17.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 154 / Tagesordnungspunkt 1

Gunther KrichbaumCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 18./19. Februar 2016 in Brüssel

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir sind für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Ich glaube, es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass wir dieses Land in der Europäischen Union halten. Es sind außenpolitische Erwägungen, sicherheitspolitische Erwägungen, aber sicherlich auch Erwägungen der Stabilität.

Aber was man auch dazu sagen muss – bei dieser Debatte kommt es vielleicht ein wenig zu kurz –: Es ist vor allem für Großbritannien selbst von Vorteil, Mitglied in der Europäischen Union zu bleiben. Am Ende des Tages müssen die Briten selbst darüber entscheiden. Aber was hieße es denn, aus der Europäischen Union auszuscheiden? Von heute auf morgen würde ein Land den freien Zugang zum Binnenmarkt verlieren. Das bedeutet in der Konsequenz, dass man alle Güter bzw. Waren, die man in die Europäische Union, in den Binnenmarkt hineinexportieren möchte, neu zertifizieren lassen muss. Das kostet Geld. Was Geld kostet, kostet Wettbewerbsfähigkeit, und was Wettbewerbsfähigkeit kostet, kostet am Ende auch Jobs.

Es gibt dann die Möglichkeit – Modell Schweiz –, einseitig den Acquis communautaire zu akzeptieren. Das geschähe aber natürlich zu dem Preis, diesen nicht mehr mitgestalten zu können. Es mag ja sein, dass das im Falle der Schweiz funktioniert, aber beim drittgrößten Mitgliedsland der Europäischen Union funktioniert das sicherlich nicht.

Das wird an einem Beispiel deutlich: an der Finanzmarktregulierung. Würde Großbritannien aus der Europäischen Union ausscheiden, käme es aller Wahrscheinlichkeit nach sehr schnell zu strengeren Regeln auf den Finanzmärkten. Großbritannien könnte diese dann akzeptieren oder eben auch nicht. Auch das steht in Großbritannien am Ende zur Entscheidung. Das Land selber muss darüber befinden, ob es tatsächlich einen Vorteil aus dem Austritt hat.

Ganz nebenbei: Die Ursache dafür, dass wir überhaupt über dieses Referendum reden, ist eine ganz andere. Es war Cameron, der zunächst versuchte, parteiinterne Kritiker – Liam Fox, Bill Cash und wie sie alle heißen – und natürlich auch die UKIP zu besänftigen. Gelungen ist das nur sehr begrenzt. Deswegen wählte er in seiner ersten Bloomberg Speech dieses Referendum als Ventil.

Ich glaube, es ist nicht die Zeit, in eine Art Rosinenpickerei zu verfallen. Dieses Europa ist keine Multi­ple-Choice-Veranstaltung. Deswegen: Ein Sonderweg Großbritanniens darf nicht der Weg für die Europäische Union werden. Das würde uns nicht stärken, sondern schwächen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir stehen noch – aber auch das ist die Entscheidung von Großbritannien – vor einer weiteren Frage. Unsere schottischen Kollegen sagen uns nämlich: Würde Großbritannien aus der Europäischen Union ausscheiden, dann würden wir das Unabhängigkeitsreferendum von heute auf morgen erneut auf den Tisch legen. – Deswegen sage ich es mit einem Satz: Die Europäische Kommission darf in den Verhandlungen sehr selbstbewusst auftreten; denn Großbritannien hat am Ende des Tages sehr viel zu verlieren. – Aber noch einmal: Es ist die Entscheidung der Bürger selbst.

Ein letztes Wort natürlich zu den Flüchtlingen. Ich glaube, gerade bei dem jetzt bevorstehenden Gipfel kommt es sehr stark darauf an, ob wir als Europa imstande sind, hier mit einer Stimme zu sprechen. Es geht eben nicht nur um die Frage der Flüchtlinge, sondern auch darum, ob unsere europäische Idee, die Idee der Solidarität, weiterleben kann. Dabei kommt es entscheidend auf uns – auch im Deutschen Bundestag – an und darauf, ob wir die Problemlösungskompetenz besitzen oder ob die Bürger meinen, sie müssten deswegen eine andere Partei wählen.

Nein, in die deutschen Parlamente darf nie wieder eine Partei mit einem derart völkischen Gebaren einziehen, wie es die AfD verkörpert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um eines klar und deutlich zu sagen: Die Menschen an der deutschen Grenze zu erschießen, ist und bleibt keine Alternative für Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Redner in der Aussprache ist der Abgeordnete Thorsten Frei, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6561944
Wahlperiode 18
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 18./19. Februar 2016 in Brüssel
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta