29.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 153 / Tagesordnungspunkt 21

Hans-Peter UhlCDU/CSU - Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen

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Herr Präsident, ich bedanke mich für den Hinweis an die Opposition. Ich werde auch darauf zu sprechen kommen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! „ Der Kaiser hat die Verfügung über die bewaffnete Macht.“ So stand es in der Paulskirchenverfassung von 1849: „Der Kaiser hat die Verfügung über die bewaffnete Macht.“

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Wollen Sie zurück?)

Das ist eine lange Verfassungstradition, mit der wir bei der Abfassung des Grundgesetzes demonstrativ gebrochen haben. Weder der Kaiser noch das Staatsoberhaupt, sondern wir in diesem Saal, das Parlament, haben die Verfügung über die bewaffnete Macht.

Der Ursprung der heutigen Debatte liegt im Jahr 1994, als das Verfassungsgericht in Karlsruhe ein wegweisendes Urteil gesprochen hat, mit dem Tenor, der Einsatz bewaffneter Streitkräfte bedürfe grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Bundestages. Das ist gut so.

Die demokratisch-rechtsstaatliche Verfassungsordnung ist der Rahmen, in dem entschieden wird, wie mit dem Machtpotenzial der Bundeswehr umzugehen ist. Der Gestaltungsspielraum der Exekutive, des Bundesaußenministers und der Verteidigungsministerin, endet bei der Anwendung militärischer Gewalt im Ausland. Bis dahin sind sie selbstständig und eigenverantwortlich zuständig.

Nun haben sich die Dinge weiterentwickelt. Nach dem rechtsschöpferischen Urteil aus dem Jahr 1994 hat der Bundestag im Jahr 2005 das Gesetz zur Parlamentsbeteiligung beschlossen. Aber seither sind elf Jahre vergangen. Die Welt hat sich weiterentwickelt. Deswegen ist es gut, dass wir im Lichte zunehmender Bündniszusammenarbeit dieses Gesetz auf den Prüfstand gestellt haben. Bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich bei den beiden Vorsitzenden Herrn Kolbow und Herrn Rühe, dass wir uns mit diesem Gesetz sehr intensiv befasst haben. Ich bedauere an dieser Stelle – genauso wie der Präsident und die Koalition –, dass wir dies ohne die Opposition machen mussten. Wir hätten gerne mit Ihnen diskutiert. Viele Missverständnisse, die heute künstlich aufgebläht werden, wären nicht entstanden, wenn wir in den letzten 14 Monaten mit Ihnen hätten diskutieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die weite Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes bei der Frage der Parlamentsbeteiligung birgt allerdings eine Gefahr. Sie birgt die Gefahr, dass durch diese Beteiligung ein Einfallstor in zutiefst militärische Entscheidungen geschaffen wird, das heißt, dass sich Parlamentarier in militärpraktische Details vertiefen, was nicht ihre Aufgabe ist. Das ist die Aufgabe des Militärs, wenn es um das Wie des Einsatzes geht.

Wir haben erreicht – davon bin ich überzeugt; das werden Sie am Schluss auch zugeben müssen –, dass die Parlamentsrechte durch das neue Gesetz abgeglichen und nicht abgebaut werden. Jedenfalls war das die Leitlinie für die Rühe-Kommission. Über bewaffnete militärische Einsätze der Bundeswehr entscheidet also nach wie vor der Bundestag und niemand anderes. Wir haben uns mit einer Reihe von Experten getroffen, NATO-Stützpunkte besucht, unendlich viele Arbeitssitzungen abgehalten und haben uns den Dingen im Detail gewidmet.

Ich möchte auf drei Dinge hinweisen. Es gibt nun eine Pflicht zur Unterrichtung des Parlaments. Ich halte es für wichtig, dass sich der Bundestag als Ganzes einmal im Jahr mit den vielfältigen militärischen Verbundfähigkeiten und unserer diesbezüglichen Einbindung befasst.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das kann man zusätzlich machen!)

Nur gemeinsam im Bündnis können wir unsere Aufgaben lösen. Derzeit diskutieren wir über Flugzeugeinsätze oder EU-Battlegroups. Das können wir nur im Verbund machen.

Der Bericht zeigt, in welchen Bereichen wir uns zur Bündnissolidarität verpflichtet haben. Wir werden mehr Verantwortung in der Außenpolitik übernehmen müssen. Wir werden ein verlässlicher Partner sein müssen. Da darf die Parlamentsbeteiligung, die wir ohne Abstriche bejahen, kein Störfaktor sein. Das war die Aufgabenstellung.

Herr Kollege Uhl, darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen?

Ungern,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

weil ich mir von dem Kollegen nur wenig Konstruktives erhoffe.

Lassen Sie mich fortfahren. Wir sollten mehr Verantwortung im Ausland übernehmen. Wir müssen ein verlässlicher Bündnispartner sein. Dabei geht es darum, dass Deutschland eine Bundeswehr hat, die einsatzfähig ist.

(Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] meldet für Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] eine Kurzintervention an)

– Das ist eine gute Idee. Wenn Sie, Herr Ernst, eine Kurzintervention machen, dann können Sie alles darlegen.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie auch!)

Es gab in der Vergangenheit aufrüttelnde Berichte über schwere Mängel bei der Ausrüstung der Bundeswehr. Ich will nicht so weit gehen und das Wort von der Trümmertruppe übernehmen. Aber die Bundesministerin der Verteidigung, Frau von der Leyen, hat nun zu Recht ein großes Programm mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro für die nächsten 15 Jahre aufgelegt.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist ein Wahnsinn!)

Ich befürchte, dass wir die Bundeswehr in dieser Größenordnung ertüchtigen werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe den Eindruck, dass auch der Bundesfinanzminister dem zumindest dem Grunde nach zustimmt.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er ist aber sicherheitshalber nicht gekommen! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Grausig!)

Es ging bei unserer Arbeit auch um den Einsatzbegriff, einen Begriff, den schon das Gericht vielfältig zu definieren versucht hat. Diesen Begriff wollten wir noch einmal schärfen: Was ist ein Einsatz, und was ist kein Einsatz? Wenn wir diesen Begriff im Unklaren lassen, riskieren wir, dass die Regierung nicht handlungsfähig ist bei ihren vielfältigen Kontakten und Verhandlungen mit den Bündnispartnern. Das Bundesverfassungsgericht ist zunehmend mit der Frage befasst, was ein Einsatz ist. Wir gehen fast regelmäßig davon aus, dass die Linke wegen jedes Einsatzes vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geht. Dann muss das Gericht entscheiden.

Hier befinden wir uns in einem Kernbereich des Politischen. Entscheidungen über Einsätze im Ausland sind zutiefst politische Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht nicht zu treffen hat. Das entscheiden wir im Parlament und niemand anders. Es gilt der Grundsatz des „judicial self-restraint“. Das Gericht war bisher klug beraten, sich bei diesen Fragen, ob ein Einsatz erfolgen muss, zurückzuhalten. Ich hoffe, dass dies auch so bleibt in Karlsruhe.

Wir haben uns also intensiv mit dem Begriff beschäftigt, und wir werden uns jetzt auch weiter im Plenum und in den Ausschüssen mit dem Gesetz befassen. Das ist auch gut so.

Das, was kein Einsatz ist, haben wir auch herausgearbeitet: Logistische Unterstützungen oder medizinische Versorgung außerhalb von Konfliktgebieten sind natürlich kein Einsatz. Selbst das Gericht hat bereits gesagt, dass die bloße Möglichkeit der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen kein Einsatz ist, sondern dass es eine qualifizierte Erwartung an eine solche Verstrickung in militärische Einsätze geben muss. Dann erst entsteht die Mandatierungspflicht.

Auch reine Ausbildungsmissionen sind natürlich kein Einsatz. So können wir – hoffe ich – schnell und flexibel auf die Krisen des 21. Jahrhunderts reagieren, indem wir dort das Parlament befassen, wo es nach Gesetz und Recht erforderlich ist, während in den anderen Fällen die Exekutive handelt.

Lassen Sie mich zu einem dritten Punkt kommen: die Spezialkräfte der Bundeswehr. Jederzeit weltweit einsatzbereit

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ja, genau!)

stehen sie uns zur Verfügung zur Rettung und Befreiung deutscher Geiseln im Ausland, um verdeckte Operationen im Ausland durchzuführen – Spezialaufklärung – oder zur Terrorismusabwehr. Ungeheuer wichtig in unserer Zeit ist dieses Kommando Spezialkräfte.

Wie steht es nun mit der Frage: Was macht das Parlament in diesen Fällen? Auch hier hat das Gericht zu Recht entschieden, dass natürlich keine vorherige Information über einen solch hochgefährlichen Spezialeinsatz erfolgt, dass aber, nachdem der Einsatz hoffentlich erfolgreich zum Wohle der betroffenen Menschen oder Geiseln abgeschlossen ist, selbstverständlich das Parlament, und zwar jeder Einzelne von uns, unterrichtet werden muss. Und das ist eine kluge, weise Entscheidung, der wir gern folgen.

Ich halte es auch für wichtig, dass wir darüber öffentlich sprechen, welche Männer und Frauen wir in der Truppe haben, die ihr Leben riskieren, um andere Menschenleben zu retten. Das sollte ruhig öffentlich diskutiert werden. Das steht ihnen zu.

Wir haben sechs neue Berichtspflichten geschaffen. Das schafft Transparenz, und darum ist der Vorwurf der Linken völlig unbegründet. Der Kollege Schmidt von den Grünen hat gemeint, dass Sie, die Opposition, eine große Hilfe für uns waren, weil Sie uns von bestimmten Dingen abgehalten haben. Diese Dinge hatten wir übrigens gar nie vor,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

aber wenn Sie das heftig glauben, dann kann ich Sie nicht daran hindern.

Nein, wir haben eine Vorlage gemacht, auf deren Grundlage man die Probleme aus unserer heutigen Sicht der verbundenen Bundeswehr in der NATO, in der EU, in Aufgaben im Rahmen von UN-Resolutionen, die wir weltweit erfüllen müssen, lösen kann. Dies ist ein Gesetz, mit dem wir gut weiterkommen, und ich würde Sie einladen – zumindest die Kollegen der Grünen –, jetzt mitzumachen,

(Lachen bei der LINKEN)

nachdem Sie gesehen haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind, Herr Schmidt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Ernst das Wort.

(Niels Annen [SPD]: Jetzt wird es ernst!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6483141
Wahlperiode 18
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen
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