Katharina DrögeDIE GRÜNEN - Regierungserklärung - Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, das, was Sie – und auch Herr Heil – hier heute gemacht haben, hat mich ein bisschen an Selbstbeschwörung erinnert. Die Hälfte Ihrer Redezeit haben Sie darauf verwendet, uns vorzutragen: Uns geht es gut, die Wirtschaft brummt,
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das stimmt ja auch!)
wir haben keine Koalitionskrise.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias Ilgen [SPD]: Das ist nun mal die Realität!)
Man hatte den Eindruck, Sie müssen es nur oft genug sagen, damit Sie es auch selbst glauben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Wenn man bilanziert, stellt man fest: Einen Koalitionspartner zu haben, der sich vor den Flüchtlingen fürchtet, statt die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale zu sehen, ist schon eine Misere. Aber wenn man dann auch noch selbst keine Konzepte hat, weder in der Flüchtlingspolitik noch wirtschaftlich im Hinblick auf die künftigen Herausforderungen für unser Land, dann ist das schon ziemlich blöd, und dann ist Selbstbeschwörung wahrscheinlich nötig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Quatsch! – Matthias Ilgen [SPD]: Was schlagen Sie vor?)
Wenn man sich Ihre Wirtschaftspolitik ansieht, muss man sagen: zu geringe Investitionen in Infrastruktur, erneuerbare Energien und Bildung, keine koordinierte europäische Wirtschaftspolitik.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: 24 Milliarden Euro jedes Jahr für Erneuerbare sind zu wenig?)
Zur Wettbewerbspolitik, die das Potenzial und die Kreativität der Unternehmen im Lande fördern soll, habe ich von Ihnen in Ihrer Rede heute kein einziges Wort gehört. Dabei ist dies die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft. Es wäre Ihr Job, hier faire Spielregeln zu schaffen. Genau da tun Sie aber nichts, bzw. Sie tun das Gegenteil: Sie fördern einseitig große Unternehmen zum Schaden von vielen kleinen und anderen Unternehmen in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])
Das zeigt zum Beispiel Ihre Entscheidung zur Fusion von Edeka und Tengelmann, die Sie gegen jede Expertise und jeden Rat durchgedrückt haben.
(Matthias Ilgen [SPD]: Mit den schärfsten Auflagen, die es jemals gegeben hat!)
Sie wird zur Folge haben, dass Edeka eine größere Marktmacht bekommen wird, dass das Unternehmen in der Lage sein wird, die Preise zu drücken und die Konditionen zu diktieren, und kleinere Supermärkte, Hersteller und Bauern in die Ecke gedrängt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Ilgen [SPD]: Die Arbeitsplätze sind Ihnen egal!)
Diese Politik, die auf Große setzt und den Wettbewerb schädigt, wird auch an der Entscheidung der Bundesnetzagentur deutlich, das Telekommonopol im Bereich des Kupferkabels auszuweiten. Gestern haben Sie im Wirtschaftsausschuss gesagt, dass Sie das für eine gute Entscheidung halten. Sie begrenzt aber den Glasfaserausbau und stellt die Wettbewerber in die Ecke. So nutzen Sie aus Ihrer Sicht die Chancen der Digitalisierung. Ich kann nur sagen: Damit haben Sie die Reise in die Vergangenheit angetreten. Wirtschafts- und zukunftsfähig ist das nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zum Schluss zum Thema „Digitalisierung und ihre Bedeutung für die Wettbewerbspolitik“. Sie haben jetzt endlich gesagt, dass man bei der Fusionskontrolle auch das Thema Datenmacht berücksichtigen müsse. Auch wir haben eine Brieffreundschaft miteinander. Wir haben schon viele Briefe geschrieben, in denen wir gefragt haben, was Sie eigentlich mit dem Wettbewerbsrecht machen und wie Sie auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagieren wollen.
Im Mai vergangenen Jahres war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen, dass Sie Google zerschlagen wollen. Dann ist Ihnen aber aufgefallen, dass das vielleicht doch etwas schwierig ist und dies deshalb vielleicht doch eine etwas zu steile These ist. Danach kam lange nichts von Ihnen. Jetzt kommt nun vielleicht eine Änderung bei der Fusionskontrolle. Hinzu kommen die Themen AGB, Missbrauchskontrolle, Belastung der Verbraucher usw. Hierzu fehlen Konzepte von Ihnen. Diese wären aber dringend notwendig; denn wir haben es mit Giganten im Internet zu tun, die Monopolisierungstendenzen aufweisen.
Vor allen Dingen haben wir es beim Thema „digitale Wirtschaft“ nicht mit einem normalen Gut zu tun, sondern mit einem sehr sensiblen Gut. Dabei geht es auch um Datenschutz, Verbraucherschutz und sehr sensible Informationen über unser tägliches Leben.
Deshalb wäre es besonders wichtig, dass der Wirtschaftsminister hinschaut. Sie haben aber viel zu lange gewartet. Deswegen ist es dringend notwendig, dass Sie endlich handeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Wort erhält nun die Kollegin Sabine Poschmann für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6478707 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung - Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016 |