Katja KeulDIE GRÜNEN - Insolvenzanfechtungsrecht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlägt die Bundesregierung Änderungen an der Insolvenzordnung vor, die insbesondere das Anfechtungsrecht betreffen. Parallel dazu sollen im Anfechtungsgesetz entsprechende Änderungen für Anfechtungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens vorgenommen werden.
Aber was ist das Anfechtungsrecht eigentlich? Es dient dazu, zu verhindern, dass bei einer Insolvenz einzelne Gläubiger bessergestellt werden, weil sie früh Informationen über die finanziellen Verhältnisse des Schuldners haben und daher noch kurz vor der Insolvenz ihr Geld eintreiben können. Das Anfechtungsrecht dient somit der Gläubigergleichbehandlung. Dennoch soll dieses Recht nunmehr an mehreren Stellen eingeschränkt werden, um überlange Unsicherheiten über den Bestand eines Rechtsgeschäftes zu vermeiden.
Unproblematisch und zu begrüßen ist zunächst einmal die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre ab Insolvenzantragstellung. Nach vier Jahren sollte klar sein, ob eine Leistung zurückgezahlt werden muss oder nicht. Auch die Verknüpfung der Verzinsung von Rückzahlungsansprüchen an die üblichen Verzugsvoraussetzungen ist nicht mehr als fair.
Kritisch ist aber die künftige umfassende Privilegierung von Vollstreckungsmaßnahmen, die dann nicht mehr anfechtbar sein sollen. Der Vorschlag hat folgenden Hintergrund: Wenn Gläubiger ihre berechtigte Forderung in jahrelangem Rechtsstreit endlich tituliert haben und dann mit hohem Zeit- und Kostenaufwand vollstrecken, ist nicht einzusehen, dass sie so behandelt werden, als ob ihnen dieses Recht nie zugestanden hätte. Problematisch dabei ist aber, dass das jetzt auch für alle öffentlich-rechtlichen Gläubiger wie Finanzämter und Sozialversicherungsträger gelten soll, die sich ihre Titel selbst erstellen und vollstrecken können. Mit Einführung der Insolvenzordnung hatte man sich bewusst von dieser Fiskusprivilegierung verabschiedet, um Insolvenzverfahren frühzeitiger zu ermöglichen, wenn noch genug Masse zur Verteilung bzw. Chancen zur Fortsetzung des Unternehmens vorhanden sind.
Sozialversicherungsträger und Finanzämter sind die wichtigsten Insolvenzantragsteller. Wenn diese nun die Möglichkeit erhalten, bis zum bitteren Ende unanfechtbar zu vollstrecken, haben sie kaum noch Interesse an einem frühzeitigen Insolvenzantrag.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: So ist es ja nicht!)
Im Ergebnis werden damit wieder mehr Privatgläubiger leer ausgehen, so wie früher nach der Konkursordnung. Ich denke, Sie sollten die Vorschläge der Verbände übernehmen und die Privilegierung auf gerichtlich erlangte Vollstreckungstitel beschränken.
Kommen wir zu den Änderungen in § 133 Insolvenzordnung. Danach soll der Gläubiger, dessen berechtigte Forderung vom Schuldner erfüllt wird, nur noch dann mit einer Anfechtung rechnen müssen, wenn er die eingetretene Zahlungsunfähigkeit kannte. Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr reichen. Dieser zusätzliche Schutz ist angemessen und nachvollziehbar. Ob es aber darüber hinaus auch noch angemessen ist, gleich bei jeder Ratenzahlungsvereinbarung zu vermuten, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit nicht kannte, finde ich zumindest zweifelhaft. Hier bleibt die Expertenanhörung abzuwarten.
Mit der Änderung des § 142 Insolvenzordnung sollen die sogenannten Bargeschäfte konkretisiert werden, also die Geschäfte, bei denen eine Gegenleistung unmittelbar bezahlt wird, wie vor allem beim Arbeitslohn. Das finde ich richtig. Gerade in Bezug auf Arbeitnehmer war es an der Zeit, die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zum Zwecke der Rechtsklarheit im Gesetz aufzunehmen. Jetzt kann es jeder schwarz auf weiß nachlesen: Der Lohn für Arbeitsleistungen der letzten drei Monate ist vor der Anfechtung sicher.
Nicht ganz so klar ist leider die Ausnahmevorschrift. Hat der Arbeitnehmer erkannt, dass der Arbeitgeber unlauter handelte, soll der Anfechtungsschutz nicht gelten. Aber was bitte ist „unlauter“? Warum man jetzt hier wieder einen neuen Begriff einführt, der erst wieder im Wege der Rechtsprechung konkretisiert werden muss, erschließt sich mir nicht. Ich denke, auf diese Ausnahme sollten Sie schlicht verzichten oder zumindest auf leitende Angestellte beschränken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Am Ende schlagen Sie noch eine Änderung vor, die mit dem Anfechtungsrecht nichts zu tun hat: Gläubiger sollen schneller und leichter einen Insolvenzantrag stellen können als bisher. Bislang konnte ein Schuldner den Insolvenzantrag eines Gläubigers einmal abwenden, indem er die Forderung doch noch bezahlt, wenn nicht bereits ein Insolvenzantrag in den letzten zwei Jahren gestellt worden war. Diese Möglichkeit soll für den Schuldner jetzt gänzlich entfallen. Begründet wird dies insbesondere damit, dass Sozialversicherungsträger schneller eine Klärung der Zahlungsfähigkeit herbeiführen sollen. Im Ergebnis kann dann aber jeder Gläubiger eines säumigen Schuldners ohne weitere Voraussetzungen jederzeit eine insolvenzgerichtliche Entscheidung in der Sache veranlassen. Ich frage mich schon, ob das wirklich praktikabel sein wird und nicht einfach zu einer unnötigen Mehrbelastung der Insolvenzgerichte führt. Leider liegen gerade zu diesem Punkt kaum schriftliche Stellungnahmen der Verbände vor, sodass wir auch hier die Expertenanhörung abwarten müssen.
Fazit: Der Gesetzentwurf ist eine gute Diskussionsgrundlage. Allerdings sollte auch dieses Gesetz keinesfalls aus dem Parlament so herauskommen, wie es hineingekommen ist.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vielen Dank, Katja Keul. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Heribert Hirte für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6424283 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Insolvenzanfechtungsrecht |