29.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 153 / Tagesordnungspunkt 21

Sonja SteffenSPD - Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kommissionsmitglieder! Liebe Gäste! Herr Dr. Neu, es ist einfach, sich vehement gegen das Parlamentsbeteiligungsgesetz zu stellen, wenn man jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr grundsätzlich ablehnt. Ich finde allerdings, dass das Wahrnehmen internationaler Verantwortung anders aussieht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Immer mehr Krieg!)

Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das heißt, der Deutsche Bundestag stimmt darüber ab – und das soll auch so bleiben –, wenn unsere Bundeswehr, unsere Soldatinnen und Soldaten, in einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte gehen soll. Wir, der Deutsche Bundestag, übernehmen mit diesen Entscheidungen die Verantwortung für den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten.

Wir alle wissen, dass es aktuell mehr Konflikte und Kriege auf der Welt gibt als jemals zuvor. Die Welt ist viel unfriedlicher geworden, und mehr denn je gilt es, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Nationale Alleingänge sind der Anfang vom Ende für Europa.

Wenn Europa seine Interessen wahren und seiner zunehmenden Verantwortung in einer globalisierten Welt nachkommen will, dann wird es seinen wirksamen außenpolitischen und sicherheitspolitischen Beitrag dazu leisten müssen. Es darf keine Alleingänge von Staaten der Europäischen Union geben, wie gegenwärtig leider von einigen Staaten im Zusammenhang mit Grenzschließungen, sondern Integration und mehr gemeinsame Verantwortung sind notwendig. Damit entstehen aber auch mehr gegenseitige Abhängigkeiten. Das gilt auch für militärische Einsätze.

Genau wegen der zunehmenden militärischen Integration europäischer Streitkräfte hat die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass eine Kommission eingesetzt werden soll. Diese sollte prüfen, wie die Parlamentsrechte auf dem Weg fortschreitender Bündnis­integration gesichert werden können.

Die Kommission hat nun ihre Ergebnisse vorgelegt und in einem Gesetzentwurf gebündelt. Dieser liegt uns heute in überarbeiteter Form vor. Von den Einigungsvorschlägen möchte ich einige aufgreifen.

Ich beginne mit § 2 a, der neu ist. Die Überschrift lautet: „Mitwirkung in militärischen Stäben und Hauptquartieren“. Ich zitiere kurz die Vorschrift. Es heißt hier, dass

die Wahrnehmung von Funktionen in integrierten oder multinational besetzten Hauptquartieren, Dienststellen und Stäben der NATO, der EU oder einer anderen Organisation gegenseitiger kollektiver Sicherheit ...

keiner Zustimmung des Bundestages bedürfen soll – jetzt hören Sie gut zu –,

sofern sie sich dabei nicht im Gebiet eines bewaffneten Konflikts befinden oder dort eingesetzte Waffen unmittelbar bedienen.

Damit sind beispielsweise – darauf hat der Kollege Kiesewetter vorhin schon hingewiesen – auch viele Beobachteraufgaben im Rahmen einer UN-Mission gemeint.

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Das mag vielleicht auf den ersten Blick wie eine Beschneidung der Parlamentsrechte wirken, aber ein Blick in die Entstehungsgeschichte des Parlamentsbeteiligungsgesetzes aus dem Jahr 2005 zeigt, dass wir eine ähnliche Regelung schon immer hatten. Sie stand früher allerdings in den Begründungen und nicht ausdrücklich im Gesetzestext. Deshalb dient diese Vorschrift, also die Einkleidung in das Gesetz, im Grunde genommen nur der Klarstellung. Es geht um Präzisierungen und nicht um die Einschränkung des Parlamentsvorbehaltes.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hörte sich bei Herrn Kiesewetter aber anders an!)

Die größten Probleme bei den Debatten über den neuen Gesetzentwurf hat wahrscheinlich § 2 bereitet. Hier geht es um den Einsatz bewaffneter Streitkräfte. In dem neuen Entwurf gibt es nun einen Negativkatalog mit Fällen, in denen eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung nicht zu erwarten ist, weshalb keine Parlamentsbeteiligung erforderlich ist.

Um welche Fälle handelt es sich hier? Neben den bereits im bestehenden Gesetz aufgeführten Fällen ist in unserem jetzigen Gesetzentwurf neu, dass Ausbildungsmissionen „in sicherem Umfeld“ keiner Mandatierung bedürfen. Ich betone: „in sicherem Umfeld“. Neu ist auch, dass Logistikleistungen „ohne Bezug zu Kampfhandlungen“ und die „Bereitstellung medizinischer Versorgung außerhalb des Gebiets eines bewaffneten Konflikts“ nicht zustimmungspflichtig sein sollen. Sie sehen also: Bei diesem Katalog hat sich die Kommission sehr viele Gedanken darüber gemacht und darauf geachtet, dass die Parlamentsrechte nicht beschnitten werden.

Allerdings ist hier nach Meinung meiner Fraktion, der SPD-Fraktion, schon noch einmal eine genauere verfassungsrechtliche Überprüfung erforderlich, weil es, wie die meisten von Ihnen wissen, im September 2015 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Libyen-Einsatz gab.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Libyen-Einsatz im Wesentlichen für rechtmäßig erklärt, hat sich aber inhaltlich mit dem Begriff des „Einsatzes bewaffneter Streitkräfte“ auseinandergesetzt. Es hat in diesem Urteil festgestellt, dass es sich hier um einen verfassungsrechtlichen Begriff handelt, also nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, und dass dieser Begriff nicht durch ein einfaches Gesetz verbindlich konkretisiert werden kann. Das bedeutet also: Wir werden uns im Rahmen der nun beginnenden Beratungen mit dieser Frage noch einmal auseinandersetzen müssen.

Auf die weiteren Neuerungen des Gesetzentwurfes, die im Wesentlichen die Stärkung der Informationsrechte des Parlamentes beinhalten, hat Herr Kiesewetter schon hingewiesen. Wir werden uns nun im federführenden Geschäftsordnungsausschuss mit den bereits benannten verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigen müssen.

Der Bundestag hat nicht nur das Recht auf Beteiligung bei militärischen Einsätzen, sondern auch die Pflicht. Ich glaube, nicht nur wir, die wir hier sitzen, sondern alle Parlamentarier wissen: Wenn es um den Einsatz bewaffneter Streitkräfte geht, dann ist die Entscheidung, die wir hier zu treffen haben, eine der schwierigsten. Wir machen uns diese Entscheidung weiß Gott nicht leicht.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Deshalb wollen wir sie auch nicht treffen!)

Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Parlamentsbeteiligung werden wir diese Rechte auch nicht beschneiden.

Ich möchte abschließend den Mitgliedern der Kommission für ihre umfangreiche und sorgfältige Arbeit danken.

Ich bedanke mich fürs Zuhören und freue mich auf die Debatten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Frithjof Schmidt ist nun der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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Electoral Period 18
Session 153
Agenda Item Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen
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