29.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 153 / Tagesordnungspunkt 22

Dorothee Bär - Intelligente Mobilität

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ein herzlicher Dank an die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD. Wir sind dem Ministerium sehr dankbar, allein schon für den Titel „Intelligente Mobilität fördern“. Denn man muss einmal daran denken, dass es vor circa zwei Jahren, als das Ministerium nicht nur den neuen Namen, sondern auch die neue Aufgabe bekommen hat, auf der einen Seite für Verkehrspolitik und auf der anderen Seite für digitale Infrastruktur und für die Digitalisierung insgesamt zuständig zu sein, immer noch den einen oder anderen gab, der der Meinung war, dass Digitalisierung und Infrastruktur weder zusammengehören noch zusammenpassen.

Ich denke, dass das Ganze sehr schnell Lügen gestraft wurde. Man hat festgestellt, wenn irgendwo die Digitalisierung notwendig ist, wo sie auch perfekt zu vernetzen ist, dann ist das in der Infrastruktur der Fall. Wenn man merkt, wie sich Lebensentwürfe ändern, wenn man merkt, wie sich unser eigenes Leben, das Berufsleben und das Privatleben, ändert und meines Erachtens sehr zum Vorteil wandelt, dann ist das auf die Digitalisierung zurückzuführen.

Menschen auf der ganzen Welt und gerade auch in unserem Land, wo die Mobilität so wichtig ist, verlangen heute mehr denn je nach einer ungehinderten Mobilität, dies vor allem auch in einer extremen Schnelligkeit. Wir haben gleichzeitig eine immer dichter verflochtene Weltwirtschaft. Wir brauchen verlässliche, planbare und reibungslos fließende Güterströme. Darauf sind wir nicht nur mit Blick auf unsere Wirtschaft angewiesen, sondern wir haben auch einen Titel zu verteidigen. Weltweit weiß jeder, dass wir Fußballweltmeister sind. Die wenigsten wissen aber, dass wir auch Logistikweltmeister sind. Logistikweltmeister sind wir auch deswegen, weil unsere Warenströme so gut funktionieren. Auf diesem Status quo wollen wir uns aber nicht ausruhen, sondern wir wollen das Ganze auch weiterführen, weil es immer wesentlich schwieriger ist, einen Weltmeistertitel zu verteidigen, als ihn zu erringen.

Deswegen werden wir in den kommenden Jahren so viel Geld wie noch nie zuvor in die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur investieren. Wir haben dazu einen Fünf-Punkte-Investitionshochlauf gestartet. Diesen werde ich jetzt nicht noch einmal im Detail erklären. Ich denke, das hat der Minister schon so oft getan, sodass das jeder nachbeten kann.

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles läuft hoch!)

– Auch Sie, Frau Wilms. – Durch die fortschreitende Digitalisierung im Verkehrsbereich werden sich in den kommenden Jahren deutliche Veränderungen zeigen.

Ein Weiteres ist mir sehr wichtig. Bei der Technik sind wir uns relativ einig, auch wenn es sicherlich noch Nuancen gibt, bei denen man die eine oder andere Stellschraube anders drehen möchte.

Sorge bereitet mir nicht das Geld. Geld ist in unserem Haushalt vorhanden. Darüber beschwert sich im Moment zumindest niemand.

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird alles in die bayrischen Umgehungsstraßen gepumpt!)

Es ist auch nicht so, dass die Technik nicht funktioniert. Auch da haben wir herausragende Firmen. Wir haben Weltmarktführer. Der Bereich der Zulieferindustrie ist herausragend.

Sorgen bereitet mir allerdings, wie wir es schaffen, die Begeisterung und die Leidenschaft für die Digitalisierung insbesondere im Verkehrsbereich in die Bevölkerung hineinzutragen.

Schauen wir uns einmal Umfragen zum Thema des autonomen Fahrens bzw. des automatisierten Fahrens an. Bei der Frage nach dem Nutzen und der Begeisterung stellt man fest, dass die Umfragen weltweit wesentlich euphorischer ausfallen als im eigenen Land. Spannenderweise sind die Frauen in Deutschland begeisterter als die Männer. Auch das ist eine positive Nachricht.

(Zuruf: Oje, oje!)

– Wer sagt denn hier „Oje, oje“? Ich hoffe, das kam nicht von hinten.

(Heiterkeit)

Ich war es nicht. Ich weiß nicht, warum Sie sich zu mir umschauen.

(Heiterkeit)

Sie können es auch nicht gewesen sein, weil Sie eh nicht zugehört haben, weil Sie geschwätzt haben. Das habe ich ja mitbekommen.

(Heiterkeit)

Deswegen weckt das vielleicht auch die Begeisterung beim Präsidium.

Ich bin der Überzeugung, nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Wirtschaft bieten sich enorme Chancen, die wir auch nutzen können.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist auf der Basis starker Netze ein Hochtechnologieland. Wir sind Export- und Transitnation und stehen damit auch an der Spitze in Europa. Die Digitalisierung sorgt insbesondere im Verkehrssektor dafür, dass wir Wirtschaftswachstum und damit mehr Beschäftigung haben. Außerdem werden wir sicherer werden und umweltschonender sein. Darüber hinaus werden wir inklusiver sein. Das sind doch alles positive Nachrichten. Deswegen müssen wir die Skepsis noch weiter abbauen.

Zum Sicherheitsgedanken im Verkehrsbereich. Es wird immer gefragt, wie wir das mit dem automatisierten bzw. autonomen Fahren machen. In Deutschland wird darüber diskutiert, was passiert, wenn das Auto entscheiden muss, ob es in den Kinderwagen reinfährt oder in etwas anderes. Im Silicon Valley in Amerika spricht man immer davon, was ist, wenn das Auto in drei Nonnen reinfährt. Ich weiß nicht, ob das an einem Mentalitätsunterschied liegt. Zumindest werden immer irgendwelche Schreckensszenarien an die Wand gemalt, wie sich das Auto entscheidet.

Wenn man sich aber einmal die Zahlen anschaut und feststellt, dass 95 Prozent aller Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, dann muss man ganz einfach konstatieren, dass der Risikofaktor Mensch im Moment höher zu bewerten ist als der Risikofaktor Maschine. Insofern kann die Digitalisierung für eine größere Sicherheit sorgen und ist zudem wesentlich umweltschonender und inklusiver. Insofern begrüßen wir diesen Antrag der Koalitionsfraktionen ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Was kann durch die Digitalisierung noch getan werden, was bislang nicht möglich war, um den Menschen das Leben zu erleichtern? Ich nenne unser Ministerium ja sehr gerne auch das „Lebenserleichterungsministerium“.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie auch zu politischen Maßnahmen? – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jubelarien haben wir genug gehört! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber wir wollen Chancen und Möglichkeiten eröffnen, beispielsweise durch die Förderung einer möglichst nahtlosen Reisekette – von der Fahrgastinformation über das Ticketing bis zum „Tür zu Tür“-Service – und durch die Förderung von Transportketten im Güterverkehr. Als Koordinatorin der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik sage ich: Gerade für den Güterverkehr, für die Logistik und für die Zukunft des Landes braucht unsere erfolgreiche Volkswirtschaft diese neuen Möglichkeiten noch wesentlich stärker.

Zukünftig wird es zum Beispiel immer mehr Wetter- und Verkehrsinformationen geben. Mit dem Deutschen Wetterdienst haben wir hier eine wirklich ganz herausragende nachgeordnete Behörde, die uns täglich sehr wichtige Informationen liefert, und es gibt automatisierte Systeme, die dazu beitragen, dass Gütertransporte und logistische Abläufe effizienter und wesentlich umweltfreundlicher gestaltet werden können. Den gesamten Bereich „Automatisiertes und vernetztes Fahren“ habe ich schon angesprochen.

Die Bundesregierung hat letzten September die „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren – Leitanbieter bleiben, Leitmarkt werden, Regelbetrieb einleiten“ beschlossen. Dadurch wollen wir auch die Verkehrseffizienz steigern. Es wird in Zukunft beispielsweise nicht möglich und auch nicht nötig sein, jede sechsstreifige Autobahn auf acht Streifen auszubauen. Schon jetzt werden teilweise Seitenstreifen mitgenutzt, wenn besonders viel Verkehr ist. Selbstverständlich kann die Anzeige für den Seitenstreifen sofort wieder auf Rot geschaltet werden, wenn beispielsweise ein Unfall passiert ist. Auch dadurch können wir die Verkehrssicherheit erhöhen.

Wir stärken auch den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Deswegen hat unser Haus das Digitale Testfeld Autobahn auf der A 9 eingerichtet, was schon jetzt ein weltweites Erfolgsmodell ist. Wir haben hier nicht nur national, sondern auch international sehr viele Anfragen. Man möchte „on the German Autobahn“ – „die deutsche Autobahn“ ist nun einmal weltweit ein absolutes Qualitätsmerkmal – testen. Die Car-to-Car-Kommunikation, also die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation, die Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation und die Rastanlagen der Zukunft werden getestet, und es erfolgen Falschfahrerwarnungen und Baustellenoptimierungen. Das alles wird auf dem Digitalen Testfeld Autobahn erprobt und bewertet, sodass daraus hoffentlich möglichst bald ein Regelbetrieb für ganz Deutschland entstehen kann.

Wir haben ein weiteres Schatzkästchen. Wir sind ja nicht nur das Lebenserleichterungs-, sondern auch das Datenministerium.

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)

Das Bundesministerium hat nämlich den sogenannten MobilitätsDatenMarktplatz, den MDM, errichtet, um die verschiedenen verfügbaren Onlineverkehrsdaten weiter zu bündeln. Damit haben wir erstmalig ein zentrales Onlineportal mit den online verfügbaren Verkehrsdaten. Auch hier können noch einmal neue Potenziale erschlossen werden, und zwar durch eine bessere Nutzung der Datenbasis.

Für mich ist entscheidend, kein Schreckensszenario an die Wand zu malen und zu sagen, dass „Big Data“ ein wahnsinnig böser Begriff ist. Wir nennen es „Smart Data“. Dabei geht es gar nicht darum, möglichst viele Daten zu sammeln, sondern darum, die Daten, die vorhanden sind, ganz intelligent und besser miteinander zu vernetzen.

Ich komme zu meinem letzten Punkt. Auch wenn wir zurzeit immer sehr stark auf die Großstädte schauen, glaube ich, dass gerade die Digitalisierung im Verkehr eine Voraussetzung und eine sehr große Chance ist, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum und in den Großstädten, die uns wichtig ist, wesentlich besser zu erreichen. Diese Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist eine wichtige Grundlage für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Deswegen stellen wir mit dem Modernitätsfonds auch die strategischen Weichen für eine gewinnbringende Nutzung von Smart Data in Deutschland.

Im Herbst wird es dann unseren zweiten Hackathon, unseren BMVI Data-Run, geben. Dabei geht es darum, Daten, die schon erhoben wurden, öffentlich zur Verfügung zu stellen, um neue Apps oder neue Anwendungen entwickeln zu können.

Sie sehen also: Wir tun sehr viel. Ich bin sehr dankbar, dass die beiden Koalitionsfraktionen das Ganze mit dem Antrag auch unterstützen, und ich freue mich weiterhin auf eine gute, gewinnbringende Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6483340
Wahlperiode 18
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Intelligente Mobilität
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