28.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 152 / Tagesordnungspunkt 3

Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Regierungserklärung - Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Gabriel, Sie haben gesagt: Das Land ist handlungsfähig. – Ja, das Land ist handlungsfähig dank Tausender und Abertausender Ehrenamtlicher, die sich darum kümmern, dass die Flüchtlinge entsprechend versorgt werden, dass die Flüchtlinge anständig behandelt werden. Außerdem ist das Land handlungsfähig dank Unmengen aktiver Kommunalpolitiker und dank Unmengen Beamter und Angestellter im öffentlichen Dienst, die einen ganzen Haufen Überstunden schieben. Dadurch ist das Land handlungsfähig. Da gebe ich Ihnen sogar recht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wenn ich mir anschaue, wie sich die Große Koalition – die CSU und die SPD sind bekanntermaßen Teil der Großen Koalition – in den letzten Wochen und Monaten benommen hat – dabei geht es nicht darum, einen sachlichen Streit zu führen –, dann stelle ich fest, dass diese Regierung nicht handlungsfähig ist. Denke man allein an den Herrn Seehofer: Er stellt inzwischen zum fünften Mal dieser Bundesregierung ein Ultimatum. Er schreibt inzwischen Briefe und spricht davon, dass er die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen will. Ist dieser Mensch jetzt Teil der Großen Koalition? Ja oder nein? Er ist es! Also stellen wir fest: Die Große Koalition ist nicht handlungsfähig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber es klagt doch gar nicht die CSU, sondern die Bayerische Staatsregierung!)

Ich sehe hier die Kollegin und den Kollegen von der CSU und der SPD sitzen, Frau Hasselfeldt und Herrn Oppermann. Frau Hasselfeldt hat davon gesprochen, dass die SPD das Koalitionsklima vergiftet. Herr Oppermann hat davon gesprochen, dass diese Große Koalition ein Kasperletheater aufführt.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war Herr Kauder! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, das war ich! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nichts Falsches darlegen!)

Dennoch tun Sie so, als wenn das Ganze ein nüchterner, sachlicher Streit wäre. Nein, Herr Gabriel, einen nüchternen, sachlichen Streit und eine vernünftige Debatte würden wir von Ihnen erwarten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, wie eine vernünftige Debatte ausschaut? Eine vernünftige Debatte, Herr Gabriel, schaut so aus: Man streitet sich. Man überlegt sich etwas. Man entscheidet, man handelt dann und dreht sich nicht wie ein Brummkreisel die ganze Zeit im Kreis. Bei so etwas ist zwar Bewegung drin, aber vorwärts geht dabei überhaupt nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wissen Sie, Herr Gabriel, was man einfach schlichtweg feststellen kann? Ihre Koalition hat hier zwar 80 Prozent der Abgeordneten, und wir haben wirklich ein hervorragendes Land mit klasse Bürgern; aber dieses Land wird einfach krass unter Wert regiert, unter anderem von Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir von der SPD in dieser Krise erwartet, dass sie ganz klar für die offene Gesellschaft steht, dass sie ganz klar erläutert, wie wir das schaffen. Erwartet hätte ich aber nicht diesen wüsten Zickzackkurs, den die SPD hier aufführt:

(Matthias Ilgen [SPD]: Unfug!)

mal rechts von der Kanzlerin, mal links von der Kanzlerin, und fünf Minuten später weiß man schon nicht mehr, wo sie steht. Das erklärt auch das seltsame Verhalten der SPD-Ortsverbände in Essen, wo sie einen Lichtermarsch gegen neue Flüchtlingsheime geplant haben. Ich meine, das ist ein Symptom Ihres eigenen Zickzackkurses, den Sie hier aufführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was erzählt denn dieser Palmer?)

Vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu Ihrem Jahreswirtschaftsbericht. Wissen Sie, Ihr Jahreswirtschaftsbericht ist unvollständig, ebenso wie sämtliche Jahreswirtschaftsberichte der letzten Jahre unvollständig waren. Sie stellen hier einen Bericht vor, der ökologisch blind und sozial gleichgültig ist.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Es erstaunt uns zwar nicht, dass Sie einen Bericht vorstellen, der ökologisch blind ist, aber dass Sie einen Bericht vorstellen, der sozial gleichgültig ist, ist, wie ich finde, für einen SPD-Vorsitzenden und für einen SPD-Vizekanzler schon ziemlich bemerkenswert. Sie verlieren kein Wort dazu, dass die Einkommensungleichheit in diesem Land so groß ist, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Sie unternehmen nichts dagegen, dass die oberen 10 Prozent inzwischen die Hälfte des Nettovermögens besitzen und dass die unteren 50 Prozent de facto nichts haben. Sorgen Sie endlich dafür, dass unser Staat gerechter wird! Dann empfinden die Leute dieses Land auch wieder als gerechter und identifizieren sich stärker mit diesem Land und dieser Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Gabriel, auch in einer ganzen Reihe von Bereichen in der Energiepolitik ist dringend etwas zu tun. Es ist dringend dafür zu sorgen, dass die Kohlenutzung endlich ausläuft. Die Folgekosten der Kohleverstromung sind gigantisch. Sie sind nicht nur ökologisch gigantisch, sondern auch ökonomisch gigantisch.

Ich gestehe Ihnen zu, dass es in der Energiepolitik mit Ihrem Koalitionspartner schwierig ist. Herr Fuchs hat hier wieder ein Beispiel abgeliefert von – ich weiß gar nicht,

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Sie wollen die Realität nicht wahrhaben!)

was man dazu sagen soll, wenn man fachlich Ahnung hat – vollkommener Unbelecktheit in energiepolitischen Fragen. Ich will politisch nur eines dazu sagen: Bei allen Volten, die Herr Seehofer schlägt: Dass Seehofer jetzt zu uns Grünen gehört, Herr Fuchs, möchte ich wirklich bestreiten.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ich weiß gar nicht, wo ich das gesagt habe! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das hat er nie gesagt!)

Da der Hauptfeind des Leitungsausbaus in Deutschland Herr Seehofer ist, würde ich sagen: Fassen Sie sich da mal an die eigene Nase, und reden Sie mal mit Ihren Kollegen von der CSU, dass es da endlich vorwärtsgeht! In einem Punkt hatten Sie nämlich recht: Beim Leitungsausbau muss es vorwärtsgehen. Deshalb: Stellen Sie Herrn Seehofer mal in den Senkel, und lassen Sie sich von ihm nicht weiter auf der Nase herumtanzen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Zum Schluss: Ja, unser Land ist stark, unser Land ist handlungsfähig, aber es wird von dieser Bundesregierung unter Wert regiert. Ändern Sie das endlich; denn es ist Zeit dafür.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Sie sind doch überall die großen Verhinderer!)

Das Wort erhält nun der Kollege Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6478587
Wahlperiode 18
Sitzung 152
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung - Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016
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