Axel SchäferSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 18./19. Februar 2016 in Brüssel
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kauder hat völlig recht: Es ist tatsächlich ein Schicksalsjahr für die Europäische Union. Kollege Kauder hat mit Kritik an der SPD aber völlig unrecht. Deshalb darf ich sie hier insgesamt zurückweisen.
(Beifall bei der SPD – Christine Lambrecht [SPD]: Vollumfänglich!)
Frau Bundeskanzlerin, das, was in der EU an Entscheidungen auf uns zukommt, kann man auf einen einfachen Nenner bringen: Hält oder zerfällt die Gemeinschaft? Wenn das die Frage ist, sollte dies auch die Tonlage, die Ernsthaftigkeit und den gemeinsamen Willen in dieser Diskussion im Bundestag bestimmen.
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie uns einmal das wertschätzen, was wir in diesem Deutschen Bundestag haben. Es gibt – erstens – niemanden hier, der für einen Brexit, für einen Austritt Großbritanniens aus der EU, ist. Zweitens gibt es in diesem Haus keine nationalistische, keine rechtsextremistische Partei. Und es gibt – drittens – im Deutschen Bundestag genauso wie im Europäischen Parlament letztendlich die Kraft, die Verpflichtung und die Möglichkeit – wir werden sie nutzen –, dafür zu sorgen, dass auf europäischen Gipfeln getroffene Entscheidungen nur auf parlamentarischer Ebene in Recht umgesetzt werden. Bei allem, was in Brüssel geschieht, ist klar: Die Abgeordneten in den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament haben das letzte Wort. Das muss hier heute einmal deutlich ausgesprochen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was ist mit TTIP?)
Worum es bei den Entscheidungen, die in den kommenden Monaten anstehen, geht, lässt sich letztendlich auf eine ganz einfache Frage reduzieren: Werden wir weiterhin sagen: „Das wichtigste nationale Interesse bleibt in allen Mitgliedstaaten die europäische Einigung“, oder wird sich folgender Satz durchsetzen: „Wenn jedes Land nur an sich denkt, ist an alle gedacht“?
Das, was wir in den letzten Jahren in Europa erlebt haben, kann man nicht einfach mit dem Begriff „Populismus“ be- oder umschreiben; denn wir erleben einen wachsenden Nationalismus. Ich glaube, dass es im Interesse aller vier Fraktionen hier in diesem Hause ist, dass wir gemeinsam einem Nationalismus in den Staaten wie in der Gemeinschaft widerstehen, dass wir uns ihm entgegensetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Denn es geht nicht mehr darum, ob wir eine andere europäische Politik – sozialer, nachhaltiger, mehr Gleichstellung, mehr Umweltbewusstsein – machen, sondern es geht um die Frage: Wird die Europäische Gemeinschaft erhalten, oder setzt man auf Zerstörung? Darum geht es UKIP und Jobbik, darum geht es Frau Le Pen und Herrn Wilders, FPÖ wie AfD. Das sind Kräfte, die Verhältnisse herbeiführen wollen, die es in der Vergangenheit so nicht gegeben hat. Gleichzeitig sind es Kräfte, die uns auf eine schiefe Bahn führen wollen, manchmal langsam, manchmal mit Vehemenz. Mitterrand hat zu Recht gesagt: „Nationalismus heißt Krieg“. Machen wir uns die Ernsthaftigkeit dieser Situation bewusst: Wer den Nationalismus übersteigert, wird irgendwann auch wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa greifen. Helmut Kohl hat diesbezüglich genauso recht wie der verstorbene französische Präsident. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])
Wir müssen uns unserer Verantwortung bewusst sein; denn es ist klar, dass es bei den jetzt in Brüssel anstehenden Entscheidungen um die „Solidarität der Tat“ geht. Es wird jetzt tatsächlich darauf ankommen, dass wir gemeinsame Lösungen finden. Ich sage bewusst jenen auf der rechten Seite des Hauses: Es wird darauf ankommen, uns bewusst zu machen, wer unser wichtigster Verbündeter ist, nämlich die EU-Kommission. Es muss aufhören, dass wir bei Kleinigkeiten die EU-Kommission beschämen, wenn wir doch wissen: Sie ist die wichtigste Institution, die unsere Gemeinschaft zusammenhält. Jean-Claude Juncker, auch Günther Oettinger und andere sind die Partner, die wir brauchen, damit wir in Europa gemeinsam Erfolg haben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU] – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oettinger? Der hat sich disqualifiziert!)
Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6561862 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 18./19. Februar 2016 in Brüssel |