Heribert HirteCDU/CSU - Insolvenzanfechtungsrecht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Es sind an diesem Freitagnachmittag ja nicht mehr ganz so viele. Zunächst einmal: Worum geht es eigentlich bei diesem Gesetzentwurf zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts? Die Insolvenzanfechtung dient dazu – wir haben es schon einmal gehört –, sogenannte vorinsolvenzliche Vermögensverschiebungen rückabzuwickeln. Wer also etwas aus einem später insolvent gehenden Unternehmen herausbekommen hat, muss es unter bestimmten Voraussetzungen an den Insolvenzverwalter zurückführen, wenn er es innerhalb bestimmter Fristen vor der Insolvenz bekommen hat. Das dient dazu – auch das hat der Minister richtigerweise gesagt –, die Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfahren sicherzustellen. Es soll nicht derjenige einen Vorteil haben, der noch kurz vor der Insolvenz seine Schäfchen ins Trockene gebracht hat.
Um es deutlich zu sagen: Das ist nicht etwa neu, sondern das ist ein Rechtsinstitut, das es seit der Römerzeit gibt und das deshalb weitgehend anerkannt ist, auch in seiner Konzeption. Es wurde in den letzten Jahren allerdings ausgebaut, weil wir den Gläubigerschutz an anderer Stelle, bei den Gesellschaften, zurückgefahren haben. Insofern ist es nicht ganz überraschend, dass wir jetzt auch hier über die Grenzen nachdenken.
Herr Pitterle hat gesagt, in einem Bereich, was die Anfechtung von Lohnzahlungen an Arbeitnehmer angeht, hat sich seit der Konkursordnung etwas geändert. Das ist richtig. Die Konkursordnung sah ein spezielles Privileg für die Arbeitnehmer vor, das in dieser Weise jetzt nicht mehr existiert. Aber die Zahl der Anfechtungen von Lohnzahlungen hat nicht etwa wegen der Einführung der Insolvenzordnung zugenommen, sondern aus einem ganz anderen Grund, nämlich weil die Sozialversicherungsträger der Sache nach durch eine etwas versteckte Sonderregelung – § 28 e SGB IV – privilegiert wurden. Insofern gibt es einen Zusammenhang mit dem, was Frau Keul angesprochen hat, mit der Privilegierung der Sozialversicherungsträger. Darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen.
Diese Regelungen – ich betone es noch einmal – sind im Grundsatz richtig. Sie dienen der Verwirklichung des Gläubigerschutzes und haben deshalb eine hohe ordnungspolitische Bedeutung. Allerdings ist die Reichweite umstritten. In einem zentralen Punkt sind die Regelungen zu Recht auf Kritik gestoßen. Dabei geht es um die Regelung des § 133 Insolvenzordnung, um die sogenannte Vorsatzanfechtung. Leistungen, die bis zu zehn Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückliegen, können zurückgefordert werden, und das eigentlich nur bei Vorsatz. Die zehn Jahre wären nicht so schlimm, wenn nicht der Begriff „Vorsatz“ von der Rechtsprechung ausgelegt, will heißen: abgemildert worden wäre. Das bedeutet für die Gläubiger, die Adressaten dieser Insolvenzanfechtung, dass sie ziemlich überraschend mit solchen Rückforderungen konfrontiert werden. Das wollen wir ändern. Es ist richtig, dass wir das ändern. In der Koalitionsvereinbarung haben wir vereinbart, dass wir im Interesse des Mittelstandes und im Interesse der Arbeitnehmer in diesem Punkt mehr Rechtssicherheit herstellen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aus diesem Grunde adressiert der Gesetzentwurf zu Recht drei Bereiche, in denen Änderungen vorgenommen werden:
Zum einen geht es um Änderungen bei der schon angesprochenen Vorsatzanfechtung. Die Frist, die bisher zehn Jahre beträgt, soll, jedenfalls für wesentliche Teile, auf vier Jahre verkürzt werden. Es soll dabei auch die Kenntnis, die der andere, der das Geld bekommen hat, hat, erhöht werden. Er muss wissen, dass die Insolvenz schon eingetreten ist. Es soll nicht mehr nur ausreichen, dass er von einer drohenden Insolvenz Kenntnis hat.
Zweitens. Zahlungserleichterungen, die irgendwann einmal im Vorfeld gewährt wurden, sollen nicht mehr dazu führen können, dass man sein Geld zurückgeben muss. Über die genaue Formulierung – auch das ist schon angesprochen worden – müssen wir allerdings noch nachdenken; das ist zu evaluieren.
Drittens. Richtig ist auch, dass das sogenannte Bargeschäft – § 142 Insolvenzordnung – erweitert wird, und zwar klarstellend erweitert wird, in Aufnahme der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anfechtbarkeit von Lohnzahlung an Arbeitnehmer. Allerdings müssen wir noch ein bisschen schauen, ob jetzt auch innerhalb dieser Norm die Gleichbehandlung hergestellt ist. Auch darüber werden wir noch nachzudenken haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Völlig unstreitig, wenn ich das hier Revue passieren lasse, ist, dass der Zinslauf bei der Rückforderung jetzt ab Verzug einsetzen soll und nicht etwa nur, wie es im Augenblick der Fall ist, ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Auch das hat dazu beigetragen, dass Adressaten einer solchen Insolvenzanfechtung mit den Forderungen überrascht werden konnten. Das wird jetzt anders. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir hätten diesen Punkt meines Erachtens schon viel, viel früher regeln können, als wir am Anfang der Legislaturperiode gesagt haben, wir könnten mit kleinen Detailänderungen das Problem schon lösen. Das sind einige wesentliche Punkte.
Ein Punkt ist zweifelhaft. Das ist der Punkt, dass auch Deckungen und Sicherungen, die man im Wege der Zwangsvollstreckung erreicht hat, privilegiert werden, also von der Insolvenzanfechtung ausgenommen werden sollen. Denn das betrifft jedenfalls in der Praxis vor allen Dingen Forderungen des Fiskus und der Sozialversicherungsträger. Wenn die nicht mehr anfechtbar sind, obwohl die Beteiligten genau wussten, dass es sich um ein insolventes Unternehmen handelt, heißt das, dass die Insolvenzmasse so ausgedünnt wird, dass am Ende nicht mehr genügend Masse zur Eröffnung der Verfahren zur Verfügung steht. Ich stimme der Kollegin Keul, die sehr deutlich darauf hingewiesen hat, ausdrücklich zu. Das würde mich mit großer Sorge erfüllen. Darüber müssen wir nachdenken, unter anderem auch deshalb, weil sonst anschließend nicht mehr genügend Geld für die Arbeitnehmer, für einen Sozialplan, zur Verfügung steht.
Es gibt noch genügend zu beraten. Auf diese Beratungen freue ich mich.
Vielen Dank Ihnen allen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Danke schön, Dr. Hirte. – Nächster Redner: Dr. Brunner für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6424291 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Insolvenzanfechtungsrecht |