Matthias HeiderCDU/CSU - Rekommunalisierung von Energienetzen
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In fünf Minuten ist so viel durcheinandergeraten, dass wir das erst einmal sortieren müssen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir haben Ihre Rede doch noch gar nicht gehört!)
Um es vorweg zu sagen: 750 Stadtwerke in Deutschland sind ein verlässlicher Partner. Sie sind verlässlich beim Netzbetrieb, bei der Energielieferung, beim Stromsparen oder bei Energiedienstleistungen. Stadtwerke spielen in der Gemeindewirtschaft eine große Rolle. Das tun sie seit vielen Jahrzehnten: Etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Energieversorgungsdienstleistungen auch von der öffentlichen Hand selbst angeboten worden. Nur, die Rahmenbedingungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte, insbesondere mit der Liberalisierung des Strommarktes in Europa, verändert.
Das unserer Wirtschaftsordnung zugrundeliegende Leitbild ist das der sozialen Markwirtschaft. Es umfasst insbesondere die Idee des Wettbewerbs auf den Märkten. Seit den 90er‑Jahren haben wir in Deutschland einen liberalisierten Strommarkt. Hier gibt es einen funktionierenden, wenn auch regulierten Wettbewerb. Die Linken wollen mit Ihrem Antrag diesen Wettbewerb beseitigen. Sie wollen mal eben das Grundprinzip unserer Wirtschaftsordnung beseitigen und auf dem Energiesektor einfach außer Kraft setzten.
(Zurufe von der LINKEN)
Das Prinzip „fairer Wettbewerb“ muss jedoch auch bei der Konzessionsvergabe gelten. Es muss oberste Priorität haben.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das steht aber nicht im Grundgesetz!)
Auch die kommunalen Unternehmen müssen sich diesem Wettbewerb stellen. Das Europäische Parlament hat eine Systementscheidung getroffen: Netze müssen im Wettbewerb vergeben werden. Das gilt auch bei uns in Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kollegen von der Linken: Haben Sie aus dem Verfahren des Bundeskartellamtes gar nichts gelernt? Das Bundeskartellamt musste mehrfach wegen Wettbewerbsbeschränkungen der Kommunen zulasten Dritter in die Vergabepraxis bei den Kommunen eingreifen. Die Kommunen sollten daher bei der Vergabe der Wegenutzungsrechte nicht ausschließlich zugunsten ihres eigenen Stadtwerkes handeln.
Schauen wir uns einmal an, was zwei Jahre vor Vergabe eines Konzessionsvertrages passiert. Die Vergabe wird zunächst einmal bekannt gemacht. Es werden Ausschreibungen gemacht, es wird verhandelt, verschiedene Anbieter werben für ihr Angebot. Meine Damen und Herren, da findet Wettbewerb statt. Da wird nicht einfach einer ausgeguckt, der dort zu Hause ist, nämlich das eigene Stadtwerk, sondern es wird derjenige ausgesucht, der das wirtschaftlichste Angebot macht. Das erwarten die Verbraucherinnen und Verbraucher, nämlich dass ein wirtschaftliches Angebot zum Zuge kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das hat auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom Dezember 2013 so gesehen. Er hat entschieden, dass eine Gemeinde, die den Netzbetrieb an einen Eigenbetrieb übertragen möchte, sich gerade nicht auf die Grundsätze der Inhousevergabe berufen kann. Nach Auffassung der Kartellbehörden und des Bundesgerichtshofes ist die Kommune bei der Vergabe der Konzession in ihrer Stellung marktbeherrschend, da nur sie die Wegerechte hat und diese an einen Netzwerkbetreiber vergeben kann. In einem solchen Fall ist es daher zwingend, dass wir das Verfahren der Vergabe diskriminierungsfrei ausgestalten.
Sie haben eben die Inhousevergabe genannt. Was heißt das eigentlich, Inhousevergabe? Da gibt es zwei Kriterien: Es gibt zum einen die Kontrolle: Sie müssen über ein Netzversorgungsunternehmen die Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle haben. Jetzt frage ich Sie: Welcher Bürger möchte das denn schon, dass seine Energielieferung wie eine Dienststelle behandelt wird? Und es gibt zum anderen das Wesentlichkeitskriterium: Der Auftraggeber muss über den Auftragnehmer ganz wesentlich die Kontrolle behalten können. Auch das ist mit Wettbewerb so nicht zu vereinbaren.
Die Einbeziehung der Grundsätze der Inhousevergabe an dieser Stelle ist nicht nur risikoreich, sie ist auch europarechtlich nicht möglich, weil das energierechtliche Regime in Europa dort gerade diese Maßgabe nicht zulässt.
Unser Bestreben ist es, zu einer wettbewerbsgemäßen Vergabe zu kommen. Die Kommunen sollen nach Ihrer Auffassung weitere Ziele, weitere gemeindewirtschaftliche Ziele bei der Vergabe berücksichtigen können. Maßstab bei der Netzübergabe müssen aber gerade objektive Kriterien sein, wie sie der Kollege Post gerade angesprochen hat. Diese sind im § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes festgelegt: Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit. Es sind Kriterien, die im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher sind. Die gehören in ein solches Gesetz hinein.
Im Übrigen sieht das auch der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Änderung des § 46 EnWG vor, und die Frage ist, welche Interessen darüber hinaus noch als kommunale Belange Berücksichtigung finden können. Nun, das können ganz einfache Dinge sein, etwa beim Straßenbau: Wer hat sich als Bürger nicht schon mal darüber aufgeregt, dass achtmal die Straße aufgerissen wird, um eine Gasleitung, eine Stromleitung, eine Wasserleitung und auch noch ein Kabel zu verlegen? All diese Dinge können bei einer Vergabe Berücksichtigung finden. Auch deshalb wird es an dieser Stelle etwas mehr Rechtssicherheit geben.
Zum wettbewerbsrechtlichen Aspekt. Sie, die Linken, suggerieren durch Ihren Antrag, die Rechtssicherheit könne den Wettbewerb übertrumpfen, ja geradezu ausschalten. Dazu ist zu sagen: Es findet auch beim Netzbetrieb Wettbewerb statt. Stromlieferung und Netzbetrieb sind schon getrennt. Es werden sich jedenfalls keine weiteren Vorteile durch eine Inhousevergabe ergeben. Der Netzbetrieb ist an Regulierungsvorschriften gebunden: Um die Netzentgeltverordnung und die Anreizregulierungsverordnung kommt auch eine Gemeinde nicht herum.
Als weiteres Moment nennen Sie die Investitionen in die Netze. Wir werden in den nächsten Jahren, bis 2030, 23 Milliarden Euro in Netze investieren müssen. Da wünsche ich mir als Bürger, dass solche Entscheidungen im Wettbewerb getroffen werden und dass bei einer Inhousevergabe nicht etwa nur die eigene Gemeinde zum Zuge kommt. Das ist auch im Interesse niedriger Netzentgelte. Denn sie wirken sich auf den Gesamtpreis aus, zu dem der Haushalt mit Strom versorgt werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, es ist letztendlich auch eine grundsätzliche Frage, wie weit die Gemeindewirtschaft ausgeweitet werden kann – gerade vor dem Hintergrund, welche Züge das heute Morgen im Bundesrat angenommen hat. Die Entsorgungswirtschaft stand da in Rede. Die Mehrheit der Bundesratsvertreter forderte einfach einmal eben die Verstaatlichung aller dualen Systeme in Deutschland. Sie wissen: Das sind diejenigen, die im Rahmen der Verpackungsverordnung die Systemdienstleistungen gewähren.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Armes Deutschland!)
Wir brauchen nicht mehr Staat im Wettbewerb, wir brauchen weniger Staat im Wettbewerb, damit diese Leistungen günstiger werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: So ein Quatsch! Sie haben keine Ahnung von Abfallwirtschaft! – Caren Lay [DIE LINKE]: Sie beten da wirklich einen Götzen an!)
– Ich freue mich, dass Sie das Thema auch als wichtig erkannt haben und Sie sich noch einmal zu Wort melden wollen.
Im anstehenden Gesetzgebungsverfahren – da komme ich gerne zur Regelung des § 46 EnWG zurück – werden wir keine Verstaatlichung der Netze weiter vorantreiben, sondern werden die kommunalen Belange, die vertretbar sind, mit einer besonderen Positionierung versehen. Es kann nur um Regelungen gehen, die auf Kosteneffizienz, auf Versorgungssicherheit gerichtet sind – jedenfalls keine anderen. Wir werden als Koalition dazu beitragen, dass es mehr Rechtssicherheit bei der Übergabe und Übernahme von Netzen gibt. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Dr. Julia Verlinden das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6484101 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Rekommunalisierung von Energienetzen |