zusammen. Ohne einen flächendeckenden Pflanzenschutz stünden rund ein Drittel weniger nutzbare Erträge zur Verfügung.
Die Union will gute, sichere und bezahlbare Lebensmittel. Wir haben in Deutschland die besten und sichersten Lebensmittel. Es ist amtlich, statistisch bewiesen, dass wir die geringsten Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in unseren Nahrungsmitteln haben,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
und das Ganze bei einem für die Verbraucher niedrigen Preisniveau. Wir wollen eine nachhaltige Ertragssicherung und den Schutz der biologischen Vielfalt. Diese Ziele darf man nicht gegeneinander ausspielen. Unsere Landwirte – das sage ich Ihnen – haben das Know-how, das auch zu erreichen.
Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland unterliegt strengen Kriterien. Sie ist darüber hinaus mit präzisen Anwendungsbestimmungen verbunden. Diese dienen auch dazu, Grenzwerte für Rückstände in Gewässern und Lebensmitteln einzuhalten.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Grenzwerte – hören Sie zu! – werden regelmäßig kritisch überprüft und auch kontinuierlich angepasst. Dass in Wasserproben doch ab und zu Rückstände oberhalb oder an den Grenzwerten gefunden werden, hat verschiedene Gründe. Es liegt zum Teil an der Nichteinhaltung der Anwendungsvorschriften. Da sind wir bei Ihnen: Das muss aufgedeckt und natürlich auch geahndet werden. Zum Teil werden aber auch Rückstände alter, nicht mehr zugelassener Wirkstoffe gefunden.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umso schlimmer!)
Das lässt darauf schließen, dass die Mittel der neuen Generation eben besser abbaubar sind und die Forschung bessere Lösungen entwickelt hat.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Illegale Anwendung!)
Auch auf europäischer Ebene gelten für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bereits heute außerordentlich strenge Anforderungen. Für Anwender gilt das Prinzip, ein zugelassenes Mittel nur so viel und so häufig auszubringen, wie unbedingt nötig. Der Anspruch des integrierten Pflanzenschutzes als Leitbild ist es, zunächst die zur Verfügung stehenden pflanzenbaulichen Möglichkeiten der Vorbeugung und der Reduzierung eines Befallsrisikos auszuschöpfen und erst bei einem nicht mehr tolerierbaren Befall eine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln durchzuführen. Zur guten fachlichen Praxis gehört darüber hinaus eine intensive, regelmäßige Fortbildung im Bereich des Pflanzenschutzes.
Pflanzenschutz hat aber noch einen weiteren Aspekt: den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte im internationalen Vergleich. In der letzten Ausschusssitzung haben Sie, liebe Kollegen, den Einkommenseinbruch bei den Landwirten beklagt. Wir haben einen Rückgang des landwirtschaftlichen Realeinkommens pro Arbeitskraft um 37,6 Prozent, einen Rückgang der Milchvieh- und schweinehaltenden Betriebe um 4,2 Prozent. Wenn Ihre Antwort nun die ist, auch das Einkommen der Ackerbauern auf dieses Niveau zu senken, dann muss man Ihrem Antrag zustimmen – aber auch nur dann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein ständiges Hochschrauben der Anforderungen an die Bauern oder der Entzug wichtiger Produktionsbestandteile führt erst einmal zu höheren Kosten und zu weiteren Einbrüchen im Gewinn und damit zu einem verstärkten Strukturwandel, klar gesagt: zu einem weiteren Höfesterben. Wir müssen doch einmal anerkennen, dass die deutsche Landwirtschaft Lebensmittel auf allerhöchstem Niveau erzeugt, und das unter zum Teil deutlich schwierigeren Produktionsbedingungen als die der Konkurrenten auf den europäischen und weltweiten Märkten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD])
Die Nachfrage gerade nach hochwertigen deutschen Agrarprodukten ist weltweit hoch. Wir sind ein Exportland, und das nicht nur im industriellen Bereich. Der Export im Agrarbereich wächst. Deutsches Getreide ist gefragt, neuerdings besonders in Bereichen Asiens, die eine hohe Nachfrage nach unseren ausgezeichneten Agrarprodukten haben. Sie müssen doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Weltbevölkerung wächst und Hunger hat. Da tragen auch wir als wohlhabendes und fruchtbares Land Verantwortung. Das Absenken deutscher Erträge, das die unmittelbare Folge eines weitgehenden Verzichts des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln wäre, wäre fatal und führt in die völlig falsche Richtung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen keine gesellschaftliche Spaltung in gute und schlechte Landwirtschaft.
Konventionelle Landwirtschaft per se zu verurteilen, ist nicht der richtige Weg. Konventionell arbeitende Betriebe legen im Rahmen des Greenings Blühstreifen und Lerchenfenster an. Sie achten auf die Fruchtfolge und arbeiten mit Zwischenfruchtanbau. Das alles geschieht zum Schutz der Böden. Unsere Landwirte haben eine exzellente Ausbildung genossen, und sie gehen verantwortlich mit den Produktionsgütern Boden und Wasser um.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Fachwissen, Sachkundenachweis im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und Spritztechnik, gepaart mit Hightech der Gerätschaften und satellitengesteuerte Ausbringungsmethoden sorgen dafür, dass sorg- und sparsam mit den Mitteln umgegangen wird. Glauben Sie mir, bei den Preisen, die für Pflanzenschutz verlangt werden, überlegt sich jeder Landwirt, wann, was und wie viel er ausbringt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese hohen Standards zu erfüllen, ist durchaus auch der Anspruch der Union. Dass diese dann auch kontinuierlich überprüft und weiterentwickelt werden müssen, ist für uns ebenfalls selbstverständlich. Das muss dann allerdings auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen.
Hier leistet Forschung einen entscheidenden Beitrag. Deshalb haben wir diesen Bereich ja auch im Haushalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums gestärkt und mit insgesamt 566 Millionen Euro um 10 Prozent aufgestockt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen innovative und nachhaltige Pflanzenschutzmittel. Neben intensiver Erforschung neuer Verfahren des integrierten Pflanzenschutzes befasst sich zum Beispiel das Julius-Kühn-Institut mit der Resistenzforschung. Durch die Resistenzforschung sollen zunehmend moderne Züchtungsverfahren geschaffen werden, die polygen resistente Pflanzen züchten, deren Resistenzmechanismen von Schadstofforganismen nur schwer umgangen werden können. Um Pflanzenschutzmittel, auch biologische, für den integrierten Pflanzenschutz und den ökologischen Landbau langfristig zu sichern, sind funktionierende und wirksame Resistenzstrategien notwendig; da sind wir uns einig. Aber auch damit befasst sich die Ressortforschung des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Zudem werden weiterhin moderne Pflanzenschutzgeräte und Technologien sowie Prognosemodelle und andere Entscheidungshilfen entwickelt und weiterentwickelt. Innovative Verfahren tragen dazu bei, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu beschränken und Risiken zu reduzieren.
Wichtig in Bezug auf Forschung ist immer auch die Anwendung in der Praxis. Darum ist das Modellvorhaben „Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz“ so wichtig. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden neue Schlussfolgerungen für den integrierten Pflanzenschutz gezogen, insbesondere zur Anwendung und Weiterentwicklung der Leitlinien und zu entsprechenden Maßnahmen, die der Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis dienen.
Aber darüber hinaus werden natürlich noch weitere Maßnahmen ergriffen: Die Bewertung von Mehrfachrückständen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln soll künftig vorausschauend bei der Festsetzung von Rückstandshöchstmengen und bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Berücksichtigung finden. Ich hoffe, dass die Konzepte, die hierzu derzeit entwickelt werden, bald vorliegen. Im Nationalen Aktionsplan wurde festgelegt, auch ein Kleingewässermonitoring für Pflanzenschutzmittel zu entwickeln. Die Umsetzung erfolgt derzeit durch das Umweltbundesamt. – Das sind nur zwei kleine Beispiele von vielen.
Die bisherigen Ergebnisse aus dem Aktionsplan sind mit Blick sowohl auf Lebensmittel als auch auf den Naturhaushalt positiv. Die wichtigsten Ziele wie zum Beispiel 20 Prozent Risikoreduktion für den Naturhaushalt bis 2018 und 30 Prozent bis 2023 werden wir wohl erreichen. Die Landwirte jedenfalls sind bereit, an lösungsorientierten Herangehensweisen mitzuarbeiten, die zu einer weiteren Vermeidung und Verringerung von Pflanzenschutzmittelrückständen in der Umwelt beitragen.
Meine Damen und Herren, gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ein hohes und in diesen Tagen sehr fragiles Gut. Das haben die Debatten in dieser Woche zu ganz unterschiedlichen Themen immer wieder gezeigt. Die Stimmung in unserem Land ist aufgeheizt und vielfach durch Verunsicherungen geprägt. Ich finde, auch hier tragen wir Verantwortung.
Schwarz-Weiß-Denken ist nicht der richtige Ansatz für einen sachorientierten gesellschaftlichen Diskurs. Ich fordere Sie daher auf, sich zwar immer wieder konstruktiv kritisch gemeinsam mit uns für gesunde Lebensmittel und Lebensräume einzusetzen, aber die Spaltung in gute und böse Landwirtschaft, schwarz und weiß endlich zu beenden. Stattdessen sollten wir alle gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, dass die Akzeptanz für die Produkte verantwortungsvoll arbeitender Landwirte auch durch gutinformierte Verbraucher gestärkt wird. Mit Ihren pauschalen Diffamierungen
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn ganz konkret, Frau Kollegin?)
erweisen Sie nicht nur den Landwirten, sondern auch den Verbrauchern einen Bärendienst.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6423928 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Pestizide |