Reinhard BrandlCDU/CSU - Bundeswehreinsatz Kurdistan-Irak
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im August 2014 hatten wir uns hier in diesem Saal zu einer Sondersitzung versammelt. Wir waren schockiert über den Erfolg und die scheinbare Unbesiegbarkeit der Terrororganisation IS, die damals nach und nach immer mehr Gebiete im Irak erobert hatte. Ich erinnere mich gut: Sie stand damals 40 Kilometer vor Erbil, und es waren die Peschmerga-Kämpfer, die sich ihr entgegengestellt haben und in deren Gebiet damals Zehntausende Jesiden und Christen geflohen waren.
Wir haben uns damals in einer schwierigen Abwägung und nach einer sehr intensiven Debatte dafür entschieden, den Peschmerga im Kampf gegen den IS beizustehen, sie zuerst auszurüsten und danach auch auszubilden, wohl wissend, welche Risiken damit verbunden sind, in einen laufenden Konflikt Waffen zu liefern, und wohl wissend, was für ein Risiko es auch für den Irak sein kann, wenn wir eine Gruppe in diesem fragilen Staatsgebilde plötzlich direkt unterstützen.
Im Nachhinein war diese Entscheidung richtig. Erbil konnte gehalten werden. Der Mythos der Unbesiegbarkeit des IS wurde gebrochen, und nach und nach konnten die Peschmerga weitere Gebiete zurückerobern, wie zum Beispiel die Stadt Sindschar im November 2015. All das wäre ohne die internationale und insbesondere die deutsche Hilfe nicht möglich gewesen.
Ich war im letzten Jahr, wenige Monate später, mit einigen Kollegen zu Gast in Erbil und habe dort mit Vertretern der kurdischen Regionalregierung, der Peschmerga und auch der Bundeswehr gesprochen. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen, die zeigen, wie die Hilfe der Bundeswehr tatsächlich vor Ort wirkt.
Erstes Beispiel. Der IS hatte damals Lastwagen voll mit Sprengstoff gepackt und mit Metallplatten notdürftig gepanzert. Selbstmordattentäter haben diese Fahrzeuge damals in die kurdischen Dörfer gefahren und an den Stellungen der Peschmerga explodieren lassen. Die Peschmerga konnten dem nichts entgegensetzen. Sie waren dem hilflos ausgeliefert. Mit den Milan-Raketen, mit denen wir sie unterstützt haben, konnten sie nun erstmals diese Fahrzeuge auch auf Distanz bekämpfen, was zum einen die Verteidigungsfähigkeit, zum anderen aber auch die Moral der Truppe enorm erhöht hat.
Zweites Beispiel: Sanitätsausbildung. Die Peschmerga haben damals sehr viele Kämpfer verloren, weil sie einfach nicht wussten, wie sie bei Verletzungen handeln sollen und wie sie bei einem Massenanfall von Verletzten reagieren sollen. Die Sanitätsausbildung der Bundeswehr – ganz einfache Dinge wie das Stillen von Blutungen zum Beispiel – hat massiv dazu beigetragen, dass deutlich weniger Opfer anfallen, und auch das hat die Verteidigungsfähigkeit erhöht und die Moral der Truppe gestärkt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Einsatz war ein Erfolg. Er war vor allem wegen der Kombination von Waffenlieferungen und Ausbildung ein Erfolg. Ein Element alleine hätte diese Wirkung nicht gehabt. Auch das können wir für zukünftige Konfliktsituationen lernen. Aber der Einsatz ist nur ein Mosaikstein; er ist ein Erfolg, aber isoliert betrachtet ist er keine Lösung.
Meine Damen und Herren, fokussieren wir uns einmal nur auf den Nordirak. Wir waren dort bei der Regionalregierung. Diese sagte: Klar, der Kampf gegen den IS ist eines unserer Probleme, aber wir haben noch zwei viel größere Probleme. Erstens sind wir praktisch zahlungsunfähig. Wir können unsere Kämpfer und unsere Staatsbediensteten nicht bezahlen. Zweitens wissen wir auch nicht, wie wir die im Moment 350 000 Flüchtlinge, die in unserer Region sind, tatsächlich versorgen sollen, vor allem auf lange Sicht. – Auch dafür braucht der Nordirak unsere Unterstützung.
Wir haben uns damals auch mit Vertretern von Christen und Jesiden getroffen. Die haben uns berichtet, dass, als der IS kam und sie vertrieben wurden, es ihre arabischen Nachbarn waren, die begonnen haben, ihre Häuser zu plündern.
Meine Damen und Herren, das allein zeigt, was für eine große Aufgabe die Menschen in der Region im Hinblick auf Aussöhnung und Wiederaufbau noch vor sich haben. Wir sollten jenseits dieses Einsatzes dann, wenn die Waffen schweigen, wenn der IS besiegt ist, diese Menschen nicht vergessen. Sie sind auf unsere Hilfe dringend angewiesen. Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir diese Menschen nicht vergessen werden und dass wir ihnen auch dann zur Seite stehen werden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6479337 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz Kurdistan-Irak |