Thomas MahlbergCDU/CSU - Pestizide
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hofreiter, ich muss sagen: Sie sind wirklich sehr konsequent gewesen. Sie haben genau das getan, was man von Ihnen erwartet hat. Sie wollen den Markenkern, den Sie für Ihre Partei entwickeln, Angstpolitik zu machen und Panik zu verbreiten, auch mit diesem Antrag heute umsetzen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist Ihnen nicht gelungen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie sind unbelehrbar!)
Sie haben in Ihrer Rede angesprochen, wie es in den einzelnen Bundesländern aussieht. Sie haben die Bundesländer wegen der Kontrollen gelobt. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir gestern über den Ticker eine Meldung aus Mecklenburg-Vorpommern zu Ihrem Lieblingsthema Glyphosat erhalten haben:
Ministerium: Keine Glyphosatrückstände in Lebensmitteln aus MV
... in keiner der 135 Proben eine Überschreitung des Grenzwertes nachgewiesen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Grenzwerte! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie die Studie!)
Untersucht wurden den Angaben zufolge frisches Obst wie Äpfel ...
Und so weiter. Das sind genau die Äpfel, die Sie eben angesprochen haben.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwischen Grenzwerten und nichts drin ist ein Unterschied! Kennen Sie den?)
Ich frage Sie: Was für Geschichten erzählen Sie eigentlich hier im Parlament?
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie unsere Studie?)
Das ist genau der Punkt. Wir sprechen über Grenzwerte, die natürlich sinnvoll sind und zur Sicherung unserer Bevölkerung festgelegt werden, und Sie sagen: Wenn man etwas findet, dann ist das per se schlecht und muss raus.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso sind sie dann um den Faktor 100 erhöht worden?)
Gut ist, Herr Hofreiter, dass nicht nur wir erkennen, was Sie hier machen, sondern mittlerweile auch andere Leute Ihnen auf die Schliche kommen, auch die Leute, die das, was Sie machen, transportieren sollen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
So hat zum Beispiel Der Tagesspiegel im September letzten Jahres einen Kommentar mit der Überschrift „Glyphosat: Wie groß ist die Gefahr?“ veröffentlicht. Im Teaser kann man lesen:
Glyphosat in der Muttermilch? Eine höchst zweifelhafte Annahme. Bei der Bewertung von Pestiziden sollte Sachlichkeit der Maßstab sein.
Herr Hofreiter, es geht um Sachlichkeit. Dieser Kommentar bezieht sich auf eine – das kann man nur in ganz dicken Anführungszeichen sagen – „Studie“, die im Auftrag Ihrer Fraktion, der Fraktion der Grünen, bei stillenden Müttern durchgeführt wurde.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Untersuchung!)
Sich auf die Ergebnisse dieser Studie stützend, rief Ihre Kollegin Bärbel Höhn – sie sitzt ja da; sie ist eine sehr geschätzte Kollegin; wir waren früher ja zusammen im Landtag von Nordrhein-Westfalen – der Bundesregierung zu:
Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Verkehr ziehen.
Was können wir in dem Artikel weiter lesen? Ich zitiere das einmal:
Aber die Grünen verschwiegen nicht nur, dass die gefundenen Glyphosat-Mengen weit unterhalb der Schadensschwelle lagen. Schlimmer noch, das verwendete Testverfahren war gar nicht für Muttermilch geeignet, die Ergebnisse daher unbrauchbar.
Deshalb kann ich nur sagen, im Klartext: Das war großer Murks, was Sie da veranstaltet haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kollege Mahlberg, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Höhn?
Natürlich.
Herr Kollege Mahlberg, Glyphosat ist seit langer Zeit auf dem Markt. Es braucht eine gewisse Zeit, um Testverfahren zu evaluieren. Warum hat die Bundesregierung mittlerweile nicht dafür gesorgt, dass wir evaluierte Testverfahren haben, auch für Milch? Auch wir Grüne müssen diese Tests machen, um die Bundesregierung dazu zu treiben, endlich dafür zu sorgen, dass diese Tests gemacht werden und die Tests evaluiert sind, sodass wir diese Diskussion nicht mehr führen müssen. Warum? Wir machen auf ein Problem aufmerksam, aber Sie verhindern die Lösung, die wir brauchen, um hier objektive Fakten auf den Tisch legen zu können. Deshalb: Handeln Sie endlich im Interesse der Verbraucher, und reden Sie hier nicht so rum.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Frau Kollegin Höhn, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Sie erfinden Testverfahren, die nicht geeignet sind, weil Sie bestimmte Ergebnisse erzielen wollen.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung keinen Pfifferling dafür getan hat, dass es sie gibt?)
Sie wollen ja nicht wirklich Ergebnisse haben, sondern Sie wollen Ergebnisse finden, mit denen Sie Ihre Angstpolitik weiter betreiben können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
An der Stelle sind Sie sich nicht zu schade, Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen. Wie gesagt, auch Journalisten kommen Ihnen hier auf die Schliche.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Antworten Sie jetzt noch auf die Frage? – Gegenruf von der CDU/CSU: Ist doch beantwortet!)
– Habe ich.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feigling!)
Ich darf Ihnen auch verraten, wie der Artikel weitergeht; er ist sehr spannend. Ich stelle ihn Ihnen gerne zur Verfügung. Da ist dann von den hanebüchenen Testergebnissen und vor allen Dingen von der ungerechtfertigten Panikmache unter Müttern die Rede. Der Tagesspiegel -Kommentator unterstellt Ihnen sogar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, dass die Angstmacherei am Ende sogar Sinn der ganzen Sache war. Soll ich Ihnen etwas sagen? Er trifft ins Schwarze. Genau das ist hier der Fall. Sie haben es heute wieder unter Beweis gestellt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich weiß nicht, ob Ihnen diese Sache nicht schon peinlich genug ist, aber ich kann gerne noch andere Beispiele bringen. In dem Antrag, den Sie heute gestellt haben, entlarven Sie sich selbst auch mit Ergebnissen einer weiteren Studie. In dem Fall geht es um Stichproben zum Glyphosat-Gehalt im Urin von Stadtbewohnern. Diese – Sie nennen das so – wissenschaftliche Arbeit wurde von der renommierten und bestimmt weltweit anerkannten Forschungseinrichtung BUND – das ist nicht der Bund, sondern der Bund für Umwelt und Naturschutz – durchgeführt. Es ist bestimmt eine sehr renommierte Forschungseinrichtung.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer bezahlt das?)
Die Exzellenz der wissenschaftlichen Leistung, die hier erbracht worden ist, wurde, wie ich meine, vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung zu Recht erkannt und mit dem Titel „Unstatistik des Monats“ prämiert. Das sind die Quellen, auf die Sie sich berufen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Institut, das Mitglied in der Leibniz-Gemeinschaft und vom Bund und den Ländern finanziert wird, ordnet die Studie als „groben statistischen Unfug“ ein.
In Ihrem Antrag bieten Sie, wie ich finde, noch mehr Peinlichkeiten. Gleich auf der ersten Seite Ihres Antrags beziehen Sie sich angeblich auf die Daten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2013. Laut Ihrer Aussage wurde bei 106 Proben eine Überschreitung der Rückstandshöchstgehalte festgestellt. Ich weiß nicht, woher Sie die Zahlen haben. Ich finde die da nicht. Wenn man in die Nationale Berichterstattung „Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln“ aus dem Jahr 2013 schaut, sieht man, dass es diese Zahl dort gar nicht gibt. Man kann in dem Bericht hingegen andere Zahlen finden. Das sind eigentlich die interessanten. Aber ich verstehe, dass Sie diese nicht nennen; denn sie passen nicht in die Panikmache, die Sie betreiben.
Aber ich spiele an dieser Stelle gerne einmal den Spielverderber und darf vielleicht aus dem Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Ergebnisse der in Deutschland im Jahr 2013 an Lebensmitteln erfolgten Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittelrückstände zusammenfassen. Da heißt es:
So traten im Jahr 2013 bei insgesamt 1,1 % der beprobten Erzeugnisse ... aus Deutschland ... Überschreitungen der geltenden Rückstandhöchstgehalte auf ... So wurden im Berichtsjahr 0,6 % der untersuchten deutschen ... Erzeugnisse ... aufgrund von Rückstandshöchstgehaltsüberschreitungen beanstandet.
Das ist eine Quote von 0,6 Prozent bei 17 000 Proben.
Selbstverständlich gilt auch der Grundsatz, dass natürlich nicht alles gesundheitsgefährdend ist, was da auf den Tisch kommt. Darauf weist das BVL in der Studie natürlich explizit hin. Ich glaube auch nicht, dass wir an dieser Stelle einen Dissens haben. Deshalb frage ich Sie, Herr Hofreiter, einmal ganz persönlich, warum Sie hier diese ganze Panikmache und Irreführung betreiben. Ihnen geht es doch eigentlich nur um einen parteipolitisch ideologischen Ansatz. Sie wollen im Grunde schon Wahlkampf betreiben und bereiten so zum Beispiel Ihre Konferenz am morgigen Tag vor. Das ist doch eigentlich das Ziel, das Sie hier haben, oder nicht?
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt ernsthaft eine Antwort von mir haben?)
Immer getreu dem Motto: Falsche Dinge lange genug behaupten, dann bleibt schon etwas hängen, dann wird es an irgendeiner Stelle entsprechend transportiert.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben mich persönlich gefragt! Wollen Sie eine Antwort haben? Oder wie stellen Sie sich das vor?)
Es mag Ihnen nicht gefallen, aber Sie sollten endlich einmal einsehen, dass unsere Lebensmittel so sicher sind wie nie zuvor. Die Kolleginnen und Kollegen haben in ihren Beiträgen schon darauf hingewiesen. Die Bundesbürger haben – auch wenn Ihnen das nicht passt – ein ganz hohes Vertrauen in die heimische Landwirtschaft und unsere Erzeugnisse.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD])
Laut dem Ernährungsreport 2016, der auch Ihnen vorliegt, also einer repräsentativen Umfrage im Auftrag unseres Landwirtschaftsministeriums, sagen 77 Prozent der befragten Bürger mehrheitlich, dass Lebensmittel sehr sicher sind. Ich finde, mit Ihren Diffamierungskampagnen und der Angstmacherei, die Sie betreiben, zerstören Sie doch gerade das Vertrauen in unsere sicheren Lebensmittel. Das darf doch nicht wahr sein, was Sie hier im Parlament betreiben.
Das Schlimme ist: Wir haben wissenschaftliche Institute, wir haben Behörden, wir haben das BfR und die EFSA. Mit den Studien, die Sie machen, ziehen Sie die seriöse Arbeit genau dieser Institutionen in Zweifel. Es kann doch nicht wahr sein, dass man versucht, Politik auf Panikmache aufzubauen. Im Prinzip machen Sie nichts anderes, als unsere Landwirte und Landwirtinnen zu entmündigen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben es ja gehört: Da wird mit großer Sachkunde und mit ganz großem Verantwortungsbewusstsein vorgegangen – Sie haben es auch gerade von meinem Kollegen Westermayer noch einmal gehört, wie es in seinem Betrieb gelaufen ist: mit großer Sachkunde wird das gemacht –, und Sie sprechen hier immer von „Ackergiften“; dabei geht man – so sage ich einmal – sehr dosiert mit Pflanzenschutzmitteln um.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und die Insekten sterben zufällig, oder was?)
Ich könnte jetzt noch etwas zum Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sagen; ich glaube aber, darüber ist schon gesprochen worden. Ich kann nur sagen: Der richtige Ansatz ist natürlich Risikominderung; in diesem Punkt sind wir uns ja einig. Das kann auch etwas mit Mengenminderung zu tun haben, aber Risikominderung ist der entscheidende Punkt. Notwendigkeiten zu erkennen und Risiken zu minimieren, muss im Grunde das sein, was wir tun müssen.
Herr Hofreiter, ich empfehle Ihnen einfach einmal, einen Grundkurs beim BfR zu machen. Dann werden Sie wahrscheinlich die eine oder andere Notwendigkeit an dieser Stelle auch einsehen.
Zum Schluss will ich Ihnen noch verraten –
Herr Kollege Mahlberg, achten Sie bitte auf die Zeit!
– ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin –, was noch im Kommentar des Tagesspiegels zu Ihren Angstkampagnen steht. Der Artikel endet nämlich folgendermaßen: „Jetzt muss sich nur noch die Vernunft durchsetzen.“
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eigentlich auch einen eigenen Gedanken, oder lesen Sie nur aus dem Kommentar vor? Warum haben Sie eigentlich so viel Redezeit, wenn Sie nur Kommentare vorlesen? Die können wir auch selber lesen!)
Vernünftig wäre es, wie gesagt, mal einen Grundkurs zu belegen.
Wir sprachen gestern über Wahrheit und Klarheit beim Deutschen Lebensmittelbuch. Wahr ist, wie ich finde: Ihr Antrag ist unterirdisch. Und klar ist: Hier im Haus wird Ihr Antrag gar nicht gebraucht.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6424073 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Pestizide |