Andreas NickCDU/CSU - Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Parlamentsbeteiligungsgesetz ist 2005 in Kraft getreten. Der Deutsche Bundestag hat seitdem über 90 Anträgen der Bundesregierung auf Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte ins Ausland oder deren Fortsetzung zugestimmt. Auch eilbedürftige Entscheidungen fielen nach sorgfältiger und intensiver Prüfung innerhalb weniger Tage. In keinem einzigen Fall haben wir die Zustimmung verweigert. Jeder Einsatz fand eine oft breite Mehrheit im Bundestag, getragen häufig nicht nur von den Regierungsfraktionen, sondern auch aus den Reihen der Opposition. Als Parlament können wir mit Fug und Recht festhalten: Wir sind unserer außenpolitischen Verantwortung gerecht geworden, und wir haben Verlässlichkeit auch gegenüber unseren Bündnispartnern unter Beweis gestellt.
Mit Zustimmung des Bundestages befinden sich deutsche Soldatinnen und Soldaten seit Jahren an vielen Krisenherden der Welt im Einsatz. Mit ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Einsatzbereitschaft leisten unsere Soldatinnen und Soldaten einen vorbildlichen Beitrag für Frieden und Stabilität weltweit. Dafür sprechen wir unseren herzlichen Dank aus.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir bekennen uns als Parlament zu unserer Bundeswehr, und wir sind uns unserer besonderen Verantwortung für unsere Parlamentsarmee sehr bewusst. Dies betrifft nicht nur die sorgfältige Abwägung von Notwendigkeit und Risiken jedes einzelnen Einsatzes. Es gilt vielmehr auch für unsere ganz grundsätzliche Verantwortung, nämlich erstens unseren Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen und zweitens im Ernstfall ihre optimale sanitätsdienstliche Versorgung zu gewährleisten. Ich stelle fest: Nicht zuletzt deshalb genießt unser Sanitätsdienst weltweit einen hervorragenden Ruf.
Wir setzen unsere Streitkräfte grundsätzlich nur im Rahmen von Mandaten der Vereinten Nationen oder gemeinsam mit unseren Partnern in NATO und EU ein. Dies entspricht unserer historischen Erfahrung und unseren Sicherheitsbedürfnissen als Land im Zentrum Europas.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen dann die Tornados in Syrien?)
Michael Stürmer ruft uns beständig den Leitsatz von Helmut Kohl in Erinnerung: Bündnisfähigkeit ist Kern deutscher Staatsräson. – Unsere Bündnisfähigkeit nach außen und die demokratische Legitimierung nach innen gehören deshalb zusammen. Sie sind der doppelte Imperativ deutscher Sicherheitspolitik.
Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass der Parlamentsvorbehalt immer wieder als möglicher Unsicherheitsfaktor beschrieben wird, wenn es um die stärkere Integration deutscher militärischer Schlüsselfähigkeiten in multilaterale Strukturen geht. Es ist richtig: Partner müssen darauf vertrauen können, dass Schlüsselfähigkeiten im Ernstfall auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Nur dann sind militärische Zusammenarbeit und Aufgabenteilung mit den Verbündeten auch unter jeweiligem Verzicht auf entsprechende eigene Fähigkeiten möglich.
Mit der Weiterentwicklung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes tun wir deshalb zweierlei: Wir untermauern Deutschlands Willen zur stärkeren multilateralen Zusammenarbeit, und wir stärken gleichzeitig die Rechte des Parlaments und die demokratische Legitimation unserer Parlamentsarmee.
Ein besonderer Dank gilt der Kommission unter dem Vorsitz des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe, die im Auftrag des Bundestages – des Bundestages! – die Grundlagenarbeit für die Fortentwicklung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes geleistet hat.
Zunächst einmal verschafft die umfassendere Definition des Einsatzbegriffes mehr Klarheit. Nicht mehr mandatspflichtig sind unter anderem: Beobachtermissionen der Vereinten Nationen sowie Missionen anderer Systeme kollektiver Sicherheit, wenn sie keine Befugnis zur bewaffneten Durchsetzung eines Einsatzauftrages haben, die logistische Unterstützung ohne Bezug zu Kampfhandlungen, die Bereitstellung medizinischer Versorgung außerhalb des Gebiets eines bewaffneten Konflikts und Ausbildungsmissionen, wenn eine Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen nicht zu erwarten ist. Entscheidend – die Kollegen haben in der Debatte schon darauf hingewiesen – ist aber vor allem, dass die Bundesregierung zukünftig in der Pflicht ist, einen jährlichen Bericht darüber vorzulegen, welche konkrete Verantwortung für multilaterale militärische Verbundfähigkeiten aus der Bündnissolidarität folgt.
Die geplanten Veränderungen stärken deshalb das Vertrauen in die Verlässlichkeit Deutschlands. Sie tragen aber auch dem veränderten Charakter der Einsätze Rechnung; der Kollege Lorenz hat darauf schon im Einzelnen hingewiesen. Internationale Missionen sind heute vorrangig nicht mehr nur Ad-hoc-Lösungen für akute Konflikte. Es geht vielmehr immer mehr um die vorausschauende Stärkung regionaler Sicherheitsstrukturen, etwa durch Ausbildungsmissionen für lokale Einsatzkräfte.
Es ist wahr: Internationale Krisen treten nicht länger singulär auf – wenn sie es denn je taten –, und sie vollziehen sich auch keineswegs linear oder sequenziell. Auch in der parlamentarischen Begleitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr müssen wir uns darauf stärker einstellen. Als Parlament werden wir uns daher künftig noch frühzeitiger, umfassender und nachhaltiger mit außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen befassen können und müssen. Wir setzen damit einen Prozess fort, der mit dem Review-Prozess und dem Weißbuch-Prozess angestoßen wurde. Ich füge aus meiner Sicht hinzu: Wir müssen auf Dauer stärker in Richtung einer nationalen Sicherheitsstrategie gehen, die wir umfassend hier Jahr für Jahr beraten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, mit der Weiterentwicklung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes stärken wir unsere Bündnissolidarität nach außen und die demokratische Legitimierung der Parlamentsarmee nach innen. Damit erhöhen wir die Handlungsfähigkeit und dienen den Sicherheitsinteressen unseres Landes.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6483333 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen |