Herbert BehrensDIE LINKE - Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist sicher: Der Beschluss heute Abend ist für die deutschen Reeder fast so etwas wie ein Sechser im Lotto. Es geht um erhebliche Summen, die hier über den Tisch gereicht werden, für ein Ergebnis, das wir heute noch nicht kennen und das möglicherweise in fünf Jahren einmal evaluiert wird. Dabei wissen wir sehr gut, wie mit einer Regelung umgegangen wird, wenn sie erst einmal Jahre in Kraft war, und was daraus folgt. Wir haben das beim Schiffserlöspool gesehen. Dieses Instrument wurde letztendlich zur Dauereinrichtung. Die Lobby der Reeder hat ein offenes Ohr beim Finanzminister und auch in der Großen Koalition gefunden. Das finden wir schlecht.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen Reeder künftig null Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. Sie können sie sich vollständig in die eigene Tasche stecken. Wir haben doch Erfahrungen mit der dauerhaften Subventionierung in den vergangenen Jahren – bald sind es schon Jahrzehnte – gemacht. Wenn wir da Bilanz ziehen und uns ehrlich die Karten legen, dann sehen wir die Folgen der Subventionierung. Im Jahr 2000 waren auf Schiffen unter deutscher Flagge über 12 000 Seeleute beschäftigt. 2015 waren – so viel zur Arbeitsplatzsicherheit – nur noch knapp über 8 000 deutsche und ausländische Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge tätig. Die Zahl der Schiffe sank im gleichen Zeitraum unter die Grenze von 400. Wir sind jetzt bei 350 angekommen. Das heißt, nur noch rund die Hälfte der Schiffe, die früher unter deutscher Flagge gefahren sind, sind heute unter deutscher Flagge zu finden.
Auf den ausgeflaggten Schiffen arbeiten die Seeleute zu schlechteren Bedingungen als die Kolleginnen und Kollegen auf Schiffen unter deutscher Flagge.
(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Hört! Hört!)
Nur noch 53 der über 300 Reedereien in Deutschland bilden aus. Dieser Niedergang der deutschen Seeschifffahrt kostet den Bund Milliarden.
(Zuruf von der SPD: Den stoppen wir jetzt!)
Allein bei der Tonnagesteuer sind in den letzten sieben Jahren 4,7 Milliarden Euro zur direkten Subventionierung der Reeder über den Tisch gegangen. Das Ziel war, Arbeitsplätze zu erhalten, Arbeitsplätze zu sichern. Das wurde nicht erreicht. Das Gegenteil ist eingetreten. In Zukunft sollen die Reeder also nicht nur 40 Prozent einbehalten können, sondern 100 Prozent – alles in der Hoffnung, mehr Arbeitsplätze auf deutschen Schiffen zu erhalten. Aber solche Subventionen haben nicht zu mehr, sondern zu weniger Beschäftigung geführt, wie ich eben gesagt habe.
Angeblich sollen mit mehr Geld für die Reeder Wettbewerbsnachteile abgebaut werden. Ja, Dänemark, Italien, Malta und auch Portugal, wohin sich zunehmend deutsche Reeder mit Briefkastenfirmen flüchten, gewähren in der Tat großzügigere Bedingungen. Aber der Rest ist Seemannsgarn. Selbst griechische Reeder führen 10 Prozent pauschal für ihre Seeleute ab. Das ist skandalös wenig, und es macht deutlich, dass hier ein enormer Subventionswettbewerb in Richtung Race to the Bottom, wie eben schon einmal gesagt wurde, auf den Weg gebracht worden ist. Das ist augenscheinlich das einzige Ziel, das dahintersteckt. Die Reeder haben das Drehbuch vorgeschrieben. Wir wissen nicht, was noch alles kommt, welche Forderungen noch erfüllt werden sollen. Wir befürchten, dass eben nicht das eintritt, was gerade gesagt wurde, nämlich dass die Reeder zuverlässig sagen: Ja, für diese Subventionen wird es künftig mehr Schiffe unter deutscher Flagge geben. Es wird mehr Arbeitsplätze, mehr Ausbildungsplätze geben. – Davon ist nichts zu hören. Die Reeder halten sich da bedeckt, kassieren und machen nichts.
Auch die Linksfraktion will das maritime Know-how in unserem Land halten. Deshalb wollen wir eventuell gezahlte Zuschüsse und Subventionen von verbindlichen Zusagen abhängig machen. Ausbildungsplätze fördern? – Ja, wenn reale Ausbildungsplätze vorhanden sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber Steuervorteile dürfen nicht pauschal gewährt werden mit dem Ziel, die Reeder weiter zu entlasten. Die Linke fordert also, Steuerbegünstigungen in dieser Form ganz fest an Zusagen zu binden.
Wenn wir – letzter Satz – das bei anderen Wirtschaftsbranchen ähnlich machen wollten, dann hätten wir ein richtiges Problem. Ein Bäckermeister zahlt natürlich – das wurde schon erwähnt – die Lohnsteuer für seine Angestellten an das Finanzamt – ganz klar. Auch Maschinen- und Anlagenbauer, die ins Ausland exportieren und unter internationalem Druck stehen, zahlen sie. Wenn sie es nicht tun, nennt man das Steuerhinterziehung. Das, was die Reeder hier machen, ist Steuerhinterziehung unter staatlichem Schutz. Das akzeptieren wir nicht. Das ist ein Skandal und ein gefährlicher Präzedenzfall für die Wirtschaftspolitik insgesamt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Rüdiger Kruse.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6481157 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt |