29.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 153 / Tagesordnungspunkt 21

Wilfried LorenzCDU/CSU - Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vielleicht vorab eine kurze Bemerkung zu meiner Vorrednerin. Nach meinem Kenntnisstand ist die Rühe-Kommission vom Parlament eingesetzt und damit eine Parlamentskommission und keine Regierungskommission. Das sollte man vielleicht einmal klarstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht noch eine weitere Bemerkung. Ich glaube, man sollte mit unserem Grundgesetz ein bisschen zurückhaltender umgehen.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ja! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Vielleicht hören Sie mal zu. Herr Dr. Neu, es wäre sehr hilfreich, wenn Sie nicht nur reden, sondern auch mal zuhören würden.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Mache ich! Ich höre Ihnen gerne zu!)

Ich glaube, man darf mit der Verfassung nicht einfach so sorglos umgehen und aus dem Beispiel AWACS-Einsatz über einem NATO-Gebiet schließen, dass wir gegen die Verfassung verstoßen. Ich glaube, das muss einmal klar und deutlich formuliert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren, die Arbeit der Rühe-Kommission hat gezeigt, dass die Beteiligung des Bundestages bei Entscheidungen über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland in der bisherigen Form vom Grundsatz her erfolgreich war und unseren Bündnisverpflichtungen in keinster Weise im Wege stand. Warum ist es trotzdem wichtig und richtig, Änderungen an diesem Gesetz vorzunehmen? Erstens, weil natürlich die beste aller Politiken auf Realitätssinn beruht, zweitens, weil Geschwindigkeit keine Hexerei und schon gar kein Teufelswerk ist.

Was meine ich damit, meine Damen und Herren? Ich meine damit, dass wir bei der Betrachtung der sicherheitspolitischen Lage wesentlich flexibler, schneller reagieren müssen. – Jetzt muss ich leider sagen, dass ich meine Zettel ein bisschen durcheinandergebracht habe, was mir leidtut.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das passiert schon mal!)

Das macht gar nichts. Ich bekomme das auch so hin, Herr Neu. Machen Sie sich da mal keine Sorgen!

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

– Sie können sich darüber totlachen, aber machen Sie sich keine Sorgen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, wir müssen schon genau betrachten, wie sich die sicherheitspolitische Lage um uns herum entwickelt hat. Es geht in dieser Diskussion nicht ausschließlich um die einzelnen Aspekte des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, die zu Recht vorgetragen worden sind; rechtlich haben es Herr Uhl und andere Kolleginnen und Kollegen im Detail beschrieben. Ich glaube, obwohl sich dieses Verfahren bewährt hat, erfordert eine zunehmend komplexe, unübersichtliche Sicherheitslage – wie ich schon gesagt habe – mehr Reaktionsschnelligkeit, Flexibilität und Handlungsfähigkeit Deutschlands. Die sicherheitspolitische Lage ist in der heutigen Zeit von parallelen Bedrohungen und von der häufig raschen Taktung der Entstehung neuer Gefährdungslagen gekennzeichnet. Deshalb mussten wir das Verfahren der Parlamentsbeteiligung auf den Prüfstand stellen.

Die Fragen waren: Geht es einfacher und schneller? Muss der Bundestag immer beteiligt werden? Die Antwort auf die erste Frage ist: Ja, es geht. Die Antwort auf die zweite Frage ist: Nein, nicht immer. – Genau das ist im Gesetzesentwurf verankert worden: Zunächst einmal wird der Bundestag künftig im Vorfeld schneller – Zitat: „möglichst frühzeitig“ – über konkrete Einsatzpläne informiert. Seine Wächterrolle beim Einsatz deutscher Streitkräfte hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt: Wenn konkret zu erwarten ist, dass deutsche Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen einbezogen werden, ist vorab die Zustimmung des Parlamentes einzuholen.

Entscheidend ist laut Gericht, ob die Soldaten in einer konkreten militärischen Gefahrenlage handeln, in der ein Waffeneinsatz naheliegt, sowie ob Waffen mitgeführt werden und eine Ermächtigung zum Gebrauch der Waffen vorliegt. Aber: Bei Gefahr im Verzug darf die Bundesregierung Streitkräfte in eigener Hoheit entsenden. Ein Bundestagsvotum ist dafür – auch nachträglich – nicht notwendig. Das Parlament ist allerdings nach Beendigung des Einsatzes – das ist hier schon gesagt worden – unverzüglich und qualifiziert zu unterrichten. Diese exekutive Eilkompetenz soll in kurzfristig auftretenden Ausnahmesituationen die militärische Handlungsfähigkeit Deutschlands sichern.

Mit dieser Ergänzung können unsere Bündnispartner noch mehr darauf vertrauen, dass deutsche Anteile an Einsätzen verlässlich und zeitgerecht zur Verfügung stehen. Auch die differenzierte Definition des Einsatzbegriffes im vorliegenden Entwurf – auch das ist hier schon thematisiert worden – dient dem Ziel der Sicherung des Vertrauens innerhalb des Bündnisses. Gleichzeitig dient sie natürlich auch der Klarstellung hinsichtlich der Kompetenzen von Parlament und Bundesregierung.

Nicht zustimmungspflichtig sind nach diesem Gesetzentwurf Einsatztypen, bei denen das Eskalations- und Verstrickungspotenzial „in der Regel“ gering ist. Hier sind Beispiele genannt worden: Erkundungsmissionen, humanitäre Hilfe, logistische Unterstützung, Ausbildungsmissionen. Aber dies gilt natürlich nur, soweit die Einsätze nicht im Gebiet eines bewaffneten Konfliktes oder mit Waffen durchgeführt werden. Diese Regelung übertragen wir mit diesem Gesetzentwurf auch auf integrierte und multinational besetzte Hauptquartiere der NATO, der EU oder anderer Organisationen gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Das Merkmal „in der Regel“ sollte, so finden wir, in der parlamentarischen Beratung noch geschärft werden.

Neu ist auch, dass die Bundesregierung den Bundestag über geheime Sachverhalte zu informieren hat. Auch darüber ist schon gesprochen worden. Das muss hier nicht mehr ausdefiniert werden.

Insgesamt wird das im Entwurf vorgesehene Berichtswesen – diesen Punkt möchte ich herausarbeiten – in der weiteren parlamentarischen Beratung weiterzuentwickeln sein. Natürlich sind alle Kreise eingeladen, in der parlamentarischen Beratung mitzuwirken und ihre Überlegungen einzubringen.

Das Verfahren ist das eine. Damit aber aus dem optimierten Verfahren Handlungsfähigkeit entsteht, braucht es mehr. Wir müssen Einsatzentscheidungen mehr denn je in einem größeren Kontext betrachten. Diese Gesamtschau muss den Krisenbogen vom afrikanischen Kontinent über den Nahen Osten bis nach Zentraleuropa im Blick haben. So ist die Terrororganisation Daesh nicht mehr nur in Syrien, dem Irak und in Libyen tätig, sondern in mehr als 20 Staaten. Stark werden kann Daesh aber nur dort, wo das Umfeld schwach ist. Zur Wahrheit gehört dazu: Künftig werden wir weitere Staaten unterstützen müssen, die Daesh nicht selbst stoppen oder zurückdrängen können. Je nach Einzelfall werden wir schnell handeln müssen. Gerade hier helfen die neuen Regelungen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes.

Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wie lange der Kampf gegen Daesh in den verschiedenen Ländern dauern wird. Aber: Wir kennen die gefährdeten Staaten, wir kennen die Regionen der Welt, und wir kennen die Stärke der Terroristen in den jeweiligen Ländern. Wir kennen auch die auf Jahrzehnte angelegte Al-Qaida-Strategie, die vielen der aktuellen Gefährdungen in der Welt zugrunde liegt. Damit haben wir alles in der Hand, um systematisch und in längeren Zeiträumen zu planen.

Die sicherheitspolitische Realität zwingt uns dazu, künftig in einem breiten Spektrum mehr für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes zu tun. Deshalb ist es so wichtig, entsprechende rechtliche und verfahrenstechnische Grundlagen im neuen Parlamentsbeteiligungsgesetz klipp und klar zu regeln.

Sehen Sie bitte das neue Parlamentsbeteiligungsgesetz als einen Schlüssel zur Sicherstellung aktueller wie künftiger Einsätze im Verbund mit unseren internationalen Partnern durch Vorgaben, die zeitgerechte Einsätze ermöglichen, durch die Sicherung der Rechte des Deutschen Bundestages und durch ein rechtliches Gesamtkonstrukt, das die Bündnis- und Handlungsfähigkeit Deutschlands stärkt.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rainer Arnold für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6483302
Wahlperiode 18
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen
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