Kai WhittakerCDU/CSU - Aktuelle Stunde
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Wenn ich mir die Reden der Opposition so anhöre, komme ich nur zu einem Fazit: Je komplizierter die Lage, desto einfacher haben es die schrecklichen Vereinfacher.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Frau Kollegin Zimmermann, Sie haben hier die Frage gestellt, was man mit 2 oder 3 Billionen Euro eigentlich anfängt. Es ist doch nicht so, dass die wie bei Dagobert Duck in irgendwelchen Geldspeichern liegen, sondern sie sind investiert in Firmen, in Anlagekapital und in Produktionskapital, womit viele Millionen Menschen in diesem Land ihr tägliches Brot erarbeiten.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um Gottes willen! Wo leben Sie denn? Das stimmt doch alles nicht mehr!)
Ich möchte zwei Studien ansprechen, die in den letzten Monaten diskutiert worden sind. Da ist zum einen der Armutsbericht 2014. Darüber schreibt der Paritätische Wohlfahrtsverband Folgendes:
Noch nie war die Armut in Deutschland so hoch und noch nie war die regionale Zerrissenheit so tief wie heute. Deutschland ist … eine … zerklüftete Republik.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Die Oxfam-Studie hat vor kurzem nachgelegt; sie wird in der Zeit wie folgt zusammengefasst – Zitat –:
Die reichsten 62 Personen des Planeten besitzen zusammen 1,76 Billionen Dollar – ebenso viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit, rund 3,5 Milliarden Personen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So weit, so richtig!)
Aber bei aller Liebe zur Lust am Untergang, meine Damen und Herren: Bevor man schreit, dass das Schiff sinkt, sollte man erst einmal nachschauen, ob es ein Leck hat. Schauen wir uns die Zahlen doch einmal an: Die Oxfam-Studie nutzt Daten der Credit Suisse, bei denen es um das Nettovermögen geht, also das Vermögen minus die Schulden. So kann man wirklich absurde Fälle von Armut kreieren. Ein Beispiel: Eine Familie – Vater, Mutter, zwei Kinder – erbt ein Haus und nimmt einen großen Kredit auf, um es zu renovieren. Diese Familie ist laut Statistik nach dem Erbfall ärmer, als sie es vorher war, aber objektiv ist sie es nicht, weil sie in ihren eigenen vier Wänden lebt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Es gibt also keine Probleme? – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn! Wo haben Sie denn Buchhaltung gelernt?)
Die Statistik ist darüber hinaus wirklich wenig stichhaltig. Das stellt man fest, wenn man sich anschaut, wo laut dieser Statistik die ärmsten 10 Prozent der Menschen leben. Auf Platz eins liegt Indien mit einem Anteil von 16 Prozent – so weit, so gut. Auf Platz zwei mit 7,5 Prozent, sehr überraschend, liegen die USA, gefolgt von Bangladesch und Pakistan. China taucht in der Statistik übrigens überhaupt nicht auf. Es gibt keine armen Chinesen; das liegt wahrscheinlich am erfolgreichen Kommunismus in China. – Das sollte doch zu denken geben.
Beim Armutsbericht sieht die Sache etwas anders aus. Da muss man genau hinschauen, wie man die Zahlen interpretiert. Armut droht bei einem Einkommen von unter 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens; in Deutschland sind das ungefähr 890 Euro. Wenn ein Student bei seiner Familie daheim wohnt, dann gehört er zur Mittelschicht. Aber wenn derselbe Student am nächsten Tag auszieht und von seinen Eltern nun 750 Euro im Monat bekommt, dann ist er statistisch über Nacht verarmt.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So, so!)
Ich persönlich sehe das anders. Es ist für mich ein Zeichen von Wohlstand, dass immer mehr junge Menschen studieren gehen und in ihren eigenen vier Wänden leben können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damit will ich nicht sagen, dass es keine armen Studenten gibt, die zwei Jobs brauchen, um sich über Wasser halten zu können. Aber diese Statistik schert beide Studenten über einen Kamm; sie erfasst die tatsächliche Armut in diesem Land nicht.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir sind uns doch einig, dass es Armut gibt!)
Schauen wir uns die regionalen Armutsstudien an. In Bayern liegt das Armutsrisiko bei 11,5 Prozent, in Thüringen bei 17,8 Prozent. Ich bin schon einmal von Bayern nach Thüringen gefahren, und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich aus dem Paradies vertrieben und ins Elend hineingetrieben wurde.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um Gottes willen! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Echt? Und da wurden Sie jetzt noch reingelassen?)
Der Grund ist auch ein ganz einfacher, Herr Kollege: Mit 800 Euro kommt man in München nicht sehr weit, aber in Schmalkalden kommt man damit schon etwas weiter. Der Zauber ist der Kaufkraftunterschied. Den muss man berücksichtigen. Wenn man ihn berücksichtigt, dann schmilzt der Unterschied auf 1 Prozent. Mit anderen Worten: In Thüringen ist die Armut nicht viel größer als in Bayern.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Bayern ist gar nicht so gut, wie die immer tun?)
Zumindest war das bis 2014 so. Ob es so bleibt, liebe Linke, werden wir spätestens bei der nächsten Landtagswahl merken.
Ich könnte weitere ähnliche Beispiele bringen. Fakt ist jedoch: Die Angstüberschriften passen nicht zur Lebenswirklichkeit der Menschen in diesem Land. Wir haben die geringste Arbeitslosenquote seit 1990; wir haben so viele Erwerbstätige wie noch nie; die Reallöhne steigen seit sieben Jahren konstant an; die Sozialabgaben sind stabil – das ist die konkrete Wahrheit in diesem Land.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Armut geht nicht zurück! Die Zahl der Aufstocker geht nicht zurück! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Zahl der Tafel-Nutzer steigt auch ständig! Mein Gott! Geht doch einmal raus und guckt euch die Leute an, ihr Spinner!)
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich dachte eigentlich, dass Sie von den Linken der Wahrheit sehr nahe stehen. Auch Lenin hat ja erkannt, dass die Wahrheit immer konkret ist; aber das scheint ja heute in dieser Aktuellen Stunde relativ wenige von Ihnen zu interessieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die haben alle Lenin nicht gelesen! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja aus der Wahrheit eine Lüge gemacht!)
Wenn wir Einkommens- und Vermögensunterschiede wirklich bekämpfen wollen, dann durch Arbeitsplätze und gute Wirtschaft.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, durch gut bezahlte Arbeitsplätze! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ihr müsst vom Golfplatz auf die Straße gehen! Dann seht ihr, was abgeht!)
Das lehrt die Geschichte; denn ebenso wie die Arbeitslosigkeit in diesem Land unter Rot-Grün bis 2005 kontinuierlich angestiegen ist, hat auch die Einkommensungleichheit zugenommen; seit 2005, seitdem wir in der Bundesregierung sind, geht die Einkommensungleichheit zurück.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das tut sie nicht!)
Diesen Erfolg wollen wir fortsetzen,
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Keine Drohungen!)
indem wir es den Menschen ermöglichen, endlich wieder Vermögen aufzubauen, statt es ihnen sofort wieder wegzunehmen, wie Sie es wollen, liebe Linke.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6475817 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 151 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde |