28.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 152 / Tagesordnungspunkt 13

Herlind GundelachCDU/CSU - Offenlegung der Herkunft von Konfliktrohstoffen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, uns allen in diesem Hohen Hause ist daran gelegen, die Finanzierung von bewaffneten Auseinandersetzungen in Konfliktgebieten durch die Erlöse aus dem Verkauf von sogenannten Konfliktrohstoffen zu unterbinden. Hierbei handelt es sich auch um eine internationale Aufgabe, für die wir aber aktuell zumindest erst einmal eine europäische Regelung anstreben.

Das Thema ist brisant und auch sehr komplex. Genau das fordert von uns, sehr sorgfältig mit diesem Thema umzugehen; denn nicht durchdachte Schnellschüsse sollten wir vermeiden. Auch sollten wir Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln; denn eine Generallösung für alle Sachverhalte kommt aus unserer Sicht nicht in Betracht. Wir brauchen sinnvolle, praktikable, wirkungsvolle und vor allem auch nachhaltige Regelungen.

Diese Herangehensweise vermisse ich bei dem uns vorliegenden Antrag der Grünen und der Linken. Das ist schade; denn es handelt sich wirklich um ein drängendes Problem.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und den Linken, Sie fordern beispielsweise, dass wir die Definition von Konflikt- und Hochrisikogebieten erweitern, nämlich auf „Gebiete, die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden“, und auf Gebiete, in denen die „Staatsführung … schwach …“ ist. Da frage ich mich, wer eigentlich entscheidet, ob die Staatsführung stark oder schwach ist.

Selbstverständlich fordern Sie ein verbindliches Zertifizierungssystem für die gesamte Lieferkette, also für die Upstream- und die Downstream-Industrie, und eine Offenlegungspflicht, die mit einer Liste verantwortungsvoller Akteure einhergeht.

(Beifall des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In einem nächsten Schritt würden Sie außerdem die Liste der möglichen Konfliktrohstoffe gerne noch erweitern. Sie nennen dabei Chrom, Steinkohle, Kupfer, Kobalt, Seltene Erden und anderes.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Genau!)

Damit stellen Sie Importeure und Exporteure nach unserer Auffassung unter Generalverdacht und grundsätzlich in eine Schmuddelecke.

(Lachen des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit ist nun wirklich niemandem geholfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich denke, wir sind uns einig: Wir brauchen Rohstoffe, aber sie müssen auf einem verantwortungsvollen Weg zu uns kommen. Ziel der vorgesehenen Verordnung ist es daher, die Querfinanzierung von Rebellengruppen und Konflikten bei der Rohstoffgewinnung zu unterbinden.

Die Europäische Kommission hat dazu den Vorschlag für ein freiwilliges Selbstzertifizierungssystem für europäische Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold als verantwortungsvolle Einführer vorgelegt. Dieser Vorschlag sieht Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vor, die bei der Einfuhr der genannten Materialien einzuhalten sind. Die Europäische Kommission hat damit ganz bewusst einen anderen Weg eingeschlagen als die USA. Nach dem dort geltenden Dodd-Frank Act müssen Unternehmen, die an der US-Börse notiert sind, angeben, ob Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold in ihren Produkten enthalten ist, welches aus der Konfliktregion der Demokratischen Republik Kongo oder ihren Nachbarstaaten kommt.

Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass diese Bestimmungen fast einem Embargo gleichkommen, da sich die Lieferketten zum Teil gar nicht nachvollziehen lassen, und das, obwohl auch klar ist, dass nicht das gesamte Gebiet der Demokratischen Republik Kongo als Konflikt­region eingestuft werden müsste. Aber eine genaue Abgrenzung gestaltet sich in der Praxis eben außerordentlich schwierig. Deswegen haben sich weder die Kommission noch der federführende Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments noch das Europäische Parlament in toto für eine abschließende Liste der Konflikt- und Hochrisikogebiete ausgesprochen. Eine Länderliste wird von allen kategorisch abgelehnt.

Leider – auch das muss man wissen – hat der ­Dodd-Frank Act auch zur Folge, dass aufgrund der rückläufigen Präsenz von amerikanischen und europäischen Betrieben in der Demokratischen Republik Kongo ein größeres Engagement von Firmen zu beobachten ist, die die Empfehlungen der OECD zu Sozialstandards beim Abbau von Rohstoffen nicht beachten. Deswegen ist es einfach falsch, Länder, Regionen, Importeure oder Exporteure unter Generalverdacht zu stellen; denn es führt am Ende eher zu einer Verschlechterung der Situation vor Ort und nicht zu der von uns allen gewünschten Verbesserung. So haben übrigens allein in der Region Katanga in den letzten Jahren rund 400 000 Menschen aufgrund des undifferenzierten Vorgehens nach dem Dodd-Frank Act ihren Arbeitsplatz verloren. Das kann ja wohl nicht der Sinn unseres Handelns sein.

Im Februar soll nun das Trilogverfahren für die EU-Verordnung begonnen werden. Nach mehreren Monaten der Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten wurde zuletzt ein Kompromissvorschlag vorgelegt, der wiederum eine freiwillige Regelung vorsieht. Damit werden die Verhandlungen starten. Wir als CDU/CSU – das betone ich ganz bewusst – möchten uns an einem Kompromissvorschlag konstruktiv beteiligen. Das Thema ist komplex. Wir wollen eine Lösung, die den Interessen der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft gerecht wird. Die Positionen der Mitgliedstaaten sind dabei noch unterschiedlich; das hat auch der Kollege Barthel schon betont. Aber es gibt eine eindeutige Tendenz in Richtung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission.

Auch wir sprechen uns für eine Lösung aus, die auf dem Vorschlag der Kommission und den bestehenden freiwilligen Initiativen europäischer Unternehmen aufbaut. Dabei stützen wir uns ausdrücklich auf die im Koalitionsvertrag niedergelegte Vereinbarung, „freiwillige Zertifizierungssysteme“ für den Import von Rohstoffen zu etablieren; denn viele Firmen sind sich ihrer verantwortlichen Position innerhalb der Wertschöpfungskette sehr bewusst und setzen seit Jahren auf diese freiwilligen Initiativen. Zahlreiche Berichte, unter anderem von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, belegen, dass das sehr gut funktioniert. Deshalb sollten wir mit unserer Regelung auf diesen bereits bestehenden Unternehmensinitiativen und anderen Systemen aufbauen.

In diesem Kontext könnte ich mir übrigens eine offene Liste vorstellen, die diejenigen Firmen auflistet, die sich einer solchen freiwilligen Zertifizierung unterworfen haben. Dann hat jedes Unternehmen, das die in Rede stehenden Rohstoffe verarbeiten will, die Möglichkeit, hierauf zurückzugreifen und sich damit in die Kette der verantwortungsvollen Nutzer einzureihen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Trilogverfahren dient gerade dazu, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen von Kommission, Parlament und Rat zu finden. Die zentrale Frage dabei ist: Halten wir an dem System der Freiwilligkeit fest, oder machen wir den gesamten Prozess verpflichtend, und zwar sowohl im Upstream- als auch im Downstream-Bereich?

Hier möchte ich an das anknüpfen, was der Kollege Barthel gesagt hat: Die Einschränkung im Jahreswirtschaftsbericht, was in diesem Kontext das Thema Bürokratie betrifft, bei dem es auch darum geht, was auf diesem Gebiet überhaupt leistbar ist, ist durchaus zu beachten. Fast alle Handelnden, die in diesem Bereich unterwegs sind, sagen, dass ein effizienter und umfassender Nachweis im Downstream-Bereich nahezu nicht zu führen ist, vor allen Dingen, wenn es sich dabei um die ganze Sekundärrohstoffkette handelt. Da ist ein lückenloser Nachweis schlicht nicht möglich.

Diesen Weg hat auch der federführende Ausschuss des Europäischen Parlaments vorgeschlagen. Genau das ist auch eine der Schwachstellen des Dodd-Frank Acts. Deswegen gibt es dort zwar formal einen Nachweis. Aber in der Regel beruht er darauf, dass man auf einer Liste einen Haken macht, ohne dabei Nachweise zu liefern. Deswegen denke ich, dass wir auf diesem Gebiet so fortfahren sollten.

Wir könnten uns im Upstream-Bereich, wo man das relativ gut nachkontrollieren kann, durchaus eine verpflichtende Regelung vorstellen. Ich glaube, das ist auch, was die Konfliktregionen angeht, das Wesentlichere. Aber im Downstream-Bereich sollten wir eine praktikable Lösung finden, die sozial und auch tatsächlich umsetzbar ist.

Insgesamt – ich glaube, darin sind wir uns einig – gehen wir mit dem Verordnungsentwurf in Europa einen neuen Weg mit zum Teil noch unbekannten Größen. Deswegen schlage ich noch zusätzlich vor, vielleicht nach drei bis fünf Jahren eine Evaluierung des Ganzen vorzunehmen, um dann gegebenenfalls in der Praxis aufgetretene Schwierigkeiten der Regelung sachgerecht beseitigen zu können.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und den Linken, mein Fazit zu Ihrem Antrag lautet: Der Antrag ist weder in der Sache hilfreich, noch ist er praktikabel, und er würde zu mehr statt zu weniger Problemen für die Menschen in den betroffenen Regionen führen. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächstes hat der Kollege Uwe Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6480879
Wahlperiode 18
Sitzung 152
Tagesordnungspunkt Offenlegung der Herkunft von Konfliktrohstoffen
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