Thorsten FreiCDU/CSU - Bundeswehreinsatz Kurdistan-Irak
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr van Aken, dass Sie in der Tat die völlig falschen Schlussfolgerungen aus der Situation im Nordirak ziehen. Natürlich ist es so, dass wir in der Vergangenheit hier in diesem Hause über kaum ein anderes Mandat heftiger diskutiert haben als über die Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak und die anschließende Ausbildungsunterstützungsmission der Bundeswehr.
Aber wenn wir heute ein Zwischenresümee ziehen müssten, dann fiele es ausnahmslos positiv aus. Angesichts dieser Rahmenbedingungen kann man an dieser Stelle ein positives Resümee ziehen, weil sich all das, was auch vor einem Jahr vorgetragen worden ist – nämlich dass der Bundeswehreinsatz den IS stärkt, dass die Zerfallskräfte im Irak zunehmen, dass der Einsatz rechtlich nicht legitimierbar ist und dass er politisch falsch ist –, in der Zwischenzeit nicht bewahrheitet hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will etwas zum Rahmen sagen. Es ist richtig, dass wir als Deutsche und auch als Europäer in unserem unmittelbaren Umfeld Verantwortung übernehmen. Das stärkt im Übrigen nicht nur die Europäische Union insgesamt, sondern auch den europäischen Pfeiler in der NATO, egal ob das ein Einsatz in Mali, in Nordafrika oder im Nahen und Mittleren Osten ist. Es ist richtig, wie wir uns dort engagieren.
Herr Mützenich ist darauf eingegangen, was unmittelbar vor Ort tatsächlich an Positivem geleistet werden konnte. Wenn man in das Spätjahr 2014 geht, dann stellt man fest, dass damals die Peschmerga die einzige Bastion gegen den IS waren. Was haben sie erreicht? Im vergangenen November haben sie Sindschar zurückerobert. Sie haben beispielsweise die Autobahn 47 zwischen Rakka und Tikrit zurückerobert, die eine wichtige Logistiktrasse zwischen Irak und Syrien ist. Sie haben darüber hinaus westlich von Kirkuk neue Pufferzonen geschaffen. All das war richtig und wichtig.
Auch die irakische Zentralregierung hat bedeutende Erfolge erzielt, beispielsweise mit der Rückeroberung von Tikrit und Ramadi. Auch wenn es illusorisch klingen mag, dass al-Abadi davon spricht, bis Ende des Jahres den IS vollständig vertrieben zu haben, so glaube ich schon, dass es klar ist, dass sich die Kräfteverhältnisse verändert haben. Da wäre es zu kurz gesprungen, nur darauf zu gucken, dass in den vergangenen zwölf Monaten der IS etwa 15 Prozent seiner Einflusssphäre verloren hat.
In dieser Zeit ist auch anderes passiert. 10 000 islamistische Terroristen – darunter auch wichtige Köpfe des Terrorkalifats – sind getötet worden. Finanzierungsquellen werden Stück für Stück ausgetrocknet und Nachschubwege systematisch abgeschnitten. Das hat auch unmittelbare Erfolge. Man kann ja sehen, dass der IS an Schlagkraft verliert, dass er beispielsweise seinen Beschäftigten nur noch den halben Sold auszahlen kann, dass er nicht mehr so viele Terrorsöldner akquirieren kann wie in der Vergangenheit. Das Allerwichtigste ist, dass er ein Stück weit seinen Nimbus verliert, nämlich den Nimbus, in der fragilen Region für Stabilität sorgen zu können. Deswegen müssen wir exakt auf diesem Weg weitermachen; davon bin ich überzeugt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auf diesem Wege weiterzugehen, ist auch deshalb notwendig, weil trotz aller Erfolge der IS immer noch den Terrorismus nach Europa exportiert, weil er immer noch unsere Werte, unsere Art, zu leben, angreift und weil er darüber hinaus für immer neue Fluchtursachen in der Region verantwortlich ist. Man kann ganz unmittelbar sehen, dass das militärische Eingreifen und die Unterstützung in der Region letztlich verhindert haben, dass weitere Menschen aus dieser Region zu uns nach Europa und nach Deutschland kommen. Das hat im Übrigen auch dazu geführt, dass man die Arbeit des UN-Flüchtlingshilfswerks entsprechend unterstützen und in relativer Stabilität Flüchtlingscamps in der Region betreiben kann. Das ist notwendig und wichtig. Deshalb muss man diesen Weg weitergehen.
Ich glaube, dass ein Beitrag sein muss, dem IS dort in der Region die Stirn zu bieten, wo er seine Wurzeln hat. Deshalb ist dieser Einsatz richtig. Das zeigt sich in Kobane, wohin die Menschen wieder zurückkehren. Vor genau einem Jahr haben die syrischen Kurden Kobane zurückerobert. Von den 400 000 Menschen, die dort in der engeren Region leben, sind etwa 200 000 wieder zurückgekehrt. Selbst nach Sindschar kehren die Menschen zurück, obwohl die Lage schwierig ist. Das heißt, dass die Menschen in der Region bleiben, wenn sie eine Perspektive haben. Diese Perspektive müssen wir auch mit militärischen Beiträgen eröffnen und sichere Pufferzonen für die Zivilbevölkerung schaffen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Mützenich, Sie haben richtigerweise gesagt, dass das nur ein Teil des Ganzen ist. Hinzu kommen 100 Millionen Euro an humanitärer Hilfe und 170 Millionen Euro, die wir einsetzen, um die staatlichen Strukturen im Irak zu stärken und letztlich dem IS den Nährboden zu entziehen. Das ist richtig.
Man muss auch auf die Probleme in Bezug darauf hinweisen, was mit den Waffen passiert. Man muss mit der kurdischen Regionalregierung in Erbil und genauso mit der Zentralregierung in Bagdad deutlich sprechen, weil es nicht sein kann, dass internationale Gelder zurückgehalten werden und dass monatelang keine Gehälter gezahlt werden; denn damit wird die Grundlage geschaffen, mit diesem Geld Schindluder zu treiben.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen. Wir müssen den Blick auch etwas weiter in die Zukunft richten, wenn es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen. Ich finde, Minister Müller hat mit seinem Zehn-Punkte-Plan und seinem Programm „Cash for Work“ exakt das Richtige getan, um für 500 000 Menschen in der Region die Grundlage nicht nur für eine Arbeits-, sondern auch für eine Lebensperspektive zu schaffen. Das ist der richtige Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es sind viele Punkte, die man zusammenbringen muss. Wir machen das. Deswegen sollten wir diesen Weg fortsetzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nächster Redner ist der Abgeordnete Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6479266 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz Kurdistan-Irak |