15.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 20

- Insolvenzanfechtungsrecht

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf soll den Wirtschaftsverkehr und die Arbeitnehmer von Unsicherheiten im Insolvenzverfahren entlasten, die eben gerade durch die Praxis des Insolvenzverfahrens in den letzten Jahren stark hervorgerufen wurden.

Es ist Ziel der Reform, die Insolvenzanfechtungen in bestimmten Punkten neu zu ordnen, wie von vielen schon dargestellt worden ist, die Gläubiger in ihren Rechten zu stärken, sodass übermäßige Belastungen des Geschäftsverkehrs und gleichzeitig vor allem auch Rechtsunsicherheiten bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen vermieden werden können. Es sollte dabei allerdings nicht aus den Augen verloren werden, dass das große Ziel der Reform der Konkursordnung im Jahre 1994 darin bestand, anstelle der damals üblichen Zerschlagung der in Krise geratenen Unternehmen vor allem die Möglichkeit der Fortführung der Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Dieses Ziel hat sich bewährt, und es sind in den letzten Jahren viele Unternehmen und damit auch viele Arbeitsplätze erhalten worden. Alle Änderungen, die wir an der Insolvenzordnung vornehmen, müssen sich deshalb an diesem Ziel messen lassen.

Während der Insolvenz eines Unternehmens verändert sich grundsätzlich das Recht des Gläubigers auf Vollstreckung seiner Forderung. Ziel ist die Sicherstellung der gleichmäßigen Befriedung aller Gläubiger. Konsequenterweise können deshalb Zahlungen, die vom Schuldner in der Krise geleistet worden sind, zurückgefordert werden, damit die Gelder dann gleichmäßig auf alle Gläubiger verteilt werden können.

Die Frist für diese Rückforderung betrug zehn Jahre. Man muss sich nun einmal vorstellen, was das bedeutet: Im Laufe von zehn Jahren kann es leicht passieren, dass sich ein Unternehmen, das in der Krise war, einigermaßen erholt und dann wieder in Konkurs oder Vermögensverfall gerät. Aber eine Rückforderung konnte, obwohl jeder gewusst hat, dass es dem Unternehmen wieder deutlich besser geht, zehn Jahre lang geltend gemacht werden. Das ist ungerecht, und das führt nicht dazu, dass man mit den Gläubigern vernünftig umgeht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Diese Frist wird durch den Gesetzentwurf nun auf vier Jahre verkürzt, und die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird durch die Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ersetzt. § 142 Insolvenzordnung, der die Bargeschäfte betrifft, wird klarer formuliert, und die Arbeitnehmerrechte werden dadurch gestärkt; das ist von allen Vorrednern schon ausführlich dargestellt worden.

Wichtig sind in diesem Zusammenhang natürlich auch die Zinsforderungen, für die nunmehr die allgemeinen Grundsätze gelten und die nicht mehr, wie bisher, eine Sonderstellung erhalten sollen.

Problematisch sehe ich die im Gesetzentwurf vorgesehene Neuregelung des § 131 Insolvenzordnung, nach dem für alle Zwangsvollstreckungen und damit auch für die sogenannten Zwangsgläubiger der Tatbestand der Inkongruenzanforderung entfallen soll. Eine behutsame Änderung des Gesetzes ist das eigentlich nicht.

(Beifall des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Genügt es nicht, den Tatbestand der Inkongruenzanforderung nur auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren erlangten vollstreckbaren Titels zu erreichen?

Es entsteht somit ein großer, wirklich großer Vorteil für öffentlich-rechtliche Gläubiger, da diese ihre Forderungen ja auch meist selbst titulieren können. Sie erhalten damit einen zeitlichen Vorzug vor privaten Gläubigern, und der allgemeine Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger kann damit eindeutig gestört werden. Es muss auch befürchtet werden, dass dadurch wieder mehr Verfahren mangels Masse abgewiesen werden, weil man schlicht und ergreifend nicht mehr über die erforderliche Masse verfügt, um das Verfahren überhaupt zu eröffnen.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Eben!)

Wichtig ist auch – ich glaube, damit sollten wir uns in den Beratungen noch ernsthaft beschäftigen –, eine vernünftige Übergangsregelung für die Verfahren, die bereits laufen, zu schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich denke, hier haben wir in den Beratungen noch eine große Aufgabe vor uns.

Ich hoffe, dass wir den Grundsatz, den ich eingangs genannt habe – die Fortführung des Unternehmens muss Vorrang vor der Zerschlagung des Unternehmens haben –, in den anstehenden Beratungen beachten, und ich wünsche uns zu diesem Zweck gute Beratungen.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6424359
Wahlperiode 18
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Insolvenzanfechtungsrecht
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