Niels AnnenSPD - Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem Redebeitrag aus einem Paralleluniversum
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
versuche ich jetzt, etwas zur Sache zu sagen.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Der Pressesprecher des Auswärtigen Amts spricht!)
Wenn man Frau Dağdelen zuhört, dann gewinnt man den Eindruck, dass allein meine Präsenz an diesem Rednerpult eine große Überraschung ist; denn angeblich wollen wir das ja unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutieren.
Also, zur Sache. Ich will mich dem Dank an die Mitglieder der Kommission anschließen. Ich freue mich darüber, dass Sie, Herr Rühe, Herr Kolbow, heute an dieser Debatte teilnehmen. Ich glaube, dass Sie eine wichtige Arbeit geleistet haben.
Ich will deswegen noch einmal daran erinnern, was der Auftrag war. Dieses Parlament – nicht allein die Koalitionsfraktionen; es war eine für alle offene Kommission – hat eine Kommission zur Überprüfung und Sicherung von Parlamentsrechten eingesetzt. Genau das haben wir getan, und zwar unter dem Eindruck einer Entwicklung, die wir alle miteinander in den letzten Jahren begrüßt haben, nämlich einer Entwicklung, die man als eine fortschreitende Bündnisintegration beschreiben kann. Das klingt technisch, bedeutet aber eigentlich, dass wir auf dem Weg der Europäisierung darin vorangehen, auch unsere transatlantischen Strukturen zu stärken.
Natürlich hat es im Vorfeld dieser Einsetzung Debatten gegeben. Wir haben auch innerhalb der Koalition über den Auftrag der Kommission gestritten. Es gab Misstrauen. Das ist von den Oppositionsparteien artikuliert worden; das ist ihr gutes Recht.
Deswegen will ich an dieser Stelle sehr deutlich, auch für meine Fraktion, sagen: Die SPD hat Wort gehalten. Es gibt keine Vorratsbeschlüsse. Die Rechte des Parlaments werden nicht beschnitten, sondern sie werden ausgebaut; sie werden gestärkt. Das ist eine ganz wichtige Entwicklung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Weil man beim letzten Redebeitrag so ein bisschen den Eindruck bekommen konnte, wir würden hier in einer Geheimoperation die Rechte des Parlaments sozusagen zusammenstreichen, will ich doch noch einmal zusammenfassen, was wir uns vorgenommen haben und was Ihnen heute vorliegt.
Herr Kollege Annen, darf, bevor Sie das zusammenfassen, der Kollege Neu intervenieren?
Ja, das darf er natürlich gern.
Kollege Annen, ich weiß nicht, ob Sie in Ihrer Fraktion miteinander diskutieren. Jedenfalls hat der Kollege Arnold gesagt, vor einigen Monaten im Verteidigungsausschuss, dass er den Vorratsbeschluss schon drinhaben wollte,
(Rainer Arnold [SPD]: Was? – Heiterkeit bei der SPD)
aber die Juristen der SPD abgeraten hätten.
(Rainer Arnold [SPD]: Jetzt hört es auf!)
Wie ist nun der Diskussionsstand in der SPD?
(Rainer Arnold [SPD]: Einen solchen Unfug habe ich noch nie gehört! Also wirklich!)
– Das lässt sich vielleicht im Protokoll des Verteidigungsausschusses nachvollziehen, Kollege Arnold.
(Rainer Arnold [SPD]: Also wirklich! Auf so eine Schnapsidee käme ich nicht einmal besoffen!)
Ich muss mich manchmal wirklich ein bisschen zusammenreißen. Sie können die Protokolle des Deutschen Bundestages lesen. Sie können die Presseausschnitte über die Debatten lesen, die wir geführt haben. Es gab niemals einen Zweifel daran, dass die SPD gegen Vorratsbeschlüsse ist.
Ich glaube, es gibt da überhaupt kein Problem. Der Kollege Kiesewetter hat in seiner Rede auch ein bisschen den Diskussionsverlauf dargestellt. Es gab damals eine öffentliche Auseinandersetzung über ein interessantes Papier von Herrn Kiesewetter und Herrn Schockenhoff. Dazu hat sich auch der Kollege Arnold geäußert; ich bin gelegentlich dabei gewesen.
Es ist gar kein Problem, dass wir hier unterschiedliche Meinungen haben. Das ist Teil einer parlamentarischen Auseinandersetzung, Teil von Demokratie. Aber dass Sie mit Ihren Fragen, mit Ihren Redebeiträgen diese Plattform hier nicht nur dazu nutzen, um Ihre Position zu vertreten – das tun wir auch; das ist in Ordnung –,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist aber großzügig! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Jetzt wollen wir mal hören, was der Pressesprecher zu sagen hat!)
sondern auch dazu nutzen, falsche Tatsachen zu präsentieren,
(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Desinformation!)
die Öffentlichkeit so auch hinter die Fichte zu führen, das ist nicht in Ordnung. Insofern, glaube ich, entlarvt sich das selber.
Zu Ihrer ersten Frage kann ich Ihnen sagen: Die SPD-Fraktion diskutiert immer. Wir haben auch hierüber intensiv miteinander diskutiert. Insofern: Die Einladung bleibt bestehen, auch an Ihre Fraktion. Wir kommen jetzt ins Gesetzgebungsverfahren. Beteiligen Sie sich an dem Gesetzgebungsverfahren. Als kleinen Einstieg in diese Beteiligung lesen Sie vielleicht erst einmal das, was hier zur Beratung vorliegt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Was im Gesetz steht! Sehr richtig!)
Weil sich gezeigt hat, dass es notwendig ist, will ich noch einmal zusammenfassen, worum es geht. Es sollen die Informationsrechte bei geheimhaltungsbedürftigen Operationen – Stichwort „Kommando Spezialkräfte“ – kodifiziert werden. Wir werden bisher über die Obleute unterrichtet. Das ist eine bewährte Praxis, aber es ist eine freiwillige Praxis. Die SPD-Fraktion war immer schon der Meinung, dass es nicht einen Teil der Streitkräfte geben kann, der von der allgemeinen Unterrichtungspflicht sozusagen ausgenommen ist. Wir verändern das jetzt. Ich glaube, das ist ein großer Fortschritt.
Wir werden in diesem Gesetzgebungsverfahren auch dafür sorgen, dass es eine erweiterte Unterrichtungspraxis zu abgeschlossenen Operationen des Kommandos Spezialkräfte gibt. Das ist ein wichtiger Fortschritt.
Ich will unterstreichen, dass ich es für eine gute Entscheidung halte, dass wir Ihnen, meine Damen und Herren, vorschlagen, die Evaluierungspflicht, die bisher in der Begründung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes angedeutet ist, in den Gesetzestext aufzunehmen. Das ist dann übrigens auch eine Grundlage, um vor der gesamten Öffentlichkeit darüber zu diskutieren, ob diese Entscheidungen vernünftig waren, ob der Einsatz richtig konzipiert war, und eine Grundlage für die weitere parlamentarische Beratung und für die Begleitung der wichtigen Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten.
Für die Frage der internationalen Zusammenarbeit ist von besonderer Wichtigkeit – damit greifen wir eine Idee aus der Kommission auf –, dass wir die Bundesregierung auffordern, einen jährlichen Bericht – einen Bericht, keine Beschlussvorlage für einen Vorratsbeschluss; um das an dieser Stelle noch einmal zu unterstreichen – über die multilateralen militärischen Verbundfähigkeiten vorzulegen. Wir gehen davon aus, dass dieser Bericht nicht nur hier diskutiert wird, nicht nur von der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, sondern dass er auch von der europäischen Öffentlichkeit, von den Kolleginnen und Kollegen in anderen Parlamenten und Regierungen zur Kenntnis genommen wird. Das sorgt für eine politische Absicherung. Das schafft das an Verlässlichkeit, was wir erreichen wollen, und es nimmt vielleicht auch ein bisschen von dem Misstrauen, das es in anderen Ländern gegenüber unserer parlamentarischen Beteiligungspraxis gibt.
Um es noch einmal deutlich zu sagen – Kollege Uhl hat darauf hingewiesen, dass wir darüber sehr intensiv miteinander diskutiert haben, übrigens auch mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Staaten –: Wir möchten nicht, dass sich eine Bundesregierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, hinter dem Parlament versteckt, wenn es auf internationaler Ebene darum geht, über die Beteiligung an einem Einsatz zu entscheiden. Unsere Beratungen haben nämlich ergeben, dass das gelegentlich doch der Fall gewesen ist. Deswegen stellen wir klar: Eine frühzeitige Unterrichtung über die konkreten Planungen für bewaffnete Einsätze deutscher Streitkräfte im System gegenseitiger kollektiver Sicherheit soll vor diesem Hintergrund einen Beitrag leisten. Auch das ist eine Ausweitung der Informationsrechte des Parlamentes.
Insofern bin ich überzeugt davon – wir beginnen ja jetzt mit dem Gesetzgebungsprozess –, dass diese Diskussion die Kritiker, die wir heute ja auch wieder gehört haben, widerlegt, die uns im Vorfeld der Einsetzung dieser Kommission unterstellt haben, dass die Große Koalition den Abbau von Parlamentsrechten beabsichtige. Deswegen kann man an dieser Stelle, glaube ich, eine ganz sachliche Diskussion miteinander führen. Ich will ohne jede Bitterkeit sagen: Wir haben es wirklich sehr bedauert, dass die Opposition sich gegen die Mitarbeit in dieser Kommission entschieden hat.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Oh!)
Trotzdem haben wir das Gespräch gesucht. Wir haben regelmäßig Angebote gemacht, und ich bin sehr froh darüber, dass diese angenommen worden sind. Wir haben, wie ich finde, vor allem mit den Kolleginnen und Kollegen der Grünen sehr konstruktive Gespräche geführt. Wir haben auch Anregungen aus diesen Gesprächen aufgenommen. Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen: Wir werden es im Gesetzgebungsverfahren genauso halten. Die Tür für Anregungen, für Diskussionsbeiträge – über Ihre ganz normalen parlamentarischen Rechte hinaus – bleibt natürlich offen. Wir sind sehr daran interessiert, dass es am Ende vielleicht doch noch dazu kommt, dass wir uns aufeinander zubewegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch einen weiteren Aspekt in die Debatte einbringen: Es gibt in Europa nur wenige Parlamente, die über so viele Beteiligungsrechte beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte verfügen wie der Deutsche Bundestag.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist wahr!)
Der eine oder andere Abgeordnete anderer Parlamente, mit dem wir gesprochen haben, hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich für sein Parlament manchmal ähnliche Rechte wünschen würde. Ich glaube, wir müssen mit dem, was wir uns erarbeitet und auch erstritten haben, sehr sorgsam umgehen; denn mit diesen Rechten geht ja auch eine Verantwortung einher. Nicht jeder Einsatz der Bundeswehr ist gleich gefährlich; aber kein Einsatz ist ohne Risiko. Es geht immer auch um das Leben meist junger Menschen. Deswegen dürfen wir in diesem Parlament nicht in einen Routinemodus verfallen. Es ist leider bei einigen Debatten manchmal fast vorhersehbar, welche Diskussion wir führen. Ich glaube, dass das an dieser Stelle ganz wichtig ist.
Ich möchte zum Schluss doch noch einmal sagen: Der Parlamentsvorbehalt – auch diese Debatte zeigt das – schafft Öffentlichkeit und Legitimität und stärkt den Soldatinnen und Soldaten bei ihrer wichtigen Arbeit den Rücken. Dabei soll es bleiben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Frau Keul, einen Augenblick noch. – Der Kollege Gehrcke möchte gerne noch eine Kurzintervention machen. Dazu soll er Gelegenheit haben. Bitte schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6483223 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen |