15.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 20

Heiko Maas - Insolvenzanfechtungsrecht

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine der wichtigsten Aufgaben des Rechts besteht darin, Sicherheit zu schaffen. Rechtssicherheit bringt Ordnung in unser Leben. Zu dieser Sicherheit gehört dann auch Kontinuität. Was heute gilt, soll grundsätzlich auch morgen noch Bestand haben.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schön!)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stärken wir Sicherheit und Kontinuität im Geschäftsverkehr, indem wir das Recht der Insolvenzanfechtung behutsam reformieren.

Durch die Anfechtung kann ein Insolvenzverwalter Vermögenswerte in die Insolvenzmasse zurückholen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Vermögen des Schuldners geflossen sind. Das ist ein wichtiges Instrument, um vor allen Dingen sicherzustellen, dass alle Gläubiger gleichbehandelt werden. Es soll verhindert werden, dass sich Einzelne vor einer Insolvenz die Rosinen herauspicken.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben allerdings auch die Kehrseiten der Anfechtung gezeigt. Wer mit einem Unternehmen Geschäfte macht oder dort als Arbeitnehmer beschäftigt ist, also Lohn empfängt, kann nicht sicher sein, dass er sein Geld dauerhaft behalten kann. Wie ein Damoklesschwert schwebt über ihm das Risiko, dass er das Geld wieder herausgeben muss, wenn das Unternehmen später in Insolvenz gerät und ein Insolvenz­verwalter die Zahlung anfechtet.

Diese widerstreitenden Interessen – Rechtssicherheit einerseits und Sicherung der Insolvenzmasse andererseits – sind zweifelsfrei aus der Balance geraten. Hier setzt unser Entwurf an. Wir wollen die Interessen der früheren Zahlungsempfänger und die Belange der übrigen Insolvenzgläubiger wieder ins Lot bringen.

Bisher können Geschäfte angefochten werden, die bis zu zehn Jahre vor der Insolvenz liegen. Dieser Zeitraum ist für gewöhnliche Zahlungsvorgänge zu lang. Wir wollen diese Frist auf vier Jahre verkürzen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich sage dazu: Diese Verkürzung gilt allerdings nicht für Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen. Dort muss nämlich niemand geschützt werden. Unrecht verdient wahrlich keine Rechtssicherheit.

Wir wollen auch mehr Sicherheit für Gläubiger schaffen, die ihren Schuldnern zur Überbrückung Zahlungserleichterungen gewährt haben. So etwas kann das Funktionieren der Märkte stärken und soll nicht unnötig bestraft werden. Das ist ebenfalls gesondert geregelt.

Wir wollen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser schützen. Sie sollen die Sicherheit haben, dass sie den Lohn, den sie verdient haben, auch tatsächlich behalten dürfen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In Zukunft sollen Lohnzahlungen nicht mehr angefochten werden können, wenn das Geld spätestens drei Monate nach der Arbeitsleistung gezahlt worden ist.

Und schließlich wollen wir auch Gläubiger schützen, die zur Zwangsvollstreckung gegriffen haben. Was sie mithilfe des Vollstreckungsrechts erlangt haben, sollen sie nicht aufgrund des Insolvenzrechts wieder herausgeben müssen.

Meine Damen und Herren, neben diesen Einschränkungen des Anfechtungsrechts wollen wir auch noch auf andere Weise die Belastungen für den Geschäftsverkehr reduzieren. Wir wollen die Verzinsung des Anfechtungsanspruchs neu regeln. Das niedrige Zinsniveau auf dem Geldmarkt und die deutlich höheren Verzugszinsen, die das Gesetz vorsieht, verleiten manche tatsächlich dazu, ihre Anfechtungsansprüche später als möglich geltend zu machen. Auch solche Fehlanreize wollen wir beseitigen.

Wir schlagen außerdem vor, dass das Insolvenzantragsrecht der Gläubiger gestärkt wird. Belastungen durch die nachträgliche Anfechtung lassen sich ja auch dadurch vermeiden, dass insolvenzreife Unternehmen rechtzeitig vom Markt genommen werden.

Meine Damen und Herren, mit diesen behutsamen Reformen erhalten wir das wichtige Recht der Insolvenz­anfechtung, aber wir steuern auch punktuell nach. Wir machen die komplexe Materie vor allen Dingen für die Praxis leichter handhabbar, und wir sorgen damit dennoch für mehr Rechtssicherheit. Das kommt auch dem Ansehen des Insolvenzrechtes insgesamt zugute. Es soll eben kein Damoklesschwert sein, das über Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und lauteren Geschäftspartnern schwebt, sondern ein juristisches Skalpell, das dafür sorgt, dass Markt und Wirtschaft gesund bleiben und gerecht funktionieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Der Kollege Richard Pitterle von der Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6424210
Wahlperiode 18
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Insolvenzanfechtungsrecht
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