Matthias SchmidtSPD - Sport- und Fankultur
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Sport- und Fankultur. Bei meinen Vorrednern wie bei mir geht der erste Gedanke zum Fußball, bei mir zum Stadion An der Alten Försterei des 1. FC Union. Ich sehe die vielen tollen Fußballfans vor mir. Der Antrag geht aber über den Fußball hinaus. Er betrifft den gesamten Sport. Natürlich gibt es auch Fankultur und tolle Fans beim Basketball, beim Eishockey, beim Handball und bei anderen Sportarten.
Lassen Sie uns – um bei dem Beispiel zu bleiben – den Fußball betrachten und eine Art Bestandsanalyse machen. Was finden wir in den Fußballstadien vor? Wir finden eine sehr aktive Fankultur vor. Für die einen, zum Beispiel für mich, reicht es, eine Stadionwurst zu essen, vielleicht ein Bier zu trinken und den Vereinsschal umzuhängen. Andere Fans verbringen ihre gesamte Freizeit mit ihrem Verein. Sie bauen Choreografien. Sie zaubern riesige Bilder und Botschaften in die Stadien. Sie lassen dort zum Beispiel bildlich S-Bahn-Züge fahren. Die Vorbereitung der Choreografien dauert teilweise ein halbes Jahr. Da die Heimspiele alle 14 Tage stattfinden, werden die Choreografien teilweise überlappend vorbereitet. Es gibt eigene Jugend- und Nachwuchsfans, die langsam mit herangeführt werden. Letztendlich produzieren die Fans dort sportpolitische Botschaften.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Erinnern Sie sich an die Forderung der Fans, keine Montagsspiele in der zweiten Liga stattfinden zu lassen, oder an die Forderung, dass die Spiele einheitlich um 15.30 Uhr beginnen sollen? Das war ein übergreifendes Thema, das alle Fans in allen Stadien parallel choreografiert haben. Teilweise geht es auch nur um die Vereinspolitik, um die Unterstützung eines erkrankten Spielers, um die Trainerfrage oder um andere Aspekte. Aber es stecken immer Botschaften dahinter.
Zusammenfassend kann ich sagen: Die Fankultur ist bunt, sie ist vielfältig, sie ist integrativ, und sie ist vor allem eines, sie ist unangepasst. Wenn ich ins Stadion gehe, will ich genau das haben. Wenn wir im Bundestag zu der Erkenntnis kommen, dass die Fankultur gut ist, dann müssen wir uns wirklich fragen, ob es sinnvoll ist, dass wir als Bundestag nun eingreifen. Fragen Sie doch einmal zu Hause Fans, ob sie wollen, dass wir an dieser Stelle eingreifen. Die Prognose – sie ist nicht allzu gewagt – ist: Sie werden sich zurückhaltend und vorsichtig dazu äußern.
Wenn die Fans etwas nicht gut finden, haben sie im Stadion den Vorteil, dass sie einfach laut pfeifen können, um damit ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir im Bundestag etwas nicht gut finden, können wir nicht pfeifen, aber wir haben das Wort. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, möchte ich mich mit Ihrem Antrag auseinandersetzen.
Letztendlich hat Ihr Antrag zwei Hauptzielrichtungen.
Erstens. Es geht um die Bekämpfung des Rechtsextremismus im Sport. Zu Recht schreiben Sie, dass es um die Verbindungen einzelner Fußballfans zur rechtsextremen Szene geht. Das ist also, Gott sei Dank, kein Massenphänomen, aber natürlich ein sehr wichtiges Thema. Ihre Forderung ist dann, ein einheitliches Bundesprogramm zu schaffen und viele andere zusammenzufassen. Genau diesen Weg halte ich für falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Nur die Vielzahl der Programme kann der Vielfalt tatsächlich gerecht werden. Ein einheitliches Programm könnte dies nicht leisten.
Sie schlagen außerdem vor, einen unabhängigen Beirat einzusetzen. Auch an dieser Stelle habe ich große Bedenken. Wer soll denn in diesem Beirat Mitglied sein? Etwa wir, wieder nach Fraktionsstärke? Lassen Sie den Sport das alleine machen; das ist schon eine sinnvolle Sache.
Die zweite Zielrichtung Ihres Antrags ist die Überprüfung der Datei „Gewalttäter Sport“. Da haben Sie mehrere Punkte aufgeführt, die ich sehr unterstütze. Sie möchten, dass Fälle, in denen Sportfans in ungerechtfertigter Weise, etwa nach einem Freispruch, in die Datei aufgenommen wurden, überprüft werden. Herr Staatssekretär Schröder – ich denke, wir werden darüber ja noch in zwei Ausschüssen miteinander sprechen –, da hätte ich schon gerne eine klare Aussage der Bundesregierung, dass solche Menschen erst gar nicht in die Datei „Gewalttäter Sport“ aufgenommen werden bzw. dass sie, wenn sie drin sind, sofort gelöscht werden. Das Gleiche gilt für Menschen, die nachweislich keine Straftaten begangen haben; auch sie müssen aus der Datei gelöscht werden.
Als weitere Forderung haben Sie eine Art Widerspruchsmöglichkeit vorgesehen. Da habe ich am Anfang gedacht: Eine Widerspruchsmöglichkeit kann man auf keinen Fall schaffen; dann funktioniert das System nicht mehr. – Nachdem ich ein bisschen länger darüber nachgedacht habe, kam ich ins Zweifeln. Darüber sollte man ruhig noch einmal reden und auch im Ausschuss darüber diskutieren.
Tatsächlich ist es so: Jemand darf nur dann in die Datei „Gewalttäter Sport“ eingetragen werden, wenn es einen konkreten Anfangsverdacht gegen die betreffende Person gibt. Herr Staatssekretär, auch darüber werden wir im Ausschuss hoffentlich noch reden.
Sie haben zwei weitere Punkte aufgeführt, zu denen ich kurz Stellung nehmen möchte:
Der erste Aspekt betrifft die Löschungsfristen. Sie wollen gerne, dass bei Erwachsenen nach zwölf und bei Jugendlichen nach sechs Monaten gelöscht wird. Bei Erwachsenen entspräche das allenfalls einer Saison. Ich glaube, dass das viel zu kurz gegriffen ist. Sie selbst haben in Ihrer Rede gesagt, dass die Alt-Hools inzwischen in die Stadien zurückdrängen. Wir brauchen an dieser Stelle Repression, und wir brauchen die Datei „Gewalttäter Sport“. Die Löschungsfristen sind hier deutlich zu kurz.
Zweitens wünschen Sie sich auch im Hinblick auf die Datei „Gewalttäter Sport“ einen Beirat. Da gilt das, was ich eben schon in Bezug auf den anderen Beirat gesagt habe: Ich finde, das ist zu viel. Wir sollten das nicht machen. Gleichwohl: Es ist gut, dass wir das in den Ausschüssen, im Innenausschuss und im Sportausschuss, noch einmal debattieren und dann auch den Sachverstand der Bundesregierung einfließen lassen.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Johannes Steiniger.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6481071 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Sport- und Fankultur |