Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Aktuellen Stunde beschäftigen wir uns mit einem Thema, das heute bereits Gegenstand der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin war. Wenn Herr Gehrcke hier reklamiert, dass die linke Fraktion das Wiener Verhandlungsergebnis zu Syrien am besten unterstützt, dann muss ich sagen: Das, was die Bundeskanzlerin hier heute in ihrer Regierungserklärung zu diesem Thema vorgetragen hat, war auch eine ganz klare und überzeugende Unterstützung dieser Politik, die im Übrigen vom Bundesaußenminister wesentlich mitgestaltet und geprägt worden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn ich die Überschrift der Aktuellen Stunde, die die Linke beantragt hat, lese – „Verschärfung kriegerischer Auseinandersetzungen in Syrien nach den Angriffen der Türkei auf syrisch-kurdisches Gebiet“ –, dann denke ich, Herr Gehrcke, dass Ihre Brille ein wenig schief sitzt;
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Passiert mir immer!)
ich meine jetzt Ihre politische Brille. Denn die Verschärfung der Lage in Syrien ist natürlich ganz klar zuvorderst dadurch eingetreten, dass die russische Luftwaffe im Verbund mit den Truppen des Diktators Assad die Zivilbevölkerung und die Opposition bekämpft, in Aleppo und in anderen Regionen des Landes eine humanitäre Katastrophe verursacht und ein verheerendes Blutbad angerichtet hat, was dazu geführt hat, dass sich Zehntausende von Flüchtlingen zusätzlich auf den Weg gemacht haben. Wir können nur an Russland, an Assad und an alle anderen appellieren, die Beschlüsse vom Donnerstag vergangener Woche in München – Waffenstillstand innerhalb einer Woche; die Woche läuft leider bald aus – sofort umzusetzen und einen Zugang für einen humanitären Einsatz zu ermöglichen, damit die Grundvoraussetzung dafür, dass Friedensgespräche im Sinne der Wiener Verhandlungen möglich sind, eintritt, nämlich ganz konkret die Waffen schweigen und das Blutvergießen ein Ende hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich glaube, das, was den Wiener Prozess aussichtsreich macht, ist tatsächlich, dass er eben nicht ein aus weiter Entfernung gesteuerter Prozess ist, sondern die Partner in der Region konkret und massiv mit eingebunden werden und insbesondere auch die beiden Kontrahenten Saudi-Arabien und Iran in den Prozess einbezogen werden. Das Papier, das wir als Ergebnis der Wiener Konferenz kennen, ist beachtlich. Es sieht ein säkulares, rechtsstaatliches Syrien als Folge eines Friedensprozesses vor, der sich in den nächsten 18 Monaten vollziehen sollte. Das ist ein sehr ambitioniertes, voll und ganz unterstützenswertes Ziel.
Was Deutschland gegenwärtig leistet, ist Unterstützung im Kampf gegen den IS. Der IS ist nach Assad die zweite Pest, die über die Bevölkerung in Syrien hineingebrochen ist. Ich glaube, dass eine wirksame Bekämpfung des IS in Syrien, aber eben auch im Norden des Irak und in anderen Teilen der Region bis hin nach Libyen nur dann möglich ist, wenn sich die Kräfte einig sind, wenn es gelingt, in Syrien eine Situation herbeizuführen, in der eine wie auch immer getragene Regierung der nationalen Einheit mit Unterstützung anderer geschlossen gegen den IS kämpft. Solange Assad und Russland gegen die Oppositionskräfte kämpfen, wird sich der IS die Hände reiben und weiter ausbreiten und entfalten können. Das haben die Menschen in diesem Land nicht verdient.
Wie sieht die Zukunft aus? Ich glaube, dass es immer wieder den Versuch geben sollte, ein Schweigen der Waffen zu erreichen. Vor allem wäre es wichtig, dass diejenigen, die den Kampf gegen den IS führen – er soll auch in dem Fall, dass die Waffen im Bürgerkrieg in Syrien schweigen, weiterhin geführt werden –, Wege finden, sich darüber zu verständigen und zu verifizieren, welche Ziele tatsächlich Angriffsziele sind.
Wir haben in den letzten Wochen immer dann ein absolutes Tohuwabohu an Meldungen gehabt, wenn entsprechende Luftschläge Russlands stattgefunden haben. Russland behauptete: Wir haben den IS bekämpft. – Durch neutrale bzw. westliche Kräfte wurde verifiziert: Die Luftschläge haben nicht den IS getroffen, sondern die Opposition.
Nur wenn – das ist der wunde Punkt bei der Vereinbarung vom Donnerstag letzter Woche – die strittige Frage: „Wer ist Terrorist, was ist ein bekämpfungswürdiges Ziel, und was ist nicht zu bekämpfen?“ in den nächsten Tagen zwischen den großen beteiligten Kräften tatsächlich befriedigend geklärt werden kann, wird es eine Chance geben, den Waffenstillstand umzusetzen. Den Menschen in Syrien ist das dringend zu wünschen. Den Menschen in Syrien gilt unser Mitgefühl in dieser schwierigen Situation.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Omid Nouripour von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6562529 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien |