Axel KnoerigCDU/CSU - Regierungserklärung - Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Zuschauer! Der vorliegende Jahreswirtschaftsbericht weist sehr wohl auch die Chancen der Digitalisierung aus. Es wird vor allem dargestellt, in welchem Maße die Unternehmen die Digitalisierung bisher umgesetzt haben. Dabei wird großer Wert auf die Arbeitswelt gelegt – das ist wichtig –, Stichwort „Arbeit 4.0“. Dazu gibt es unterschiedliche Beurteilungen. Amerikanische Studien sagen voraus, dass sich bis zu 59 Prozent der Berufe verändern werden und dass 81 Prozent der Beschäftigten davon betroffen sein werden. Man kann diese amerikanischen Studien sicherlich nicht eins zu eins auf den deutschen Arbeitsmarkt übertragen, daher ist es richtig und wichtig, dass das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit erstmals diesbezüglich eine Studie vorgelegt hat. Demnach werden bis 2030 keine Berufe durch den digitalen Wandel verschwinden. Das ist keine Entwarnung; denn innerhalb der Berufsfelder müssen wir auf Veränderungen vorbereitet sein. Das kann man sehr einfach in einem Satz zusammenfassen: Die Zahl der einfachen Tätigkeiten wird abnehmen, die der kreativen, komplexen Aufgaben zunehmen.
Wir müssen den digitalen Wandel so gestalten, dass Deutschland ein attraktiver Innovationsstandort für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleibt und dass die Folgen aufgrund der geschilderten Entwicklung für Berufe und Branchen berechenbarer werden. Dafür ist eine zielgerichtete Bildungs- und Forschungspolitik wichtig. Wir brauchen eine verlässliche, auf Innovation gerichtete Wirtschaftspolitik und nicht neue Vorschläge für Subventionen. Wir wollen, dass die Wirtschaft überall, nicht nur in großen Unternehmungen und den wirtschaftlichen Kraftzentren der Republik, wächst. Wir wollen gerade aus diesem Grund die Innovationskraft des Mittelstandes sowie der kleinen und mittleren Unternehmen stärken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In der digitalen Wirtschaft sind drei Voraussetzungen maßgeblich. Erstens. Die Branchen müssen sich auf den Weltmärkten behaupten können. Zweitens. Es muss bei der Netzinfrastruktur einen Dreiklang aus Breitbandausbau, Datenschutz und IT-Sicherheit geben. Drittens. Wir müssen fortlaufend durch Bildung und Weiterbildung – das ist ganz wichtig – die Mitarbeiterschaft mobilisieren. Zudem gibt es Optimierungspotenziale. Deutschland liegt hier beim Vergleich führender Volkswirtschaften nur im Mittelfeld. Hier gilt es, das Wachstumspotenzial auszuschöpfen; denn wir haben erlebt, dass dort, wo Mittelstand und Digitalisierung aufeinandertreffen, bereits große Wachstumspotenziale gehoben wurden. Ich bin mir sicher, dass unser Mittelstand weiterhin solche Potenziale heben wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Digitalisierung muss vor allem flächendeckend erfolgen. In jeder Branche muss sie zu einem Hauptthema werden. Dabei stellen wir fest, dass sich die Unternehmen in drei Cluster aufteilen. Eine Gruppe von Unternehmen sieht große Chancen in der Digitalisierung ihrer Prozesse und schlägt zukunftsorientiert neue Wege ein. In einer anderen Gruppe ist das weitaus geringer ausgeprägt. Sie wägt eher Chancen und Risiken ab. Zudem gibt es leider einen bedeutenden Anteil an Unternehmen, in denen die Digitalisierung nur schleppend vorankommt. Hier müssen wir Überzeugungsarbeit leisten.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat vielfältige Förderprogramme aufgelegt, um die Entwicklung zu beschleunigen. So werden beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, digitale Technologiebereiche gerade im Mittelstand gestärkt. Neu ist die Initiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“. Damit werden gezielt Handwerk und Handel unterstützt. In vielen Bundesländern entstehen Kompetenzzentren, um das Wissen in den Betrieben rund um das Thema Digitalisierung zu verbessern. Letztendlich hängt der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens aber von einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie ab. Das ist Sache der Manager und weniger der Informatiker.
Unsere Forschungsministerin Frau Professor Wanka hat einen integrierten Ansatz aus Produktion, Dienstleistungen und Arbeit gewählt und alles in einem Programm zusammengefasst. Trotz der Kritik, die es von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gegeben hat, ist dieser integrative Ansatz richtig. Wir wissen heute, dass gerade diese Vorgehensweise richtig gewesen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mittlerweile geben wir 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Bildung aus. Wir sollten heute schon mutig sein und insbesondere mit Blick auf 2017 sagen, dass wir das in der nächsten Wahlperiode auf 4 Prozent anheben möchten.
Die berufliche Bildung könnte in der Praxis durchlässiger sein, gerade wenn man sie gegenüber der akademischen Bildung aufwerten möchte. Wir müssen vor allem im ländlichen Raum Übergänge schaffen, weil dort der Fachkräftebedarf im Handwerk und im Handel besonders hoch ist. Vor diesem Hintergrund appelliere ich: Wir brauchen die Berufsschule 4.0. Sie richtet die duale Ausbildung auf die Digitalisierung aus. Sie ist mehr als „training on the job“; denn sie vermittelt Theorie und Praxis in der Produktion von Industrie 4.0, und das auch für Handwerk und Handel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen vor allen Dingen auch auf Verwaltungsebene nachlegen. Wenn Länder wie USA, Großbritannien, Südkorea uns da um einiges voraus sind, dann müssen wir als Bund leistungsfähige IT-Infrastrukturen für die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden schaffen. Und ich frage Sie: Wo ist das denn am weitesten ausgeprägt? Das ist doch in der Kommune. Seit Mitte der 90er-Jahre stellen wir Jahr für Jahr auf der CeBIT die virtuelle Kommune vor. Wir sprechen davon, für Private Leitmärkte im IKT-Bereich zu entwickeln. Aber dann müssen wir uns auch die Frage gefallen lassen, ob der öffentliche Sektor dabei wirklich so gut aufgestellt ist, wie es bei Unternehmen in gewissen Größenordnungen selbstverständlich ist.
Deswegen brauchen wir, sehr geehrter Herr Minister, in jedem Bundesland ein IT-Zentrum und ein einheitliches System, das die Dienste von Bund, Ländern und Kommunen zusammenführt. Wir brauchen eine neue Bund-Länder-Kommission mit dem Schwerpunkt Digitalisierung und Verwaltung. In den letzten Wochen haben wir mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren gezeigt, wie schnell ein Gesetz im Bundestag verabschiedet werden kann. Für die Betreiber von Flüchtlingsheimen, für die Kommunen, für die Bundesagentur ist es damit auf einmal, binnen weniger Wochen, möglich, auf ein und dieselbe Software zuzugreifen. Da sage ich: So eine zügige parlamentarische Arbeit wünsche ich mir auch bei vielen anderen Gesetzesvorhaben, insbesondere bei solchen mit Blick auf die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6478785 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung - Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016 |