Karl-Heinz BrunnerSPD - Insolvenzanfechtungsrecht
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren und Gäste, die Sie an diesem Freitagmittag auf den Zuhörerrängen ausgeharrt haben! Die Koalitionsparteien haben in dem Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ vorgeschlagen, eine Reihe von gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Aspekten zu regeln. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag:
Zudem werden wir das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit ... sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen.
Kernstück der Regelungen heute ist daher die Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung. Hier gab es oft Probleme, nicht zuletzt – das wurde ja schon von einigen Rednern angesprochen – durch die unterschiedlichen Rechtsprechungen des Bundesarbeitsgerichtes, des Bundesgerichtshofs – und nicht zu vergessen – die zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen zu den Haftungsansprüchen von Insolvenzverwaltern, wenn sie in der gängigen Praxis früherer Jahre nicht angefochten haben; denn Rechtsgeschäfte mit dem Schuldner unterliegen bis zu zehn Jahren rückwirkend der Anfechtung.
Lassen Sie mich kurz die häufigsten drei Beispiele nennen, in denen dies zum Tragen kam.
Erstens. Arbeitnehmer vereinbaren mit ihrem Betrieb, der sich in Schieflage befindet – manchmal ist dies noch nicht ersichtlich –, dass sie für ein geringeres Gehalt arbeiten, um nach Insolvenzeröffnung nicht nur zu erfahren, dass der Arbeitsplatz weg ist, sondern nun auch noch erfahren, dass bereits gezahltes Gehalt an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen ist.
Zweitens. Handwerker, meist kleine und mittelständische Unternehmer, gestatten ihren Lieferanten, mit denen sie schon lange in Geschäftsbeziehungen stehen, Stundungen oder Ratenzahlungen, um deren Liquidität und letztendlich die Geschäftsbeziehung zu erhalten. Der Geschäftspartner geht in Insolvenz, und es passiert, dass die Zahlungen an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen sind.
Drittens. Ein Gläubiger bemüht sich, wegen mangelnder Zahlung bei Gericht ein Urteil zu erwirken, beauftragt den Gerichtsvollzieher, und der vereinbart ordnungsgemäß, so wie es das Gesetz will, eine Ratenzahlung. Am Schluss bleibt der kleine Unternehmer auf den Kosten sitzen, weil er zurückzuerstatten hat.
Alle drei Fälle führen zu Ergebnissen, die im schlimmsten Fall sogar die Existenzgrundlage der betroffenen Gläubiger ernsthaft bedrohen, weil die Rückforderungen bis zu zehn Jahre danach erhoben werden können. V e rständlich ist das nicht – und gerecht allemal nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, nachzujustieren, wo es notwendig ist, gleichzeitig aber möglichst wenig in die Systematik der Insolvenzordnung einzugreifen, das unternimmt der heute in erster Lesung vorliegende Gesetzentwurf.
Kern der Änderung, die ausdrücklich Vermögensverschiebungen oder Bankrotthandlungen ausnimmt, weil diese keine Privilegierung verdienen, ist die Beseitigung von Rechtsunsicherheiten bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es geht dabei – das wurde bereits angesprochen – um die Kodifizierung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Außerdem wollen wir, um das Vertrauen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu stärken, verdienten Arbeitslohn auch behalten zu dürfen, einen Teil der Vorsatzanfechtung in das Bargeschäftsprivileg einbeziehen. Nach § 142 Absatz 1 der Insolvenzordnung soll die Anfechtung nur noch möglich sein, wenn erstens der Schuldner unlauter handelte und zweitens der Gläubiger dies auch erkannte.
Zudem wollen wir die Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre verkürzen.
Wenig interessensgerecht fand ich auch die bisherige Regelung zur Verzinsung des Anfechtungsanspruchs, weil sie Anreize zu dessen verzögerter Geltendmachung schaffte. Deshalb sollen, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, die Zinsen begrenzt werden, indem sie den allgemeinen schuldrechtlichen Verzugsregeln unterstellt werden.
Mein Dank an dieser Stelle, meine Damen und Herren, geht vor allen Dingen an Sie, lieber Justizminister Heiko Maas, für diesen Entwurf und die konstruktiven Lösungsansätze. Ich hoffe, dass bei der öffentlichen Anhörung noch viele konstruktive Vorschläge zu den noch wenigen offenen Fragen kommen. Ich sage dies deshalb, weil ich glaube, dass an einigen Stellen noch Diskussionsbedarf besteht. So glaube ich, dass der Vorschlag im Referentenentwurf aus Ihrem Haus, Herr Minister, lediglich den zivilprozessualen, also auf dem Rechtsweg erstrittenen Titeln ein Privileg in der Zwangsvollstreckung einzuräumen, also denjenigen, die einen Zahlungsbefehl oder ein Urteil erwirken wie der einfache Handwerker, sachgerecht und angemessen war.
(Beifall des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Dass jedoch jetzt, vermutlich bei der Ressortabstimmung, durch Streichung des kleinen Wortes „gerichtlich“ quasi durch die Hintertür die alten, aus der Konkursordnung bekannten Fiskal- und Sozialversicherungsprivilegien wieder Einzug halten könnten – auch als Ausstandsverzeichnisse, die im einfachen Weg erstritten werden, bekannt –, dient weder der Sache und, wie ich glaube, schon gar nicht der Masse.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU] und Richard Pitterle [DIE LINKE])
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, freue ich mich, auch nach den Wortbeiträgen und Reden des heutigen Tages, auf einen intensiven Gedankenaustausch, auf gute Anregungen in der öffentlichen Anhörung am 24. Februar und gute Ergebnisse bis zur zweiten und dritten Lesung.
Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollege Brunner. – Der letzte Redner in dieser Debatte ist Philipp Graf Lerchenfeld für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6424292 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Insolvenzanfechtungsrecht |