Sevim DağdelenDIE LINKE - Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, Sie sagten hier in dieser Debatte, dass es zur Demokratie gehört, dass sich auch die Opposition an einer Parlamentskommission beteiligt. Zu einer Demokratie gehört aber im Wesentlichen, dass es auch Rechte der Minderheiten gibt,
(Beifall bei der LINKEN)
und es gehört nicht dazu, dass die Regierungsfraktionen einfach eine Kommission gründen, den Auftrag selber bestimmen, einen Closed Shop machen und der Opposition sagen: Ihr könnt gerne zu dieser Kommission mitkommen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch kein Closed Shop!)
Das ist aus diesem Grund keine Parlamentskommission, sondern eine Regierungskommission. Das ist die Wahrheit über den Sachverhalt, über den wir hier diskutieren.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium aus der Partei CDU, Herr Willy Wimmer,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
hat Folgendes zu diesem Vorgang hier gesagt:
Warum eigentlich eine Reform zur Beseitigung des Parlamentsvorbehaltes? Seit dem sogenannten Adria-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 1994 hat die jeweilige Bundesregierung letztlich alle ihre Einsatzvorhaben zum Bundeswehreinsatz realisieren können. … Die notwendige öffentliche Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr ließ die Bundesregierung zögern, wo es wegen der Volksmeinung ratsam zu sein schien. … Anders kann der beabsichtigte Anschlag der Bundesregierung, mittels einer „Vorwandkommission“ den letzten Rest der Parlamentsbeteiligung und damit des Volksinteresses am Einsatz der Bundeswehr zu kippen, nicht gewertet werden.
Herr Willy Wimmer sagt ganz eindeutig: Das Vorhaben von Union und SPD ist der größte Angriff auf die Rechte des Parlaments seit Gründung der Bundeswehr 1955.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Recht hat er!)
Es ist nämlich der Anfang vom Ende der Parlamentsbeteiligung. Wenn deutsche Soldaten künftig in NATO- und EU-Stäben an Kriegen teilnehmen, hat der Deutsche Bundestag nichts mehr zu entscheiden. Ziel der Großen Koalition ist es, hier in einem so wichtigen Punkt allein die Bundesregierung über Krieg und Frieden entscheiden zu lassen.
Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, entmachtet das Parlament,
(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Nein, tut er nicht!)
und da macht die Linksfraktion nicht mit.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, vergreift sich nämlich an dieser parlamentarischen Demokratie. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt,
(Henning Otte [CDU/CSU]: Genau nachdenken jetzt!)
will Deutschland deutlich schneller, möglichst ungestört, möglichst unbeachtet in neue Kriege führen.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)
– Darum geht es hier: um ein Vorhaben zur Beseitigung des Parlamentsvorbehaltes. – Dieses Vorhaben wird auf den entschiedensten Widerstand bei der Linken treffen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sagen Nein zu diesem Angriff nicht nur auf die parlamentarische Demokratie, sondern auch auf die Souveränität der Bevölkerung. Wir wollen diese Kriege nicht, weder unter der Flagge der EU noch unter der Flagge der NATO.
Bei Ihrem Vorhaben schrecken Union und SPD auch nicht davor zurück, die Rechte des Bundestages, wie sie in Artikel 23 des Grundgesetzes festgeschrieben worden sind, direkt anzugreifen. Alles, was Sie dem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union zugestehen wollen, ist eine gravierende Verletzung des Grundgesetzes und auch des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, des EUZBBG.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Unsinn! – Henning Otte [CDU/CSU]: Eine kühne Behauptung!)
Das Grundgesetz ist für Sie augenscheinlich eben nichts mehr wert. Sie wollen nämlich ohne öffentliche Diskussion, ohne das Licht der Öffentlichkeit deutsche Soldaten in alle Welt entsenden können. Deshalb sagen wir Nein zu dieser neuen, immer abenteuerlicheren Politik der Entsendung in Auslandseinsätze nach Django-Manier.
(Beifall bei der LINKEN)
Eins muss man sich wirklich einmal vergegenwärtigen: Selbst im Zeitalter des deutschen Kaiserreichs wurde im Reichstag über Krieg und Frieden entschieden. Heute wollen Sie die Bundesrepublik in vorparlamentarische Zeiten zurückführen, nur damit keiner mehr hier im Bundestag und auch in der Öffentlichkeit über neue Kriege diskutiert.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen des Abg. Niels Annen [SPD] – Rainer Arnold [SPD]: Wo steht denn das, was Sie da behaupten?)
Darum geht es.
Von einer Zustimmung aufseiten der SPD und auch der Union muss man bei den Militärinterventionen zwangsläufig immer ausgehen. Sie gehen auch noch so weit, den Rechtsbruch direkt in Ihren Gesetzentwurf hineinzuschreiben. Während Sie die EU als ein kollektives Sicherheitssystem bezeichnen, um den Bundestag nicht mehr über die Entsendung von Bundeswehrsoldaten in EU-Stäbe im Kriegseinsatz entscheiden lassen zu müssen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil über den Vertrag von Lissabon genau dies ausgeschlossen. Die Europäische Union ist kein kollektives Sicherheitssystem, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon gesagt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sehen Sie sich einfach einmal die Randnummer 390 dieses Urteils an.
Deshalb kann es eben nicht angehen, dass Sie die rechtsstaatlichen Institutionen derart ignorant ins Abseits stellen. Die parlamentarische Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt man nicht einfach weg. Wir als Linke werden dafür kämpfen, dass diese parlamentarische Demokratie gerade in Zeiten unsicherer Situationen weltweit erhalten bleibt, um entscheidende Fragen von Krieg und Frieden hier im Parlament und nicht nur in der Regierung zu debattieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Das war eine linke Kampfrede!)
Das Wort erhält nun der Kollege Niels Annen für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Heiko Schmelzle [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6483199 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen |