Julia VerlindenDIE GRÜNEN - Rekommunalisierung von Energienetzen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Jahr droht die Energiewende zum Stillstand zu kommen; denn dreckige Kohlekraftwerke kriegen Milliardensubventionen und die erneuerbaren Energien eine Obergrenze. Wenn es nach den Plänen der Union geht, dann sollte am besten gar kein Windrad und gar keine Solaranlage mehr gebaut werden. Was für ein herber Rückschlag, und was für eine wirtschafts- und klimapolitische Kurzsichtigkeit!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Heute beraten wir einen Antrag zur Rekommunalisierung der Energienetze. Es existiert nach wie vor eine große Rechtsunsicherheit für Kommunen bei der Übernahme der Verteilnetze. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger und auch der Kommunen vor Ort ist enorm wichtig für die Akzeptanz und auch für den Antrieb der Energiewende. Das hört eben nicht bei den Versorgungsanlagen für erneuerbare Energien auf; die Menschen wollen auch Mitbestimmung hinsichtlich der Infrastruktur für die Energiewende erhalten. Das wollen wir Grüne mit ermöglichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Volksbegehren in Hamburg im Jahr 2013 zum Beispiel hat gezeigt: Die Hamburger wollen die Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze wieder vollständig in öffentlicher Hand sehen. Das Ziel einer sozial gerechten, klimaverträglichen und demokratisch kontrollierten Energieversorgung aus erneuerbaren Energien bekam die Mehrheit. So viel zu dem, was Sie eben gefragt haben: Wer von den Menschen will das denn? Sehr viele Menschen wollen das offenbar, wie das Hamburger Ergebnis gezeigt hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das überrascht mich in Zeiten von Handelsabkommen wie TTIP und CETA auch gar nicht, in denen sich Kommunen vermehrt zu Wort melden und fordern, dass ihre wirtschaftliche Betätigung im Bereich der Daseinsvorsorge und der kommunalen Infrastruktur nicht weiter eingeschränkt wird und so zentrale Dinge wie die Trinkwasserversorgung nicht liberalisiert werden.
Manche Kommunen arbeiten bezüglich der Energienetze gut mit privaten Betreibern zusammen. Andere wollen es lieber selbst machen. Wieder dritte sehen in einer gemeinsamen Partnerschaft das beste Modell. Wichtig ist uns Grünen, dass a) die Kommunen selbst entscheiden können, welchen Weg sie gehen möchten, und b) dieser Weg dann auch rechtssicher ist. Denn das gehört zu unserem Verständnis von verantwortungsbewusster öffentlicher Daseinsvorsorge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nach unserer hitzigen Debatte vor knapp einem Jahr sind wir bis heute nicht weitergekommen. Die Bundesregierung hat die Rechtsunsicherheit, die sich für Kommunen bei der Übernahme der Verteilnetze aus dem § 46 Energiewirtschaftsgesetz ergibt, immer noch nicht beseitigt. Im Übrigen sind diese Rechtsunsicherheiten auch für Genossenschaften und private Unternehmen wenig hilfreich.
Staatssekretär Beckmeyer hat uns im letzten März versprochen, dass es bis zur Sommerpause einen Entwurf der Bundesregierung und dann auch ein parlamentarisches Verfahren geben soll. Damals dachte ich, er meine die Sommerpause 2015. Da habe ich mich offenbar getäuscht.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das kann passieren!)
Inzwischen liegt zwar ein Entwurf vor, der vielleicht nächsten Monat vom Kabinett beschlossen wird, aber wann das parlamentarische Verfahren startet und wann die neuen Regelungen in Kraft treten können, das steht in den Sternen.
(Florian Post [SPD]: Vor dem Sommer!)
– Ja, ich bin gespannt, Herr Post. – Aber das ist doch kein Zustand.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Die Koalition scheint in der Energiepolitik ausgebrannt und zerstritten zu sein. Auch andere energiepolitische Vorhaben werden immer weiter nach hinten verschoben. Sie sollen aber doch die anstehenden Aufgaben lösen und nicht ständig alles vertagen.
Sie von der Bundesregierung scheinen den Kommunen nicht zuzutrauen, selbst zu entscheiden, ob Sie die wichtige Aufgabe des Netzbetriebs übernehmen wollen. Denn eine Inhousevergabe wollen Sie in Ihrem Entwurf nicht zulassen.
Darüber hinaus schaffen Sie neue Rechtsunsicherheiten. Zum Beispiel heißt es im Referentenentwurf zu § 46 Absatz 4 EnWG:
Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen.
Das wird in der Praxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, weil dann in jedem Einzelfall eingewandt werden kann, dass die Gewichtung den Anforderungen des Netzgebiets womöglich nicht Rechnung getragen hat. Ich frage Sie: Soll das die neue Rechtssicherheit sein? Das ist nicht Ihr Ernst!
Dass Sie die Rekommunalisierung der Verteilnetze nicht erleichtern wollen, das haben Sie von den Koalitionsfraktionen ja schon in der ersten Lesung zu diesem Antrag im März letzten Jahres mehrfach angemerkt. Aber mehr Rechtssicherheit schaffen Sie mit diesem Gesetzentwurf auch nicht.
(Beifall der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])
Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, dass endlich eine Rechtslage herbeigeführt wird, die Klarheit für die Kommunen schafft, die die Stromnetze selbst betreiben wollen. Denn Energiewende, sei es bei den erneuerbaren Energien, bei der Energieeffizienz oder bei den Energienetzen, geht nur zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern und gemeinsam mit den Kommunen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der Kollege Johann Saathoff hat für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6484102 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Rekommunalisierung von Energienetzen |