Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Insolvenzanfechtungsrecht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition legt heute – endlich, möchte man sagen – einen Gesetzentwurf vor, der die Anfechtung von früheren Zahlungen eines Schuldners betrifft, die im Falle der Insolvenz zurückverlangt werden. Da an dieser Stelle die Sache aus dem Ruder gelaufen ist, hat sich die Union seit Jahren für eine Neuregelung starkgemacht und vor allem auch in den Koalitionsverhandlungen dafür gesorgt, dass das zum Programm dieser Regierung wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden mit diesem wichtigen Gesetz Vertrauen und Planungssicherheit für viele Unternehmen wiederherstellen, die in den vergangenen Jahren aufgrund einer Fehlentwicklung in der Praxis vieler Insolvenzverwalter, die von der Rechtsprechung nicht korrigiert wurde, mit unvermuteten hohen Rückforderungen konfrontiert worden sind, die sie selber an den Rand ihrer Existenz gebracht haben.
Im Zentrum steht die sogenannte Vorsatzanfechtung nach § 133 der Insolvenzordnung. Ihr liegt der an sich richtige und nachvollziehbare Gedanke zugrunde, dass sich kein Gläubiger einen Vorteil verschaffen darf, wenn sich beim Schuldner eine Krise abzeichnet. Deshalb ordnet § 133 der Insolvenzordnung an, dass Zahlungen, die in der Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, erfolgten, zurückgeholt werden können, wenn dies für den Gläubiger, der begünstigt ist, erkennbar war, und zwar mit einer Frist von bis zu zehn Jahren.
Was aber in der Praxis daraus geworden ist, geht weit über diese sinnvolle Intention hinaus. In der Praxis werden völlig übliche und gesamtwirtschaftlich erwünschte Verhaltensweisen auf diese Weise sanktioniert. Schon eine bloße Ratenzahlungsvereinbarung, die der Gläubiger mit dem Schuldner trifft – oft sind das Vertragspartner über Jahre hinaus, die in einer Vertrauensbeziehung zueinander stehen –, soll ausreichen, dass eine erfolgte und gerechtfertigte Zahlung hinterher wieder zurückabgewickelt werden kann. Das geht dann doch zu weit. Handwerker, Lieferanten, aber auch die Arbeitnehmer sind auf diese Weise unter Druck gesetzt worden in einer nicht mehr akzeptablen Art und Weise. Deshalb müssen wir handeln.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen wissen: Zahlungserleichterungen von Lieferanten, aber auch Zugeständnisse aus der Belegschaft sind üblich, um zum Beispiel saisonale Schwankungen oder eine erkennbare vorübergehende Krise zu überbrücken. Es würde an der Realität des Wirtschaftslebens vorbeigehen, den Gläubiger faktisch dazu zu zwingen, einen Insolvenzantrag zu stellen und nicht dem Vertragspartner zu helfen. Das funktioniert nicht und würde zusätzlichen Schaden anrichten.
Meine Damen und Herren, für das Insolvenzverfahren ist es typisch, dass es um Verteilungskonflikte geht. Was der eine für sich zusätzlich verlangt, würde auf Kosten des anderen gehen. Aber hier kommt noch etwas anderes hinzu. Die Verunsicherung und die Sorge vor einer späteren Rückforderung führen in der Praxis zu weniger Flexibilität, weniger unkomplizierter Unterstützung der Firmen untereinander bei erkennbar guter Prognose.
Wir müssen wissen: Zunehmend sind die Lieferanten diejenigen, die sich um die Finanzierung kümmern und Einblick darin haben, wie ein Unternehmen aufgestellt ist. Sie wissen, ob das Unternehmen deshalb in der Krise ist, weil ein eigener Schuldner wiederum ausgefallen ist, es aber in der Substanz völlig gesund ist, oder ob etwas anderes dahintersteckt. Insofern ist eines klar: Wenn ein Lieferant davon ausgeht, dass ein Vorschuss noch Sinn macht, weil er davon überzeugt ist, dass das Unternehmen aus der Krise kommt, dann dürfen wir vom Lieferanten doch nicht verlangen, dem ein Ende zu setzen, einen Insolvenzantrag zu stellen und dem Unternehmen den Todesstoß zu geben. Das würde zu mehr unnötigen Insolvenzen führen und damit einen zusätzlichen wirtschaftlichen Schaden anrichten, dem auf der anderen Seite überhaupt kein Vorteil gegenübersteht.
Das ist der Grund, weshalb diese Praxis unisono kritisiert wird, und zwar auch von Verbänden, die sowohl auf der Seite eines begünstigten Gläubigers als auch eines Schuldners oder eines Gläubigers, für den sich daraus im Einzelfall ein Nachteil ergibt, stehen könnten. Hier geht es um Vertrauen, einem Wert im Geschäftsverkehr an sich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb ist es wichtig, dass wir für den redlichen Geschäftsverkehr die Frist für eine Anfechtung auf vier Jahre verkürzen und dass die Regelung hinsichtlich der Vermutung über die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gesetzlich geändert wird: Es wird klargestellt, dass eine Zahlungserleichterung, die ein Gläubiger dem Schuldner gewährt, allein noch kein Indiz für die Kenntnis des Gläubigers ist.
Wichtig ist – es wurde schon angesprochen –: Die Arbeitnehmer werden in einer besonderen Weise unterstützt, ohne dass wir ansonsten in die Struktur des Insolvenzrechts eingreifen. Wir nehmen hier eine Lösung auf, die das Bundesarbeitsgericht vorgezeichnet hat, und sichern sie ab, indem wir sie gesetzlich regeln. Der Lohn, der innerhalb von drei Monaten für geleistete Arbeit gezahlt worden ist, ist nun der Anfechtung entzogen, im Wege der Subsumtion unter das Bargeschäft. Ich glaube, das ist eine intelligente Lösung, um hier zu einem effektiven Schutz gerade der Arbeitnehmer zu kommen, die besonders darauf angewiesen sind, darauf vertrauen zu können, ihren ausgezahlten Lohn behalten zu dürfen.
Für mich ist für die weiteren Beratungen aber noch eines wichtig: Wir müssen darauf achten, dass wir dem Insolvenzverfahren nicht insgesamt mangels Masse den Boden entziehen; denn das Insolvenzverfahren hat seinen spezifischen Wert. Es gehört zur Marktwirtschaft, dass ein Unternehmen, das nicht mehr wettbewerbsfähig ist, vom Markt verschwindet und abgewickelt wird. Da macht es einen Unterschied, ob das in einem geordneten Verfahren durch den Insolvenzverwalter gemacht wird oder ob einfach nur unsortiert Aktenordner und volle Schubladen mit Rechnungen entsorgt werden. Es geht dann auch darum, Ansprüche zu klären. Es geht zum Beispiel auch darum, Zeugnisse für Arbeitnehmer auszustellen. All das muss in einem geordneten Verfahren geschehen. Schon deshalb müssen wir dafür sorgen, dass das Insolvenzverfahren nicht ausgetrocknet wird. Wir müssen überlegen, ob es richtig ist, dass alle Titel, die vollstreckt werden – egal, woraus sie resultieren –, privilegiert werden sollen.
Kollegin Winkelmeier-Becker, Sie müssen die weiteren Vorschläge vertagen.
Ich bin froh, dass die Bedeutung unserer heutigen Debatte nicht daraus resultiert, dass wir viele Insolvenzverfahren hätten. Wir haben den geringsten Stand an Insolvenzverfahren seit der Einführung der Insolvenzordnung. Trotzdem ist es dieses Thema immer wieder wert, an Verbesserungen zu arbeiten. Die Union macht das jedenfalls sehr gerne, im Interesse der Unternehmen und der Arbeitnehmer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6424266 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Insolvenzanfechtungsrecht |